Die vorliegende Hausarbeit setzt sich mit der institutionellen Diskriminierung im deutschen Schulsystem auseinander. Dafür wird ein besonderer Fokus auf SuS mit Migrationshintergrund gelegt sowie die institutionelle Diskriminierung anhand aktueller Studien und gesellschaftlicher Debatten untersucht. Die Fragestellung dieser Arbeit lautet, ob institutionelle Diskriminierung im deutschen Bildungssektor vorzufinden ist und auf welche Gruppierungen von SuS dieser Umstand zutrifft. Darüber hinaus wird die Hypothese aufgestellt, dass insbesondere SuS mit einem Migrationshintergrund häufiger institutionell diskriminiert werden, und sich ungleichen Bildungschancen stellen müssen.
Die Arbeit strukturiert sich in mehrere Punkte. Begonnen wird mit einem theoretischen Einblick in die Begrifflichkeiten der Diskriminierung, mit besonderem Schwerpunkt auf die institutionelle Diskriminierung. Des Weiteren wird eine Abgrenzung zum Rassismus vorgenommen, da diese beiden Nomina nicht gleichgestellt werden dürfen. Auch die Grundstruktur des Bildungssystems ist von Bedeutung für den theoretischen Hintergrund, denn diese verdeutlicht die Grundsätze der Bildungsgleichheit in der Institution Schule. Fortführend werden die Ansichten des Soziologen Raymond Boudons und die primären sowie sekundären Herkunftseffekte betrachtet, um mögliche Gründe für die institutionelle Diskriminierung zu verdeutlichen. Das Eingangszitat stammt aus der #MeTwo Debatte des deutsch-türkischen Aktivisten Ali Can. Menschen, die sich in ihrem Leben aufgrund etwaiger Gründe diskriminiert gefühlt haben, nutzen diesen Hashtag, um ihre Erfahrungen zu teilen. So auch Cem Özdemir, welcher einer von vielen ist, dem in der Schule das Gefühl vermittelt wurde, minderwertig zu sein. Aufgrund dessen wird dieses Hashtag und dessen Einfluss in dieser Hausarbeit thematisiert, da viele Erfahrungsberichte aus schulischen Instituten stammen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse der PISA-Studie aus dem Jahre 2018 unter dem Gesichtspunkt, ob Leistungsdisparitäten in der Lesekompetenz zwischen autochthonen und allochthonen SuS bestehen, präsentiert. Wo Disparitäten aufkommen, folgen auch Handlungsoptionen gegen diese. Insofern werden Möglichkeiten präsentiert, die die Ungleichbehandlung im deutschen Bildungssystem minimieren können. Darunter fallen beispielweise eine spätere Ausgliederung auf die weiterführenden Schulen sowie ein multilingualer Unterricht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Die Arten der Diskriminierung
2.2. Institutioneller Rassismus in Abgrenzung zu institutioneller Diskriminierung
2.3. Der Übergang von dem Primärbereich zur Sekundarstufe 1
2.4. Primäre und sekundäre Herkunftseffekte nach Raymond Boudon
3. Institutionelle Diskriminierung in der Praxis
3.1. Die #MeTwo Debatte - Ethnische Diskriminierung
3.2. Ergebnisse der PISA-Studie 2018
4. Handlungsoptionen gegen institutionelle Diskriminierung
4.1. Spätere Ausgliederung und einheitliche Gesamtschulen
4.2. Vielsprachiger Unterricht und Heterogenität
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der 4. Klasse fragte der Lehrer, auf welche weiterführende Schule wir gehen wollten. Ich hob den Arm beim Gymnasium. Der Lehrer lachte, dann stimmte die ganze Klasse mit ein. Mein Wunsch war das eine, meine Noten das andere. In der 5. kam ich auf die Hauptschule. #MeTwo (Twitter, Özdemir 2018).
Schüler und Schülerinnen (im weiteren Verlauf als SuS abgekürzt), welche einen Migrationshintergrund aufweisen, werden nicht selten Opfer von Diskriminierungen jeglicher Art. Cem Özdemir, ein heute erfolgreicher Politiker der Partei Bündnis 90/Die Grünen, berichtete mit dem obenstehenden Tweet über seine Erfahrung der Diskriminierung in seiner Schullaufbahn. Solche Erfahrungswerte sind von großer Bedeutung für die vorliegende Hausarbeit, da diese sich mit der institutionellen Diskriminierung im deutschen Schulsystem auseinandersetzt. Dafür wird ein besonderer Fokus auf SuS mit Migrationshintergrund gelegt sowie die institutionelle Diskriminierung anhand aktueller Studien und gesellschaftlicher Debatten untersucht.
Die Arbeit strukturiert sich in mehrere Punkte. Begonnen wird mit einem theoretischen Einblick in die Begrifflichkeiten der Diskriminierung, mit besonderem Schwerpunkt auf die institutionelle Diskriminierung. Des Weiteren wird eine Abgrenzung zum Rassismus vorgenommen, da diese beiden Nomina nicht gleichgestellt werden dürfen. Auch die Grundstruktur des Bildungssystems ist von Bedeutung für den theoretischen Hintergrund, denn diese verdeutlicht die Grundsätze der Bildungsgleichheit in der Institution Schule. Fortführend werden die Ansichten des Soziologen Raymond Boudons und die primären sowie sekundären Herkunftseffekte betrachtet, um mögliche Gründe für die institutionelle Diskriminierung zu verdeutlichen. Das Eingangszitat stammt aus der #MeTwo Debatte des deutsch-türkischen Aktivisten Ali Can. Menschen, die sich in ihrem Leben aufgrund etwaiger Gründe diskriminiert gefühlt haben, nutzen diesen Hashtag, um ihre Erfahrungen zu teilen. So auch Cem Özdemir, welcher einer von vielen ist, dem in der Schule das Gefühl vermittelt wurde, minderwertig zu sein. Aufgrund dessen wird dieses Hashtag und dessen Einfluss in dieser Hausarbeit thematisiert, da viele Erfahrungsberichte aus schulischen Instituten stammen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse der PISA-Studie aus dem Jahre 2018 unter dem Gesichtspunkt, ob Leistungsdisparitäten in der Lesekompetenz zwischen autochthonen und allochthonen SuS bestehen, präsentiert. Wo Disparitäten aufkommen, folgen auch Handlungsoptionen gegen diese. Insofern werden Möglichkeiten präsentiert, die die Ungleichbehandlung im deutschen Bildungssystem minimieren können. Darunter fallen beispielweise eine spätere Ausgliederung auf die weiterführenden Schulen sowie ein multilingualer Unterricht.
Die Fragestellung dieser Arbeit lautet folglich, ob institutionelle Diskriminierung im deutschen Bildungssektor vorzufinden ist und auf welche Gruppierungen von SuS dieser Umstand zutrifft. Darüber hinaus wird die Hypothese aufgestellt, dass insbesondere SuS mit einem Migrationshintergrund häufiger institutionell diskriminiert werden, und sich ungleichen Bildungschancen stellen müssen.
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Die Arten der Diskriminierung
„Diskriminierung" ist ein Begriff, der der Menschheit geläufig ist. Sie zieht sich durch Generationen und ist in Wertevorstellungen verankert, die den Menschen weitergegeben werden. Wenn ein Elternteil seinem Kind nahelegt, nicht mit dem Dunkelhäutigen zu spielen oder den Mitschüler aus einem niedrigeren sozioökonomischen Milieu nicht um eine Verabredung zu bitten, verankert sich diese Wertehaltung bei manchen Kindern. Somit wird Diskriminierung weitergetragen. Allerdings gibt es mehrere Formen der Diskriminierung. Im Folgenden wird insbesondere die institutionelle Diskriminierung näher betrachtet.
Die direkte Diskriminierung ist die Form, bei welcher es offensichtlich ist, dass eine Diskriminierung stattfindet. Somit liegt eine direkte Diskriminierung beispielsweise dann vor, wenn einem Mädchen mit Burkini der Eintritt in ein Schwimmbad verwehrt wird, weil dieses keine Burkinis erlaubt. Dementsprechend richtet sich die direkte Diskriminierung unmittelbar gegen eine Personengruppe. Das Pendant zu der direkten Diskriminierung findet sich in der indirekten Diskriminierung wieder. Diese Form diskriminiert, ohne die Diskriminierung direkt auszusprechen oder zu benennen. Somit sind beispielsweise Stellenausschreibungen, welche ein gewisses Niveau einer ausländischen Sprache verlangen, diskriminierend, wenn dieses in dem ausgeschriebenen Bereich nicht zwingend benötigt wird. Ein Großhändler für Sanitätsbedarf, welcher in Deutschland produziert und verkauft, braucht beispielweise nicht zwingend Kenntnisse der russischen Sprache1. Auch die strukturelle Diskriminierung ist oftmals nicht leicht zu erkennen, da sie sich hinter schon etablierten Gewohnheiten und Anordnungen verbirgt. Die Menschen, die strukturell diskriminiert werden, haben dies entsprechend zu akzeptieren, da es bereits so nachhaltig in der Gesellschaft verankert ist, dass es sich kaum mehr umgehen lässt. Beispielhaft dafür ist der Beruf der „Krankenschwester" welcher in der Gesellschaft primär als ein Beruf angesehen wird, in dem überwiegend das weibliche Geschlecht tätig ist (humanrights.ch, 2016).
Bezugnehmend auf die vorliegende Arbeit, ist insbesondere der Aspekt der institutionellen Diskriminierung von tragender Bedeutung. Die institutionelle Diskriminierung wird durch das organisatorische und diskriminierende Handeln von Institutionen gekennzeichnet. Somit werden Individuen einer anderen Ethnie, eines bestimmten Geschlechts, einer Behinderung oder aufgrund anderweitiger Gründe, in Institutionen des Bildungssektors, des Gesundheitswesens oder auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt diskriminiert, indem ihnen keine adäquaten Zugangsmöglichkeiten zu diversen Optionen geboten werden. Die institutionelle Diskriminierung bezieht sich demnach weniger auf die individuelle Person des Ungleichbehandelten, sondern findet ihren Ursprung in den Strukturen, Regeln und Gesetzen sozialer Institutionen. Auch bei dieser Form der Diskriminierung kann zwischen einer direkten und einer indirekten institutionellen Diskriminierung unterschieden werden. Eine direkte institutionelle Diskriminierung liegt beispielsweise dann vor, wenn einem Studenten mit Migrationshintergrund und schlechten Deutschkenntnissen kein Deutschkurs angeboten wird, die Veranstaltungen in der Universität aber gänzlich auf Deutsch gehalten werden. Der Student hat somit keine, von der Universität geförderte, Möglichkeit seine Deutschkenntnisse zu verbessern, um problemlos den Inhalten zu folgen. Eine Diskriminierung erfolgt demnach direkt, aber durchaus legal (Gomolla/Radtke 2009: 19). Die indirekte institutionelle Diskriminierung ähnelt der strukturellen Diskriminierung. Auch in dieser Form wird meist verdeckt und ohne es auszusprechen diskriminiert. Es geschieht durch bereits etablierte Verhaltensmuster innerhalb der Institutionen. Es ist somit beispielsweise nachweisbar, dass Frauen weniger häufig eine Führungsposition besetzen, als es bei Männern der Fall ist (Vgl. ebd.). Zusammengefasst kann gesagt werden, dass sich die direkte und die indirekte institutionelle Diskriminierung anhand ihrer Intentionalität unterscheiden lassen. Somit erhöhen vorgeschriebene Regeln oder Routinen innerhalb einer Organisation, die die explizite Benachteiligung gewisser Individuen fördern, den Grad der direkten institutionellen Diskriminierung. Wenn keine besondere Absicht oder ein definierter Grund hinter einer Handlung steht, diese allerdings trotz alledem eine diskriminierende Wirkung hat, wird von einer indirekten institutionellen Diskriminierung gesprochen (Gomolla/Radtke 2009: 49f.).
2.2. Institutioneller Rassismus in Abgrenzung zu institutioneller Diskriminierung
Die Begrifflichkeiten „institutionelle Diskriminierung" und „institutioneller Rassismus" beinhalten im Kern dieselbe Intention - Ungleichbehandlung. Trotz alledem unterscheiden sie sich anhand ihrer Geschichte und ihrer Auffassung.
Rassismus beschreibt das Klassifizieren von Gruppen innerhalb einer Gesellschaft. Wenn der Grundgedanke einer Gesellschaft der ist, dass Menschen einer anderen Gruppe sich nicht für die Gruppendynamik der eigenen eignen, werden diese explizit ausgeschlossen und nachteilig behandelt. Demnach entsteht ein Kastendenken innerhalb einer Gesellschaft, in dem beispielweise gewisse Ethnien keinen Platz finden. Ein Merkmal des Rassismus ist es, dass dieser nicht immer eine böswillige Intention beinhaltet. Oftmals pflegen Menschen eine bewusste oder unbewusste Ignoranz in Bezug auf die Folgen rassistischen Handelns und überdenken die Konsequenzen somit im Vorfeld nicht. Eine Diskriminierung hingegen erfolgt dann, wenn Menschen einer expliziten Zugehörigkeit ausgeschlossen oder benachteiligt werden. Unter Zugehörigkeiten verstehen sich beispielweise das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, die Religion, die Herkunft und noch weitere Faktoren. Die Begrifflichkeiten „Rassismus" und „Diskriminierung" intendieren, wie eingangs erwähnt, also die Benachteiligung derer Menschen, die für die Handelnden eine Minderwertigkeit aufweisen (Antidiskriminierungsberatung-Brandenburg o.J.).
Der Begriff „institutioneller Rassismus" findet seinen Ursprung in der amerikanischen „Black Power" Studie der hoch angesehenen Theoretiker Stokely Carmichael und Charles V. Hamilton. Die Arbeit befasst sich unter anderem mit der Tatsache, dass rassistische Divergenzen noch immer bestehen. Sie unterscheidet ferner die Arten des Rassismus gegenüber dunkelhäutigen Menschen in offenen und individuellen, wie auch in verdeckten und institutionellen Rassismus. Während sich der offene und direkte Rassismus auf das unmittelbare Handeln gegen eine Person bezieht, indem sie beispielweise aufgrund ihrer Ethnie verletzt oder persönlich beleidigt wird, bezieht sich der verdeckte und institutionelle Rassismus darauf, Individuen Optionen zu verwehren und sie dauerhaft ungleich zu behandeln. Diese Ungleichbehandlung findet ihren Ursprung nicht in der Persönlichkeit des Menschen anderen ethnischen Ursprungs, sondern ist einzig der Tatsache geschuldet, dass sich diese Wertehaltungen in der Gesellschaft etabliert haben und angewandt werden. Diese Form des Rassismus ist komplizierter zu erkennen, da sie sich nicht mittelbar gegen spezielle Individuen stellt, sondern verdeckt in Instituten und dessen Abläufen verankert ist (Gomalla/Radtke 2009: 44).
2.3. Der Übergang von dem Primärbereich zur Sekundarstufe I
Die Bildungspolitik und die dazugehörigen Regelungen für den Übergang von dem Primärbereich in die Sekundarstufe I kann ein jedes Bundesland der Bundesrepublik Deutschland eigenständig formulieren und entscheiden. Demnach besuchen SuS ansässig im Bundesland Berlin die Grundschule für sechs Jahre, wohingegen in Nordrhein-Westfalen die Grundschule nach bereits vier Jahren endet. Dadurch, dass ein jedes Bundesland eine eigenständige Entscheidungsgewalt hat, ist es problematisch konkret zu verallgemeinern. Trotz aller Unterschiede findet sich für die Bundesrepublik Deutschland eine Grundstruktur des Bildungssystems wieder. Demnach gliedert sich das deutsche Schulsystem in die Primarstufe, welche mit Beginn der Schulpflicht besucht wird, die Sekundarstufe I, welche Schulformen wie Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien oder Gesamtschulen beinhaltet und von der 5.-10. Klasse besucht wird sowie die Sekundarstufe II, welche die gymnasiale Oberstufe zum Erwerb der Hochschulreife oder der Fachhochschulreife beinhaltet.
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1 Dieses Beispiel dient einzig der Veranschaulichung der indirekten Diskriminierung und hat keinesfalls eine diskriminierende Intention.