Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema der postpartalen Depression. In der Arbeit soll geklärt werden, welchen Einfluss die postpartale Depression der Mutter auf ihr Kind haben kann. Ziel der Arbeit ist es, die Gefahren einer unbehandelten postpartalen Depression für das Kind aufzuzeigen und zu klären, welche Maßnahmen zur Entwicklungsförderung betroffener Kinder ergriffen werden können.
Die Gesellschaft stellt in dieser anspruchsvollen Zeit hohe Erwartungen an die Eltern von heute. Sie müssen Beruf, Familie und Soziales perfekt miteinander vereinbaren können. Auch das Bild einer Mutter ist in der Gesellschaft klar definiert. Sie trägt schon von der Geburt das Gros der Verantwortung für ihr Kind. So hat sie sich für die gesunde Entwicklung des Kindes einzuschränken, den Bedürfnissen des Kindes oberste Priorität einzuräumen und von Mutterliebe zu ihrem Kind erfüllt zu sein. Schwer fällt es dann Außenstehenden zu verstehen, wenn die Mutter nicht dem gewünschten Gesellschaftsbild entspricht und Schwierigkeiten zeigt, gegenüber dem Kind diese Gefühle aufzubringen.
Noch immer ist dieses Thema in der allgemeinen Öffentlichkeit nicht sonderlich bekannt. Hingegen wird ihm in der wissenschaftlichen Welt besonders in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet, insbesondere mit Blick auf die Auswirkungen auf das Kind.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2 Postpartale Stimmungskrisen
2.1 Postpartales Dysphorisches Syndrom
2.2 Postpartale Depression
2.3 Paranoid-halluzinatorische Puerperalpsychose
3 Forschung zur Postpartalen Depression
3.1 Aktueller Forschungsstand
3.2 Die Mannheimer Risikokinderstudie
3.2.1 Die Studie
3.2.2 Ergebnisse für die kindliche Entwicklung
3.2.3 Bedeutung der Ergebnisse
4 Risikofaktoren
4.1 Biologische und evolutionäre Faktoren
4.2 Psychosoziale Faktoren
5 Interventionsmöglichkeiten für eine förderliche Entwicklung des Kindes
5.1 Diagnostik
5.2 Kindheitsbezogene Prävention
5.3 Kindzentrierte Interventionen
6 Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kognitive Entwicklung in Abhängigkeit von mütterlichen Interaktionsverhalten
1. Einleitung
Die Gesellschaft stellt in dieser anspruchsvollen Zeit hohe Erwartungen an die Eltern von heute. Sie müssen Beruf, Familie und Soziales perfekt miteinander vereinbaren können. Auch das Bild einer Mutter ist in der Gesellschaft klar definiert. Sie trägt schon von der Geburt das Gros der Verantwortung für ihr Kind. So hat sie sich für die gesunde Entwicklung des Kindes einzuschränken, den Bedürfnissen des Kindes oberste Priorität einzuräumen und von Mutterliebe zu ihrem Kind erfüllt zu sein (Badinter, 2010). Schwer fällt es dann Außenstehenden zu verstehen, wenn die Mutter nicht dem gewünschten Gesellschaftsbild entspricht und Schwierigkeiten zeigt, gegenüber dem Kind diese Gefühle aufzubringen. Aus diesem Grund wird sich die vorliegende Arbeit mit dem Thema der Postpartalen Depression beschäftigen.
Noch immer ist dieses Thema in der allgemeinen Öffentlichkeit nicht sonderlich bekannt. Hingegen wird ihm in der wissenschaftlichen Welt besonders in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet, insbesondere mit Blick auf die Auswirkungen auf das Kind. Als Beispiel seien dazu u.a. die Studien von Hohm et al.(2017), Murray, Fearon und Cooper (2015) sowie Reck (2007) genannt.
Diese Arbeiten werden hier aufgegriffen. Es soll geklärt werden, welchen Einfluss die Postpartale Depression der Mutter auf ihr Kind haben kann. Ziel der Arbeit ist es, die Gefahren einer unbehandelten Postpartalen Depression für das Kind aufzuzeigen und zu klären, welche Maßnahmen zur Entwicklungsförderung betroffener Kinder ergriffen werden können.
Das Wort Depression stammt vom lateinischen Wort „deprimo“ und bedeutet so viel wie „herabdrücken“ (Dannemann, 1911). Diese rein psychische Erkrankung umfasst eine weite Spanne von Symptomen, welche sich durch eine deutlich gedrückte Stimmung, Minderung des Antriebs und Interessenverlust über längere Zeiträume äußern (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, 2010) Als Postpartale, oder auch Postnatale Depression, werden nach Riecher-Rössler (2006) „im allgemeinen alle schwereren längerdauernden und behandlungsbedürftigen Erkrankungen bezeichnet, die im ersten Jahr nach der Entbindung bestehen“ (S. 11). Die Begriffe „postpartal“ und „postnatal“ werden in der Fachsprache zumeist synonym verwendet. Sie umfassen den Zeitraum bis zu einem Jahr nach der Geburt (Rohde, 2004).
Diese Hausarbeit geht von der Annahme aus, dass Postpartale Depressionen negativ für die Kindsentwicklung in kognitiver, sozialer und emotionaler Hinsicht sind. Zur Untermauerung der Hypothese wurden verschiedene Fachtexte analysiert und eine deutsche Hauptstudie zum Thema untersucht.
Dazu wird im ersten Schritt das Feld der Postpartalen Stimmungskrisen vorgestellt und eine Einordnung der Postpartalen Depression und ihrer Merkmale und Charakteristika vorgenommen. Weiterhin werden auch noch die Begriffe des Postpartalen Dysphorischen Syndroms und die Puerperalpsychose zur Postpartalen Depression abgegrenzt. Im nächsten Schritt wird eine der Hauptstudien im deutschen Forschungsbereich zur Postpartalen Depression vorgestellt. Insbesondere soll der Fokus hier auf der Mannheimer Risikokinderstudie von Hohm und Kollegen aus dem Jahr 2017 liegen, welche sich mit den langfristigen Folgen für Kinder von Müttern mit Postpartaler Depression beschäftigt. Des Weiteren wird auf Risikofaktoren der Erkrankung bei betroffenen Müttern eingegangen. Anschließend sollen Förder- und Interventionsmöglichkeiten beleuchtet werden. Im letzten Schritt werden die Ergebnisse nochmals zusammengefasst und eine Einschätzung der aktuellen Situation in Deutschland gegeben.
2 Postpartale Stimmungskrisen
Postpartale Stimmungskrisen stehen in einem zeitlichen Zusammenhang zur Geburt. Es gibt keinen klassischen vorhersehbaren Verlauf, was eine erfolgreiche Diagnose erschweren kann (Lanczik & Brockington, 1997). Es werden hier drei Hauptstörungen, die nach einer Geburt auftreten können, unterschieden.
1. Postpartales Dysphorisches Syndrom
2. Postpartale Depression, auch als postpartale dysthyme Störung bezeichnet
3. Paranoid-halluzinatorische Puerperalpsychose
Eine Abgrenzung ist bei den genannten Störungen schwierig (Rohde, 2004). Deswegen werden im Folgenden alle drei Postpartalen Stimmungskrisen vorgestellt.
2.1 Postpartales Dysphorisches Syndrom
Das Postpartale Dysphorische Syndrom tritt bei etwa 25% der jungen Mütter auf (Riecher-Rössler & Fallahpour, 2003). Hierbei handelt es sich um eine kurzfristige Verstimmung, welche auch als „Heultage“ oder „Baby Blues“ bekannt sind (Neises, 2011, S. 884). Hier wird keine spezifische Behandlung veranschlagt, da sich die Symptome nach kurzer Zeit wieder legen. Spätfolgen für das Kind sind nicht bekannt.
2.2 Postpartale Depression
Die Postpartale Depression betrifft etwa 10-15% der Mütter und äußert sich in Form „einer länger anhaltenden, behandlungsbedürftigen Depression“ (Riecher-Rössler & Fal- lahpour, 2003, S. 107). Lanczik und Brockington (1997) grenzen die postpartale Depression zur endogenen Depression durch „einen chronisch-schleichenden Verlauf über einen zumeist zwei Jahre andauernden Zeitraum und einen geringeren Schweregrad“ (S. A- 3104) ab. Neben einer Niedergeschlagenheit der Betroffenen können auch Symptome der inneren Leere, Energiemangel, suizidale Gedanken, Ängste, Teilnahmslosigkeit und ambivalente Gefühle dem Kind gegenüber auftreten. Physische Beeinträchtigungen können sich in Form von Schlafstörungen, Reizbarkeit, Gewichtsschwankungen und anderen physischen Beschwerden äußern (Riecher-Rössler & Fallahpour, 2003). Zwar ähneln diese Symptome denen anderer Depressionen, jedoch stellen Riecher-Rössler und Falla- pour (2003) fest, dass diese Erkrankung mit einer auffällig ausgeprägten Labilität einhergeht und „die Inhalte des depressiven Grübelns, der Schuldgefühle usw. häufig auf das Kind und die Mutterschaft“ (ebd. S. 107) bezogen sind. So haben diese Mütter zum Teil Probleme, Gefühle gegenüber ihrem Kind zu empfinden und die gesendeten Signale des Kindes korrekt und rechtzeitig zu deuten. In besonders schweren Fällen kann es sogar zu einem regelrechten Hass auf den Säugling kommen. Auf die Folgen für das Kind wird im Kapitel der Mannheimer Risikokinderstudie näher eingegangen.
2.3 Paranoid-halluzinatorische Puerperalpsychose
Die Psychose ist die seltenste der Wochenbettkomplikationen. Von ihr sind nur ein bis zwei von 1000 Frauen betroffen (Riecher-Rössler & Fallahpour, 2003). Klassische Symptome sind Verwirrtheit, schnelle affektive Schwankungen sowie starke Angst- und Erregungszustände (Pfuhlmann, Stöber, Franzek & Beckmann, 2000). Eine Behandlung sollte hier im Rahmen der Einweisung in eine psychiatrische Klinik erfolgen.
3 Forschung zur Postpartalen Depression
3.1 Aktueller Forschungsstand
Eine der bekanntesten Forscherinnen zum Thema der Postpartalen Depression ist Lynne Murray. Bereits in den frühen 90ern erkannte sie, dass Säuglinge im frühen Lebensalter überaus anfällig in Hinblick auf ihre psychische Entwicklung sind (Murray, 1992), da sie in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zur primären Bezugsperson, zumeist die Mutter, stehen. Nicht nur müssen seine Grundbedürfnisse erfüllt werden, es muss auch eine funktionierende Bindung im Rahmen der Mutter-Kind-Interaktion bestehen, um dem Kind Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln (Schneider, 2010). Dies ermöglicht ihm später, seine Umwelt und neue Situationen zu erforschen.
Einen umfassenden Überblick zur aktuellen Forschung liefert Murray in Zusammenarbeit mit Kollegen ( 2015). Hier wurden verschiedene Studien zusammengetragen, welche sich mit unterschiedlichen Aspekten der Postpartalen Depression beschäftigen. Die untersuchten Felder beinhalteten
- Auswirkungen der Postpartalen Depression auf die Mutter-Kind-Beziehung in der frühen und späteren Kindheit mit Bezug auf biologische Veränderungen, Kognitive Entwicklungen, Verhaltensauffälligkeiten und psychische Schwierigkeiten
- Behandlungs- und Interventionsstudien
Murray et al. (2005) stellen in den analysierten Studien fest, dass Postpartale Depressionen langzeitliche Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung haben können. Darunter können Bindungsprobleme fallen sowie die Unfähigkeit der Mutter die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen und auf diese adäquat einzugehen. Als Folge kann das Kind kein Urvertrauen ausbilden, welches für eine weitere positive Entwicklung wesentlich ist (Ludwig-Körner, 2016). Diese Ergebnisse werden gestützt durch Atkinson et al.(2000), Campbell et al. (2004) und Murray et al. (1999). Weiterhin konnten in Studien Veränderungen an der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, welche die Reaktionen auf Stress kontrolliert, festgestellt werden. Bei Kindern von Müttern mit Postpartaler Depression konnten so erhöhte Cortisolwerte nachgewiesen werden (Bugental, Martorell, & Barraza 2003; Field et al., 1988; Halligan, Herbert, Goodyer & Murray, 2004). Ähnliche Ergebnisse konnten in Langzeitstudien auch in der späteren Kindheit festgestellt werden (Halligan et al., 2004).
Weitere Auswirkungen zeigten sich in verschiedenen Studien auf die kognitive Leistungsfähigkeit der Kinder. So schnitten diese im Allgemeinen bedeutend schlechter ab als Kinder nicht betroffener Mütter (Cogill, Caplan, Alexandra, Robson & Kumar, 1986; Sharp et al., 1995; Sutter-Dallay et al., 2011). Insbesondere bei Jungen wurde eine schlechtere kognitive Leistungsfähigkeit nachgewiesen (Hay et al., 2001; Milgrom, Westley & Gemmill, 2004). Ein weiteres Einflussmerkmal auf die kognitive Entwicklung ist die eingeschränkte Fähigkeit betroffener Mütter mit ihrem Kind zu interagieren und auf Bedürfnisse der Kinder einzugehen (Eshel, Daelmans, Mello & Martines, 2006; Field et al., 1988; Murray, Halligan, Goodyer & Herbert, 2010; Slater, 1995; Stanley, Murray & Stein, 2004). Dies resultiert zudem in einem weniger aktiven Kommunikationsverhalten des Kindes mit der Mutter (Reck, 2007).
Diese Zusammenfassung der Ergebnisse vorheriger Forschungsstudien belegt, dass es nachweisbare Zusammenhänge zwischen einer Postpartalen Depression und der weiteren Entwicklung der Kinder auf psychischer, kognitiver, behavioraler und sogar der physischen Ebene gibt.
3.2 Die Mannheimer Risikokinderstudie
Die vorgenannten Studien bezüglich der langfristigen Auswirkungen beziehen sich größtenteils nur auf „internalisierende und depressive Störungen bzw. Symptome, allerdings mit inkonsistenten Ergebnissen“ (Hohm et al., 2017, S. 218). Langfristige Studien sind weiterhin noch rar gesät, da die Forschung sich zumeist auf kurz- und mittelfristige Entwicklungen konzentriert.
3.2.1 Die Studie
Die Mannheimer Studie, durchgeführt von Hohm et al. (2017), konzentriert sich auf einen Zeitraum vom Kleinkindalter bis ins Alter von 25 Jahren und fokussiert sich auf die kognitive und psychische Entwicklung. Ursprünglich betrug die Stichprobengröße 384 Kinder. Der Versuchsaufbau bestand final aus zwei verschiedenen Teilnehmerkategorien. In der ersten Gruppe waren 28 Probanden vertreten, deren Mütter postpartal depressiv waren. Die Kontrollgruppe bestand aus 107 Probanden, deren Mütter keinerlei psychische oder psychosoziale Vorbelastungen aufwiesen. Es gab keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der physischen und demografischen Eigenschaften im Säuglingsalter. Die Erhebungen fanden in regelmäßigen Abständen in den folgenden Alterskategorien statt: 2 Monate, 2 Jahre, 4 Jahre, 6 Jahre, 8 Jahre, 11 Jahre 15 Jahre, 19 Jahre, 23 Jahre und 25 Jahre. Die Untersuchungsvariablen waren
- Postpartale Depression: Erhebung des psychischen Befundes der Mutter bei Geburt und zwei Jahre später
- Kognitive Entwicklung: Messung mittels unterschiedlicher Verfahren abhängig vom Kindesalter. Zur Anwendung kamen: Mental Scale der Bayley Scales, Columbia Mental Maturity Scale, Grundintelligenz von Cattell, dreifach gestufter Schulabschluss
- Frühe Mutter-Kind Beziehung: Beobachtung der Interaktionen zwischen Mutter und Kind. Betrachtet wurden verschiedene Skalen (Emotion, Lautäußerung, Variabilität, Reaktivität/Sensitivität)
- Frühkindliche psychosoziale Risikofaktoren
- Organische Risikofaktoren: Geburtsmedizinische Belastungen
3.2.2 Ergebnisse für die kindliche Entwicklung
Hohm et al. konnten feststellen, dass eine Postpartale Depression mit einem nachteiligen Einfluss auf die geistige Entwicklung des Kindes einhergeht. Besonders deutlich trat dies in der Gruppe der Zwei- bis Viereinhalbjährigen auf, die einen signifikant niedrigeren IQ aufwiesen als die gleichaltrigen Kinder der Kontrollgruppe (KG). Dies deckt sich mit den Ergebnissen vorhergenannter Studien (Cogill et al., 1986; Sharp et al., 1995; Sutter- Dallay et al., 2011). Auch konnte, wie in den Studien von Hay et al. (2001) und Milgrom et al. (2004), gezeigt werden, dass Söhne postpartal depressiver Mütter stärker in ihrer kognitiven Entwicklung beeinflusst waren. Auch in der langfristigen Betrachtung zeigte sich, dass die Probanden der PPD-Gruppe mit höherer Wahrscheinlichkeit im Vergleich zur KG nur einen Hauptschulabschluss erworben. Hohm et al. schlossen daraus, dass Kinder postpartal depressiver Mütter bildungstechnisch benachteiligt werden.
Die psychische Entwicklung der erwachsenen Kinder der PPD-Gruppe betrachtend, wurde festgestellt, dass für sie ein 2.6faches Risiko besteht, an psychischen Beeinträchtigungen zu erkranken. Dieses erhöhte Risiko konnte zu jedem Erhebungszeitpunkt nachgewiesen werden.
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