In dieser Hausarbeit liegt der Fokus beim Machtmotiv, in der dunklen Seite der Macht, die in den letzten Jahren in den Vordergrund der Forschung getreten ist. „Die dunkle Seite von Führung wurde bislang weitgehend ignoriert.“ In der knapp achtjährigen Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär und stellvertretender Sektionsleiter blieben einige interessante Schlüsselmomente, Erlebnisse und Beobachtungen in Erinnerung. Aufgrund der Zusammenarbeit und Interaktion mit diversen Interessengruppen, kam es zu Kontakten mit verschiedenen Politikern, Führungspersonen wie Unternehmern, CEO’s, Managern, Geschäftsführern, Leitungspersonal sowie staatliche Angestellten, Lehrern, Anwälten, Juristen, Richtern etc. Auffallend dabei war, wie stark die Überausprägungen von Ehrgeiz, Machtstreben und Selbstdarstellung vorhanden waren. Die Stärke variierte je nach Person. Auch innerhalb der Gewerkschaft waren dieselben Phänomene beobachtbar. In der Mitgliederbetreuung erfuhr man viel über die jeweiligen Arbeitssituationen. Dabei litten einige unter jeglichen Formen von Mobbing und Machtmissbrauch. Aus Angst vor repressiven Massnahmen und einer Kündigung, trauten sich wenige Mitarbeiter etwas dagegen zu unternehmen. Sogar eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft wurde als bedrohlich und angsteinflössend empfunden. Diese Auswüchse des Machtmissbrauchs waren sehr kontraproduktiv für Unternehmen und Organisationen, welche sich viele mit diesem Thema konfrontiert sahen. Auf der anderen Seite waren auch Hilfsbereitschaft, Wohlwollen und ehrenamtliches Engagement bei einigen dieser Führungspersönlichkeiten vorhanden. Generell weist Macht viele Aspekte auf. Klar besteht eine Gefahr zu Machtmissbrauch und sozial unerwünschtes Verhalten, wenn man dafür anfällig ist. Begünstigt Macht generell eine solche Gefahr?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Relevanz
2.1 Entwicklung undVerhalten
2.2 Personalisierte und sozialisierte Macht
2.3 Die dunkle Triade/ Tetrade und Prävention
3. Methodisches Vorgehen
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Macht brauchst Du nur, wenn Du etwas Böses vorhast. Für alles andere, reicht Liebe, um es zu erledigen.“ Charlie Chaplin
In dieser Hausarbeit liegt der Fokus beim Machtmotiv, in der dunklen Seite der Macht, die in den letzten Jahren in den Vordergrund der Forschung getreten ist. „Die dunkle Seite von Führung wurde bislang weitgehend ignoriert.“ (Higgs 2009; zit. n. M. Furtner, 2017, S. 1). In der knapp achtjährigen Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär und stellvertretender Sektionsleiter blieben einige interessante Schlüsselmomente, Erlebnisse und Beobachtungen in Erinnerung. Aufgrund derZusammenarbeit und Interaktion mit diversen Interessengruppen, kam es zu Kontakten mit verschiedenen Politikern, Führungspersonen wie Unternehmern, CEO’s, Managern, Geschäftsführern, Leitungspersonal sowie staatlicheAngestellten, Lehrern, Anwälten, Juristen, Richtern etc. Auffallend dabei war, wie stark die Überausprägungen von Ehrgeiz, Machtstreben und Selbstdarstellung vorhanden waren. Die Stärke variierteje nach Person. Auch innerhalb derGewerkschaftwaren dieselben Phänomene beobachtbar. In der Mitgliederbetreuung erfuhr man viel über die jeweiligen Arbeitssituationen. Dabei litten einige unterjeglichen Formen von Mobbing und Machtmissbrauch. Aus Angst vor repressiven Massnahmen und einer Kündigung, trauten sich wenige Mitarbeiter etwas dagegen zu unternehmen. Sogar eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft wurde als bedrohlich und angsteinflössend empfunden. Diese Auswüchse des Machtmissbrauchs waren sehr kontraproduktiv für Unternehmen und Organisationen, welche sich viele mit diesem Thema konfrontiert sahen. Auf der anderen Seite waren auch Hilfsbereitschaft, Wohlwollen und ehrenamtliches Engagement bei einigen dieser Führungspersönlichkeiten vorhanden. Generell weist Macht viele Aspekte auf. Die eigenen und seltenen Erfahrungen mit der dunklen Seite der Macht, führten zu starken kognitiven Dissonanzen. Dabei sollte man die Beeinflussung des Arbeitsumfeldes und der Führung nicht unterschätzen; ihre Wirkung ist stärker als man denkt. Mit Selbstreflexion wurden die eigenen Reaktionen, diejeweiligen Empfindungen ambivalenterGefühlslagen und die des Umfeldes, analysiert. Da sie mit dem persönlichen Wertesystem, den ethisch-moralischen Prinzipien und der eigenen Vorstellung von Macht nicht kongruent waren, geriet das Gerechtigkeitsempfinden leicht aus dem Gleichgewicht. Wie wichtig sich die Selbstreflexion erwies, zeigte sich damit, dass es Möglichkeiten zurVeränderung und Steuerung des Machtmotivs gibt. Es muss aber auch ein Leidensdruck und eine Erkenntnis stattfinden. Zudem müssen die intrinsische Motivation und Volition vorhanden sein. In meiner damaligen Führungsposition wurde die Tragweite derVerantwortung, bei stetiger Auseinandersetzung, Hinterfragung und kritischer Betrachtungsweise mit dem Thema Macht, bewusster. Dadurch wurde auch die Resistenz gegenüber wiederholten Versuchungen korrupter Handlungen gestärkt. Klar besteht eine Gefahrzu Machtmissbrauch und sozial unerwünschtes Verhalten, wenn man dafür anfällig ist. Begünstigt Macht generell eine solche Gefahr?
2 Relevanz
Das Verständnis von Macht wird in den Schriften der Menschheitsgeschichte als Einflussnahme von Personen oder Gruppen auf andere verstanden. Sie ist eine grundlegende Dimension menschlichen Zusammenlebens (Russell, 1938/2004; Winter, 2006; zit. n. Busch, 2018). Entwicklungsgeschichtlich ist dieses Phänomen nicht nur eine menschliche Errungenschaft, sondern existiert auch im Tierreich. Vermutlich ist es ein entscheidender Überlebensvorteil. Allgemeinverständlich werden damit Assoziationen zu Machtmissbrauch, Manipulation, Willkür, Gewalt, Diktaturetc. ausgelöst. Diese Ungleichverteilung von Macht wird kulturell verschieden wahrgenommen und akzeptiert (Machtdistanz: Hofstede, 2001; zit. n. Busch, 2018). Macht ist aber auch breitgefächert und kann prosozial angewendet werden, sie besitzt eine dunkle und eine helle Seite der Medaille. French und Raven (1959; zit. n. SB 4AP2) kategorisierten und unterschieden fünf verschiedene Machtquellen die später auf sechs erweitert wurden: Belohnungs- und Bestrafungsmacht, Legitimierte Macht, Vorbild-, Experten- und Informationsmacht (Raven & Kruglanski, 1970; zit. n. SB 4AP2).
Unter Motiv wird in der Psychologie eine relativ zeitstabile Persönlichkeitseigenschaft oder Disposition verstanden (Heckhausen & Heckhausen, 2010). Es werden zwei Arten unterschieden: implizite Motive, also unbewusste Zielaktivierungen und explizite Motive, die bewusst repräsentiert sind. Sie sind unabhängige Systeme und reagieren verschieden aufAnreize. Häufig besteht eine arbeitsteilige Wechselwirkung (McClelland, 1985a & Biernat, 1989; zit. n. Brunstein, 2018). „Kennzeichen ihrerArbeitsteilung ist, dass implizite Motive eine energetisierende, explizite Motive hingegen eine lenkende Funktion in derVerhaltensregulation ausüben“ (Brunstein, 2018, S. 282). Bis heute wurden die Veränderungen impliziter Motive sehr vereinzelt untersucht. Wenige Studien existieren diesbezüglich (Heckhausen & Heckhausen, 2018).
Als Oberbegriff aller Prozesse und Motive ist hingegen die Motivation, ein durch ein Motiv ausgelöster aktueller Prozess. „Motivation ist eine momentane Gerichtetheit auf ein Handlungsziel, eine Motivationstendenz, zu deren Erklärung man die Faktoren weder nur auf Seiten der Situation oder der Person, sondern auf beiden Seiten heranziehen muss" (Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 4). Das Machmotiv zählt, wie das Leistungs-, Affiliations- und Intimitätsmotiv zu den Grundmotiven. In Bezug auf Dorsch (2020) gehören sie zu den soziogenen Motiven, die als stabile Disposition verstanden wird und interindividuell variiert. Somit sind die Ausprägungen verschieden stark vorhanden. Die Stärke der Ausprägung wird mit unterschiedlichen Testverfahren gemessen.
Was für Unterschiede existieren in der Stärke oder Korrelaten des Machtmotivs zwischen den Geschlechtern? Sie differenzieren sich lediglich im Ausdruck, ansonsten nicht. Bei Männern zeigte sich jedoch das Machtmotiv als ein wichtiger Prädikatorfür sexuelle Verführung bis hin zu sexuellen Übergriffen (Zurbriggen, 2000; zit. n. Neyer&Asendorpf, 2018). Winters’ Sekundäranalyse aus sechs empirischen Studien bestätigte, das bestimmte Sozialisationsbedingungen einen Einfluss auf das Machtverhalten hatten. Als indirekte Hinweise waren die Merkmale „“jüngeres Geschwister“ oder „eigene Kinder“. Die Übernahme dieserVerantwortungsbereiche, in der Kindheit und im Erwachsenenalter, waren prägend (1988; zit. n. Neyer&Asendorpf, 2018).
Es gibt einige Belege dafür, dass es einen Zusammenhang zwischen Macht und Wohlbefinden gibt. Je nach Autoren kann sie förderlich wirken.
„Macht wirkt verhaltensbahnend.“ (Hirsh, Galinsky & Zong, 2011; zit. n. Busch, 2018, S. 246)
2.1 Entwicklung und Verhalten
Die Entstehung und Entwicklung der Stärke des Machtmotivs ist laut den neuesten Forschungsergebnissen, eine Interaktion aus sozialen und biologischen Faktoren. „Bereits intrauterin zeigen sich interindividuelle Unterschiede in der Konzentration von Testosteron und Estradiol, welche das spontane Auftreten dominanten Verhaltens Vorhersagen“ (Liu, Portnoy & Raine, 2012; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018, S. 254). Das pränataleVerhältnis von Estradiol- und Testosteronspiegel wird im Fingerlängenverhältnis ausgedrückt. Demzufolge deutet ein im Vergleich zum Ringfinger langer Zeigefinger, also ein hohes 2D:4D-Verhältnis, auf einen hohen pränatalen Testosteronspiegel hin (Lutchmaya, Baron-Cohen, Raggatt, Knickmeyer& Manning, 2004; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018). Eine systematische Assoziation vom 2D:4D-Verhältnis und die Ausprägung des Machtmotivs konnten nachgewiesen werden (Schultheiss & Zimni, 2015; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018).
Wenn in der Kindheit spontan auftretende aggressive und sexuelle Verhalten von den Eltern toleriert wurden, entwickelte sich ein hohes implizites Machtmotiv. Auch Mütter, die ihren Töchtern ermutigten, sich zurWehrzu setzen, erzeugten ebenfalls ein hohes Machtmotiv. Die körperliche Bestrafung als Erziehungsstil, gilt als Ursache eines expliziten Machtmotivs. Es findet eine Kompensation bei derAusbildung des Selbstbildes statt, das auf Überlegenheit hindeutet. Bei einem dominanten Einfluss des Vaters, welcher machthemmend wirkt, entwickelt sich eine ausgeprägte sozialisierte Macht und beim dominanten Einfluss der Mutter, eine ausgeprägte personalisierte Macht. Dies stützt die Auffassung, dass implizite Motive früher als explizite entwickelt werden. Bei dieser Längsschnittstudie lag zwischen den beiden Erhebungen ein Zeitraum von 26 Jahren. Dabei wurden Mütter mit einem Interview über ihr Erziehungsverhalten befragt (McClelland & Pilon, 1983; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018). Bei späteren Arbeiten von McClelland, vertrat er die These der hormonellen Korrelate von Motiven. Besonders aufschlussreich erwiesen sich die Studien von Schultheiss zum Machtmotiv, das Testosteron (gonadale Steroidhormon) mit dem Streben nach Macht in direkterVerbindung steht (Schultheiss, Campbell & McClelland, 1999; Schultheiss & Rohde, 2002; für einen Überblick vgl. Schultheiss, 2007; Hall, Stanton & Schultheiss, 2010; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018).
McClelland thematisierte die verschiedenen Entwicklungsstadien der Macht die aufeinander aufbauen. Er klassifizierte zwei Ausmasse der Macht, die ein Mensch vom Kind zum Erwachsenen durchläuft: die Quelle, die in oder ausserhalb der Person liegen kann und das Objekt, dass das Selbst oder der Andere sein kann. Folgend die Entwicklungsstufen mitzunehmender Machtausprägung: Im Stadium 1, liegt die Quelle der Macht ausserhalb der Person. Bei der anlehnenden Macht, schöpft die Person Stärke aus anderen, wie Partner, Führungspersönlichkeit, Organisation etc. Das Stadium 2 ist die selbstbezogene Macht. Man emanzipiert sich von der Stärke der anderen und wird selbst zur Quelle der Macht. Symbole der Macht, prestigeträchtige Güter stehen im Vordergrund. In Stadium 3 wird die eigene Macht auf andere angewendet. Anfangs überwiegt die personalisierte Macht und später wirken subtilere Formen. Beim höchsten Stadium 4 agiert die Person als Instrument im Namen von bedeutenden Unternehmen, Organisationen, religiösen Gemeinschaften etc. Eigeninteressen werden zurückgestellt. Dies entspricht der sozialisierten Macht (McClelland, 1975; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018).
Mit dem Picture StoryExercise (PSE; McClelland, Moulton, 1958, Heckhausen, 1963, Schultheiss & Pang, 2007; Weiterentwicklung aus dem TAT; Thematischen Apperzeptionstest von Murray & Morgan, 1935; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018) und dem Operanten Multi-Motiv-Test (OMT; Kühl & Scheffer, 1999; s. auch Kühl, Scheffer & Eichstaedt, 2003; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018) stehen standardisierte projektive Verfahren zur Messung des impliziten Machtmotivs zurVerfügung. Beim PSE schreiben die Probanden Geschichten zu den jeweiligen vorgelegten Bildern und beim OMT Stichpunkte auf. Das PSE-Verfahren ist, im Gegensatz zum OMT, zeitaufwendiger und langwieriger in derAuswertung, wie auch für die Testpersonen.
2.2 Personalisierte und sozialisierte Macht
McClelland unterscheidet zwischen personalisierter und sozialisierter Macht. Um persönliche Stärke und Überlegenheit zu erleben, ist das Ziel der personalisierten Macht, das Dominieren und Manipulieren von anderen Menschen. Die angestrebten Ziele zum Wohle einer Gruppe, Gemeinschaft oder um andere zu fördern, sozusagen um Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen und Einfluss zu nehmen, wird dersozialisierten Machtzugeordnet (McClelland, 1970, 1975; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018).
Wie bei den anderen Grundmotiven variiert das Machtmotivje nach Person Stärker oder schwächer. Menschen mit hoherAusprägung des Machtmotivs, erleben die Beeinflussung auf andere Menschen als angenehm und wenn sie Situationen erfahren, in denen es nicht möglich ist, als unangenehm. Sie suchen sich deshalb explizit solche Konstellationen, in denen sie ihre Bedürfnisse stillen können. Genauso versuchen sie Situationen zu vermeiden in denen sie keinen Einfluss ihrer Macht ausüben können. Um dieses Bedürfnis zu befriedigen, streben hoch machtmotivierte Menschen machtthematische Ziele an bzw. suchen sie solche Situationen auf (abgeändert nach Machtmotiv - Dorsch, 2020). Hinzu kommt, dass das Machtmotiv aus einer Hoffnungs- und Furchtkomponente besteht. Diese zwei Komponenten sind bei allen drei Motiven Leistung, Affiliation und Macht, vorhanden. Die Hoffnung auf Erfolg entspricht einer Annäherungsmotivation und die Furcht vor Misserfolg einer Vermeidungsmotivation (Elliot, 2008; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018). Annäherung und Vermeidung stellen die zentrale Basis für die menschliche Motivation dar (Elliot & Church, 1997; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018). Beim Machtmotiv sind Hoffnung auf Kontrolle, Beeinflussung anderer, Furcht vor Kontrollverlust, Verlust von Ansehen und Furcht vor Schwäche wirksam. Mit dem Multi-Motiv-Gitter gelang eine voneinander getrennte Erfassung dieser beiden Komponenten (Veroff, Reuman & Feld,1984, Sokolowski, Schmält, Langens & Puca, 2000; zit. n. Heckhausen & Heckhausen, 2018).
[...]