Diese Arbeit befasst sich mit dem Aufkommen der nigerianischen Mafia in Sizilien und deren Umgang mit der italienischen "Cosa Nostra" als dramaturgische Realisierung. Die grundlegende Frage lautet dabei, wie die soziale Interaktion der beiden stigmatisierten, illegalen und totalen Institutionen verläuft. Wie wird in dieser Konstellation das Eindrucksmanagement ausgereizt? Welche Rolle spielt die Interaktionsmacht der Drohung im Prozess der gegenseitigen Rahmung? All diese Fragen können mit der Dramaturgie der strategischen Kommunikation nach Goffman beantwortet werden.
Mit der "Rahmenanalyse" bietet Goffman eine Untersuchungsmöglichkeit sozialen Handelns an, die sich auf Interpretationsschemata von Erfahrungen bezieht und hilft, Situationen zu verstehen und zu interpretieren. Hinzu kommt die Rolle der Drohung als soziale Interaktionsmacht nach Rainer Paris, um Aufschluss über die Machtverhältnisse in den Handlungssystemen zu geben. Zunächst werden hierfür die theoretischen Aspekte aus der Rahmenanalyse beleuchtet und daraufhin die Rolle der Drohung nach Paris aufgeschlüsselt.
Das Handlungssystem, in dem die beiden kollektiven Akteure agieren, besteht zum einen aus wechselseitiger Abschreckung und zum anderen aus kooperativen Beziehungen. Es gilt dabei zunächst festzustellen, dass die nigerianische und kriminelle Organisation "Black Axe" eine unheilige Allianz mit der italienischen "Cosa Nostra" eingegangen ist.
"Black Axe" verrichtet für die Mafia die 'Drecksarbeit', wie beispielsweise einfaches Dealen, Menschenhandel oder Prostitution, und darf im Gegenzug immer mehr von der Identität der italienischen Mafia Gebrauch machen. Des Weiteren wird den Nigerianern ein klar zugewiesenes Gebiet zugeteilt und bei Grenzüberschreitungen oder anderweitigen Autoritätsverstößen, hart abgestraft. Dieses Geflecht aus Interaktionen zwischen Subordination, Anpassung und Drohung soll dabei mit der Rahmenanalyse von Goffman untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Literarische Grundlage
2.1 Drohungen
2.1.1. Methode der Interaktionsmacht
2.1.2. Drohungen in idealtypischen Handlungssystemen
2.2 Totale Institutionen und die Umformung des Selbst
2.3. Rahmenanalyse: Die Herstellung dessen, was der Fall ist
2.3.1. Primärer Rahmen
2.3.3. Täuschen
3. Analyse desAnwendungsbeispiels
3.l. Ausgangslage
3.1.1. Die sizilianische Mafia: CosaNostra
3.1.2. Das kriminelle Syndikat: SchwarzeAxt
3.1.3. Die Handlungssituation
3.2. Dramaturgische Rahmenanalyse
3.3. Zukunftsausblick
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen. Wichtig erscheinen mir hier die breite Anwendungsmöglichkeit und der Situationsbezug.“ (Weber, 1980: 28). Diese Annahme Webers ist der Ausgangspunkt für den Versuch die Interaktion zwischen der italienischen Cosa Nostra und dem neu aufkommenden nigerianischen Verbrechersyndikat die Schwarze Axt zu interpretieren. Die korporativen Akteure können als exemplarisch für eine Etablierte-Außenseiter-Figuration im Sinne Norbert Elias (2002) angesehen werden. Wie kann auf diese Figuration geschaut werden und wie wird dieser Blick hergestellt? Für die Beantwortung dieser Forschungsfrage, kann die Rahmenanalyse von Erving Goffman herangezogen werden. Hierbei soll es allerdings untypischerweise um die Machtrelevanz in seinen Werken Asyle und FramingAnalysis gehen. „Goffman ... may be revealed as a major, and hitherto unrecognized theorist of power.” (Jenkins, 2009: 141). In seinen Werken kommt Goffman immer wieder zu Nebenbemerkungen, die auf Machtverhältnisse subsumiert werden können (Zwengel, 1998). Er nennt hierbei die „interactional ,tools‘ whereby hierarchies are built, maintained, and legitimated.“ (Branaman, 2003: 120). Obwohl Goffmans Werk Framing Analyisis eher als subjektphilosophische Interpretation zu lesen ist, können Rahmungsvorgänge auch als kollektive Prozesse verstanden und untersucht werden (Vogd, 2004). Neben der Thematisierung des Nicht-Thematisierten bei Goffman, soll auch die Interaktionsmacht der Drohung nach Paris (1998) hinzugezogen werden, um Machtstrukturen in der Interaktion bestimmen zu können (Zwengel, 1998). Dies geht mit der Prämisse einher, dass die Drohung ein Instrumentarium sozialer Macht ist, welches sowohl die Schwarze Axt als auch die Cosa Nostra einsetzen können. Nach der Einführung der literarischen Grundlagen von Paris und Goffman, werden zunächst die involvierten Akteure vorgestellt. Dabei wird vor allem auf die historisch-soziologische Untersuchung von Diego Gambetta (1993) Die Firma der Paten, sowie auf weitere phänomenologische Studien und Zeitungsartikel zu die Schwarze Axt, zurückgegriffen. Daraufhin wir versucht die Kampfhandlung der beiden Akteure literarisch zu rekonstruieren, um diese Handlungen dann anhand der Rahmenanalyse deutend zu verstehen.
2. Literarische Grundlage
2.1 Drohungen
Rainer Paris (1998) identifiziert eine Drohung als Prototyp sozialer Macht. Diese soziale Macht ist dabei die vorletzte Machttechnik der Interaktionspolitik nach der Legitimierung, Informationsmanöver und Anreizen. Sie verhängt ein Potential der Sanktionierung, ohne direkt auf Strafen zurückgreifen zu müssen. Diese offene oder verdeckte Ankündigung, der andere werde bald mit enormen Nachteilen zur rechnen haben, wenn nicht zügig der Wille Geltung bekommt und der Bedrohte sein Widerstreben aufgibt, bildet die Grundstruktur der Interaktionsmacht. Drohungen reduzieren Komplexität in einer sozialen Situation, indem diese eine festgeschriebene Handlungsrichtung aufzwingt. Sofern das Machtgefälle klar einseitig verläuft, erfüllt die Drohung ihren Zweck. Falls jedoch der Unterlegene sich Machtmittel verschafft oder sich einschlägige Ressourcen aneignet, hat er eine Chance, sich der Drohung zu widersetzen.
2.1.1. Methode der Interaktionsmacht
Die Methode der Interaktionsmacht ist durch eine Konditionalstruktur., einer Selbstverpflichtung und eine Form der Glaubwürdigkeit geprägt, die unerlässlich für den Erfolg ist. Eine Drohung gilt als erfolgreich, wenn sie nicht verwirklicht werden muss; wenn ihre Glaubwürdigkeit also keiner praktischen Bestätigung bedarf. Es lässt sich eine Dichotomie in der Konditionalstruktur der Drohung verzeichnen. Zum einen ein Grad der Fügsamkeit, welcher Straffreiheit nach sich zieht und zum anderen eine Form des Widerstandes und die damit einhergehende Strafe. Das Defizit einer freien Wahl wird durch die Verkehrung der sozialen Ontologie nunmehr verstärkt. Eine Drohung determiniert einen Ablauf von Ereignissen, anstatt reziproke Verbindungen von intentionalen Handlungen gelten zu lassen. Die Strafaktion wird somit objektiviert und in einen kausalen Zusammenhang gebracht. Nach einer ausgesprochenen Drohung lastet die Verantwortlichkeit für weiterführendes Handeln vermeintlich vollkommen auf dem Bedrohten. Der Drohende und sein interaktives Steuerungsinstrument, ist verpflichtet die Sanktion im Falle eines Widerstandes zu vollziehen und zum Vollstrecker seines eigenen Plans zu werden. Die Janusgestalt einer Drohung liegt dabei in ihrer Berechenbarkeit. Sie signalisiert eine klare Form der Fügung, ist aber in ihrer Beschaffenheit starr und lässt keine Spielräume für Ambiguität; demnach ist sie ausrechenbar. Bei der Glaubwürdigkeit kommt es auf die richtige Inszenierung des Selbst an und um eine dramaturgische Kreation der Glaubwürdigkeit. Die Entschlossenheit, die angekündigte Sanktion zu vollstrecken, darf nicht angezweifelt werden und es gilt den Raum zwischen ausgesprochener Drohung und Fügung zu überbrücken. In dieser Zwischenzeit kann das Drohpotential als Stützkonstruktion herangezogen werden, um einen Vorgeschmack darauf zu gegeben, wie die Strafe praktisch aussehen kann. Ist die Drohung erfolgreich, entfällt der Sanktionsvollzug. Misslingt siejedoch, schlägt die Selbstverpflichtung auf den Drohenden zurück. Daraus folgt das sogenannte Folgendilemma: Entweder wird die Strafe vollzogen oder der Drohende verliert sein Ansehen. Zwischen der Selbstverpflichtung., der Glaubwürdigkeit und dem Folgedilemma bewegt sich der Drohende und geht immer die Gefahr ein, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Hervorzuheben gilt neben dem individuellen Sinn einer Drohung sein sozialer Sinn. Eine Drohung akzentuiert eine Überlegenheit und erschafft eine fiktive Ungleichheit und vernichtet somit jegliche Vorstellung einer Egalität. Bei diesem Vorgang bleibt eine Drohung stets ein reziproker Vorgang trotz der vorhandenen Assymetrie. Drohungen schaffen Ordnung aber umgekehrt unterliegen sie auch kollektiven Ordnungsvorstellungen. Die Dritten, also die Zuschauer der Machtvorstellung, überprüfen stets die normative Korrektheit und sind in der Lage das Drohpotential anzuzweifeln, Bluffs aufzudecken oder schlicht die Inszenierung zu stören (Paris, 1998).
2.1.2. Drohungen in idealtypischen Handlungssystemen
„Sinn, Form und Dramaturgie der Drohung wechseln nach den Umständen ihres Einsatzes“ (Paris, 1998: 25). Die figurativen Konstellationen in der die Akteure agieren, sind maßgeblich für die dynamische Entwicklung der Drohung. Im Folgenden werden deshalb zwei anwendungsbezogene und idealtypische Handlungssysteme herangezogen, um aufzuzeigen, wie sich die Struktur der Drohung entwickelt und verändert.
2.1.2.1. Wechselseitige Abschreckung
In einem Drohsystem erfahren Drohungen nicht temporär Geltung, sondern werden kontinuierlich eingesetzt. Die Struktur ist geebnet mit ständiger Furcht des Verrats und der Hinterlist. Die Drohung baut stets auf einer Gegendrohung auf und sorgt durch ihre rabiate Stärke, Offenheit und Bestimmtheit für die einzige Form der Klarheit, die es in diesem Handlungssystem gibt. Dabei gilt zu beachten, dass Gleichgewicht zwischen den Kontrahänten, nicht die Überlegenheit die Funktionsweise des Drohsystems bestimmt. Der Aufrüstungsbedarf aus der Drohspirale verlangt flexible Reaktionen auf flexible Angriffe. Paris beschreibt diesen Zustand als Labilität und verweist auf die notwendige Beweisnot, die niemals umgesetzt werden darf. Die Umsetzung dessen wäre nämlich gleichbedeutend mit Selbstvemichtung. „Die Transformation des Abschreckungs- zum Kooperationssystem gelingt nur, wenn die Maschinerie der Vernichtung abgestellt wird“ (Paris, 1998: 28). Das Drohsystem lässt keine Koexistens zu und sozialer Verkehr ist nur als serielles Nebeneinander gestaltbar. Die Angst konstituiert und bewahrt somit das Handlungssystem Wechselseitiger Abschreckung undjede soziale Verständigung wird zerschlagen.
2.1.2.2. Kooperative Beziehung
Im Handlungssystem der kooperativen Beziehungen sind die Akteure Partner in dem Sinne, als dass sie ihr Handeln einer gemeinsamen Sachaufgabe widmen. Der Modus kollektiver Zusammenarbeit ist geprägt von sozialem Druck. Die Drohung erfüllt hierbei eine Integrationsfunktion und resultiert aus der Selbstverpflichtung eines drohenden Dritten, sodass die Bedrohten sich Zusammenschließen und eine Opposition bilden. Anderweitig kann auch eine Drohung des künftigen Partners eine Kooperation folgen lassen. „Das Prinzip der Verkopplung von Drohungen und Anreizen teilt die Mafia mit normalen Arbeitsorganisation“ (Paris, 1998:39). Fügsamkeit resultiert hierbei aus einem Abwägen zwischen vorhersehbaren Nachteilen und Vorteilen, wobei die Drohung im Hintergrund bleibt und man nur den individuellen Vorteil verspürt. Um ein weiteres Drohmittel in diesem Handlungssystem zu nennen, kann man sich der Kooperationsbereitschaft zuwenden. Wenn sich der Leistungsträger zurückzieht, heißt dies etwa den Verlust von Produktionskraft oder gar einen Misserfolg für den jeweils anderen. Wenn man allerdings eine Kooperation und dessen situativen Rahmen erhalten will, bleiben nur noch versachlichte Drohungen übrig, die sich als verdeckte, instrumentelle und sozial akzeptable Drohungen fassen lassen.
2.2 Totale Institutionen und die Umformung des Selbst
Erving Goffmans (1973) Studie über Asyle zeigt, wie die Neugestaltung der sozialen Situation einer Person, die ihren Habitus verlässt und in eine totale Institution eingebettet wird, zu einer Umformung der Person selbst führt. Die Institution ist dabei allumfassend und nimmt das Individuum komplett in Anspruch, das heißt alle Angelegenheiten des Lebens (Essen, Spielen& Schlafen) finden an ein und demselben Ort, unter einer großen Gruppe von Schicksalsgenossen und unter derselben Autorität statt. Systemtheoretisch formuliert, entdifferenziert sich in einer Anstalt die Raum-/Zeitdimension. Eine Reihe von expliziten Regeln ordnet alle Tätigkeiten und sonstigen Lebensäußerungen der Mitglieder. Diese Vorschriften werden durch einen Stab von Funktionären festgesetzt. Dabei gilt festzuhalten, dass in totalen Institutionen „eine fundamentale Trennung zwischen einer großen, gemanagten Gruppe, treffend ,Insassen’ genannt, auf der einen Seite, und dem weniger zahlreichen Aufsichtspersonal auf der anderen“ (Goffman 1973: 18.) gilt. Während die Insassen in der Institution leben und einen eingeschränkten Kontakt zur Außenwelt haben, ist das Personal in der Regel sozial in die Außenwelt integriert. Die Insassen werden kontinuierlich überwacht. Ihre Aktionen und Äußerungen sind durch einen einzigen rationalen Plan determiniert, der letztlich nur der Zielerreichung der Institution dienen soll. Hierbei kann man von einer Totalinklusion der Mitglieder sprechen, die sozusagen mit Leib und Leben an die Institution gebunden werden. Entscheidend ist dazu, dass die zentralen Autoritäten der totalen Institution auch dann handlungsfähig bleiben, wenn die subordinierten Mitglieder die gesetzte Ordnung nicht länger anerkennen (ebd.). Es geht also nicht wie bei legitimierten Organisationen um eine Form der Herrschaft, sondern um Machtausübung nach Weber (1980: 28), nämlich die „Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chancen beruhen.“ Goffman unterscheidet weiterhin fünf Typen von totalen Institutionen über eine Methode der Idealtypen, wobei für das Anwendungsbeispiel nur auf einen dieser Typen aufmerksam gemacht wird. „Institutionen, die vorgeblich darauf abzielen, bestimmte, arbeit-ähnliche Aufgaben besser durchführen zu können und die sich nur durch solche instrumentellen Gründe rechtfertigen.“ (Goffman, 1973: 16). Man kann die Situation des Mitgliedes in diesem Typus als persönliche Ohnmacht fassen, wobei es stets zwischen den Wünschen und den idealen Interessen der Anstalt balanciert. Das Ergebnis dieser Ohnmacht, ist der vollständige Verlust der Selbstbestimmung. Das Mitglied hat letzten Endes die Identität, das Auftreten, die Sitten sowie das Verhalten der totalen Institution angepasst und sein früheres bürgerliches Ich aufgegeben.
2.3.Rahmenanalyse: Die Herstellung dessen, was der Fall ist
Mit der Rahmenanalyse {Frame Analysis) bietet Goffman (1980) eine Untersuchungsmöglichkeit sozialen Handelns an, die sich auf Interpretationsschemata von Interaktionen bezieht und hilft, Situationen zu verstehen und zu interpretieren. Ein Rahmen kann als eine Perspektive bezeichnet werden, in der eine konkrete Problemstellung gesehen und verstanden werden kann. Rahmen können somit als ein Organisationsprinzip der menschlichen Interaktion und Erfahrung verstanden werden. Zum einen wird beobachtet, wiejemand schaut, zum anderen untersucht, wie die Bedingungen dieses Schauens hergestellt werden.
2.3.1. Primärer Rahmen
Wann immer eine Person ein bestimmtes Ereignis wahrnimmt, wird die Reaktion darauf von Interpretationsschemata {framingprocess) bestimmt, welche einen ansonsten sinnlosen Aspekt der Szene zu etwas Sinnvollem machen. Diesen Prozess der Deutung nennt Goffman primärer Rahmen. Primäre Rahmen ermöglichen „die Lokalisierung, Wahrnehmung, Identifikation, und Benennung einer anscheinend unbeschränkten Anzahl konkreter Vorkommnisse, die im Sinne des Rahmens definiert sind.“ (Goffman, 1980: 31). Dieser Prozess geschieht im Sinne einer dramaturgischen Inszenierung der Handlung, wobei die Rahmung zu einem Mittel wird, mit welchem Akteure bestimmte Ziele erreichen können. Diese Inszenierung kann allerdings nur in der Beziehung zwischen Schauspieler und Publikum Anklang finden. Das Publikum oder Öffentlichkeit muss dabei vom Akteur (oder in Goffmans Sprache: Schauspieler) dazu gebracht werden aktiv oder passiv am Prozess zu partizipieren, sodass die eingeschlagene Handlungsliniene weitergeführt werden kann. Hierbei ist die Terminologie des Eindrucksmanagement hervorzuheben, die dafür sorgt, dass Handlungen und Identitäten (Selbst- und Fremdbilder) zielorientiert und intendiert gerahmt werden. Goffman nimmt eine Unterscheidung zwischen natürlichen und sozialen Rahmen. Natürliche Rahmen werden rein physikalisch gesehen und haben keine Absicht und keinen Willen als Ursache. Sie sind vollständiger Determination ausgesetzt und finden sich im Konzept von Ursache-Wirkung wieder. Der soziale Rahmen liefert einen Verständnishintergrund für Ereignisse, an denen Menschen, alle anderen Lebewesenjedoch auch, mit Willen und Zielsetzung beteiligt sind. Da der Handelnde Maßstäben sozialer Beurteilung unterworfen ist, spricht Goffman davon, dass das Tun des Menschen als „orientiert“ bezeichnet werden kann. Die Beurteilungen führen zu ständigen Korrekturen des Verhaltens, wodurch Motive und Absichten in Erscheinung treten, deren Hintergrund die Auswahl eines sozialen Rahmens erleichtert (ebd.). Goffman beschreibt die Modulation und die Täuschung als zwei Formen der Transformation eines primären Rahmens. Da der Fokus dieser Arbeit nur auf der Täuschung liegt, wird im Folgenden nicht weiter auf die Modulation eingegangen.
2.3.3. Täuschen
Der primäre Rahmen bietet den Ausgangspunkt für weiterführende Sinntransformationen. Rahmen können dabei als Grenzfall der Modulation des so-tun-als-ob als Täuschung angesehen werden. Um zu täuschen, bedarf es einem Urbild, das innerhalb des primären Rahmens sinnvoll ist. Für den Täuschenden ist die Situation ein Täuschungsmanöver, wogegen es für die Getäuschten das ist, was vorgetäuscht wird. Während des Täuschens erkennen nur die Täuscher, dass der Rand des Rahmens eine Fälschung ist. Goffman konludiert in seiner Rahmenanalyse, dass die Täuschung die Gefahr des Auffliegens, welche er in Rahmenanalyse Entlarvung nennt, beinhaltet. „Wenn die getäuschte Seite herausfmdet, was los ist, dann erkennt sie das, was einen Augenblick vorher für sie noch Wirklichkeit war, als Täuschung, und somit ist es völlig zerstört.“ (ebd.: 99). Die Konstruktion einer Situation geht unvermeidlich bei der Entstehung einer neuen Situation zu Ende. Einhergehend mit dem Täuschungsmanöver müssen noch zwei weitere Begriffe aufgeführt werden. Zum einen ist es der besorgniserregende Eindruck, dass der Handlungsausschnitt, in dem sich eine getäuschte Person befinden, manipuliert und ein wirklicher Einblick in die tatsächliche Rolle verwehrt worden ist. Diesen Eindruck bezeichnet Goffman als Verdacht. Der Verdacht ist jedoch vom Zweifel zu unterscheiden. Der Zweifel bezieht sich nicht auf die Rolle, sondern auf den geltenden Rahmen, der bisher problemlos funktioniert und nicht in Frage gestellt wurde (ebd.).
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