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Ist der Tod eine Voraussetzung für die Organspende?

Eine ethische Perspektive

©2017 Seminararbeit 14 Seiten

Zusammenfassung

Es ist immer häufiger zu beobachten, wie die Menschen mit dem Thema Organspende konfrontiert werden. Ein Thema, worüber viele Menschen ungern reden, da es eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod mit sich zieht, was auch noch heute tabuisiert wird. Dies ist allerdings nicht so leicht zu verdrängen, wie es sicher die meisten versuchen, denn durch vielfältige Werbeplakate wird man daran erinnert. Zudem sieht man prominente Personen, wie beispielsweise den Olympiasieger Matthias Steiner und die Moderatorin Sonja Kraus in der Werbung, die sich für einen Organspendeausweis entschieden haben und schließlich hält man eines Tages den Organspendeausweis, nach dem entleeren des Briefkastens, in den Händen.

Jetzt oder nie. Was spricht schon dagegen? Man selbst könnte eines Tages auf einen Spender angewiesen sein und was soll mir, als Spender, schon zustoßen, schließlich bin ich doch dann schon tot, oder nicht? Was bedeutet tot sein und inwiefern ist der Tod für eine Organtransplantation notwendig? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigte sich der Philosoph Prof. Dr. Ralf Stoecker und verfasste dazu im Jahr 2012 einen Artikel in der „Zeitschrift für medizinische Ethik“. Die leitende Frage des Autors lautet darin: „Ist der Tod aus ethischer Sicht eine Voraussetzung für die Organspende?“. Ein kleiner geschichtlicher Rückblick soll erklären, warum diese Frage noch heute für uns von Interesse ist.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rekonstruktion: „Der Tod als Voraussetzung der Organspende?“ (Ralf Stoecker)
2.1 Die Debatte: Hirntod
2.2 Herzstillstand, der Umstand der Organtransplantation
2.3 Von der Hirntod-Konzeption zur ethischen Organentnahme
2.4 Ethische Merkmale der Organentnahme

3. Kritik

4. Fazit

1. Einleitung

Es ist immer stärker zu beobachten, wie die Menschen mit dem Thema Organspende konfrontiert werden. Ein Thema, worüber viele Menschen ungern reden, da es eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod mit sich zieht, was auch heute noch tabuisiert wird. Dies ist allerdings nicht so leicht zu verdrängen, wie es sicher die meisten versuchen, denn durch vielfältige Werbeplakate wird man daran erinnert. Zudem sieht man prominente Personen, wie beispielsweise den Olympiasieger Matthias Steiner und Moderatorin Sonja Kraus in der Werbung, die sich für einen Organspendeausweis entschieden haben und schließlich hält man eines Tages den Organspendeausweis, nach dem entleeren des Briefkastens, in den Händen.

Jetzt oder nie. Was spricht schon dagegen? Man selbst könnte eines Tages auf einen Spender angewiesen sein und was soll mir, als Spender, schon zustoßen, schließlich bin ich doch dann schon tot, oder nicht? Was bedeutet tot sein und inwiefern ist der Tod für eine Organtransplantation notwendig? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigte sich der Philosoph Prof. Dr. Ralf Stoecker und verfasste dazu im Jahr 2012 einen Artikel in der „Zeitschrift für medizinische Ethik“. Die leitende Frage des Autors lautet darin: „Ist der Tod aus ethischer Sicht eine Voraussetzung für die Organspende?“.

Ein kleiner geschichtlicher Rückblick soll erklären, warum diese Frage noch heute für uns von Interesse ist. Bereits in der Antike war es verbreitet, dass sich die Menschen bei einem Ausfall von Organen, wie das Herz, die Lunge oder das Gehirn, in einen Prozess des Sterbens begeben. Nach kurzer Zeit ohne Sauerstoff wird das Gehirn so vehement beeinträchtigt, dass man zunächst das Bewusstsein verliert und mit dem Absterben der Gehirnzellen endet. Mit dem technischen Fortschritt ist es der Medizin gelungen, Menschen künstlich zu beatmen. Auf diese Weise können sie das Leben nach einem Atemstillstand Aufrecht erhalten. Daraus folgt eine unsagbare Macht darüber, dass man das Sterben eines Menschen abwenden und aufhalten, sowie beschleunigen und verlangsamen kann. Auch mit der inzwischen entwickelten Herz-Lungen-Maschine konnten diese Organe substituiert und der Blutkreislauf weiterhin betrieben werden (Stoecker 2012: 101).

Bedingt durch diese Macht über das Sterben gelingt es Ärzten einerseits die Patienten vor dem Tod zu schützen, andererseits können sie sie nicht mehr ins Leben zurückführen. Folglich haben wir es mit einem moralischen Problem der Rettung zu tun (Stoecker 2012). Die Medizin-Ethik musste sich folglich fragen, was sie tun können, wenn die Behandlungen der Patienten erfolglos blieben, die Ärzte sich aber im Dilemma befinden, da zum einen das Töten bzw. Schaden von Menschen gesetzlich verboten ist und zum anderen müssen sie ihnen einen möglichst angenehmen und würdevollen Tod ermöglichen (Stoecker 2012).

Aufgrund der ersten gelungenen Transplantationen in den 50iger und 60iger Jahren sah die Intensivmedizin eine praktische Verwendung für Patienten, die sich im Sterbeprozess aufhielten. Sie setzen sie als Spender der Organe voraus. Der erhoffte große Transplantationserfolg blieb jedoch aus, da die potenziellen Organe aufgrund des kurzen Sauerstoffausfalls negative Folgen mit sich brachten. Die ideale Lösung, um die Organe medizinisch besser kontrollieren zu können, fand die Intensivmedizin in den hirntoten Patienten (Stoecker 2012). Ob man damit das Tötungsverbot bricht, wird mit der Konzeption des Hirntodes und die damit verbundenen Definition und Diagnose wie folgt beantwortet: „Hirntod ist ein Mensch dann, wenn alle Teile des Gehirns – Großhirn, Kleinhirn, Hirnstamm – ihre Funktion unwiderruflich eingestellt haben.“ (Stoecker 2012: 102). Die Medizin war sich sofort darüber einig, dass die Hirntoden als tot angesehen werden, schließlich ist die Organnachfrage wesentlich größer als die Anzahl der Organspender gewesen. Zudem konnten sie damit verhältnismäßig mehr Menschenleben retten, die auf ein Spendeorgan angewiesen waren. Als das Transplantationsgesetzt verabschiedet wurde, beinhaltet es, dass ein Organspender tot bzw. hirntot sein muss, welches die Ärztekammer unterstützt. Kritiker empfinden es als zu vorschnell und zugunsten der Organspende entschieden, da man hirntot nicht unbegründet mit dem tot gleichsetzen kann (Stoecker 2012).

Um auf die leitende Frage zurückzukommen: Ist der Tod für eine Organentnahme wirklich notwendig und bietet die inzwischen modernere Medizin mit der non heartbeating donor – die Organentnahme nach dem Kreislaufstillstand – eine alternative Lösung für diese Debatte? Die Auseinandersetzung mit diesen und weiteren Fragen soll Bestandteil dieser Hausarbeit sein.

2. Rekonstruktion:

„Der Tod als Voraussetzung der Organspende?“ (Ralf Stoecker)

Für die Beantwortung der Frage „Ist der Tod die Voraussetzung der Organspende?“ bedarf es gelegentlich an einem anderen Punkt anzusetzen, der Voraussetzung für folgende Fragen, Argumente oder Begründungen ist.

2.1 Die Debatte: Hirntod

Stoecker setzt sich zunächst mit der Hirntod-Debatte auseinander, die sich die Frage stellt, ob hirntote Menschen tot sind oder nicht. Die erste Schwierigkeit befindet sich bereits in den dichten Worten „Leben“ und „Tod“. Somit gilt es, diese Begriffe zunächst zu definieren bzw. zu erläutern, was aber den Rahmen der Arbeit überschreiten würde. Leicht gesagt: „Wer tot ist, lebt nicht und wer nicht lebt, ist tot.“ (Stoecker 2012: 103). Da der Tod keine Daseinsattribute aufweist, konzentriert sich Stoecker auf drei Attribute des Lebens:

biologische Existenz: das Leben, was wir mit anderen Lebewesen erleben
biografische Existenz: alles, was wir im Laufe des Lebens erfahren
phänomenale Existenz: Abgrenzung eines Lebenden (beweglich) zu einem Toten (starr) (Stocker 2012).

Die erste Teilthese, die es zu begründet gilt, lautet „hirntote Menschen sind nicht tot“. Stoecker erklärt, dass diese Menschen zwar stark auf die externe Hilfe angewiesen sind, dies aber für das biologische Überleben von Wichtigkeit ist. Eine weitergeführte Schwangerschaft einer hirntoten Frau bewies, dass die Lebensfähigkeit des Menschen ohne Gehirn möglich ist. Trotz der tiefen Bewusstlosigkeit weisen Hirntode auf phänomenaler Ebene Reflexbewegungen, wie das Lazarus-Syndrom, auf. Dies kontrastiert sich deutlich von einer unbeweglichen Leiche (Stoecker 2012: 104). Gegen die biografische Existenz spricht, dass wir das Innere des Patienten von außen nicht deuten können. Allerdings gab es einen Mann, der einen Schlaganfall erlitt und trotz dessen er nur ein Augenlid bewegen konnte, gelang es ihm einen autobiografischen Bericht zu verfassen. Der Beweis des geistigen Wachseins verängstigt Menschen „im eigenen Kopf begaben zu sein“ (Stoecker 2012: 105). Ein möglicher Einwand besagt, dass der hirntote Mensch wahrscheinlich keine psychische Existenz hat und somit tot ist. Wenn der Verlust psychischen Erlebens mit dem Tod gleichsetzt wird, dann wären Hirntode tot. Wachkomapatienten haben ebenfalls kein psychisches Erleben, gelten dennoch nicht als tot. Dies begründet sich auf den Unterschied zu den hirntoten Patienten. Die Patienten des Wachkomas können ihr psychisches Erleben wieder zurückerlangen (Stoecker 2012).

Da die hirntoten Menschen ihre psychische Existenz wahrscheinlich verloren haben bzw. nicht mehr zurückgewinnen, können sie keine Erlebnisse mehr wahrnehmen, was das Fehlen der biografischen Existenz zur Folge hat (Stoecker 2012). Kann die Persönlichkeit denn nur durch ein funktionierendes Gehirn beschrieben werden? Die Brains-in-a-Vat Vorstellung zeigt, dass das „Ich“ sich bei einer Gehirnverpflanzung in einem anderen Körper übertragen würde. Sobald das Gehirn tot ist, ist das „Ich“ weg. Stoecker verdeutlicht dennoch, dass ein Leben ohne Gehirn möglich ist. So lässt sich die Persönlichkeit nicht zwischen Leben und Tod differenzieren (Stoecker 2012). Die biografische Existenz sollte laut Stoecker nicht nur an das psychische Erleben zurückzuführen sein, denn die Biografie eines Menschen, ist auch an das soziale Umfeld gebunden. Der Verlust bzw. Tod eines Familienmitgliedes ist ebenfalls Teil der biografischen Existenz, auch wenn der Hirntote bewusstlos ist (Stoecker 2012: 106).

Nach Stoecker sind hirntoten Patienten also weder lebendig noch tot. Zum einen sind sie tot, weil sie nicht handeln und keine Empfindungen wahrnehmen können. Zum anderen leben sie aufgrund der biologischen und phänomenalen Existenz. Die Argumente für das Leben überwiegen, was zur folgenden Entscheidung führen würde: hirntote Menschen sind nicht tot. Wenn man demzufolge eine Organentnahme bei einem Hirntoten durchführen würde, wäre es Mord. Daraus entwickelt sich ein Dilemma zwischen dem Transplantationsgesetz und der Intensivmedizin (Stoecker 2012). Wie könnte das Problem gelöst werden bzw. welche Alternativen lassen sich anwenden?

2.2 Herzstillstand, der Umstand der Organtransplantation

Die Problematik der Organspende beginnt damit, dass es ein verhältnismäßig kleines Angebot gegenüber der hohen Nachfrage gibt, welches die Knappheit der Spendeorgane verdeutlicht. Man versucht die non heartbeating organ donors als Organspender zu nutzen, da der Schaden an den Organen nach dem Herzstillstand, aufgrund neuer Techniken in der Medizin minimiert werden kann. Es heißt, dass die Erfolgsrate nicht geringer ist als bei den hirntoten Spendern (Stoecker 2012). Der Vorgang bei einem Herzstillstand lässt sich in zwei Arten unterteilen. Es gibt den kontrollierten Vorgang, der beispielsweise bei einer passiven Sterbehilfe vorliegt. Unter der unkontrollierten Art wird ein plötzlicher bzw. unerwarteter Herzstillstand verstanden, welcher noch durch einen künstlichen Kreislauf aufrechterhalten werden muss (Stoecker 2012: 107). Um die Organe möglichst frisch zu halten, sollte die Schädigung des Organs durch den mangelnden Sauerstoff minimiert und die Frist zwischen Organentnahme und Herzstillstand klein gehalten werden, was mit dem Transplantationsgesetz in Deutschland nicht gerecht wäre.

Für Stoecker ist die Organentnahme nach einem unkontrollierten Herzstillstand ethisch bedenklich, denn umso schneller man dem Menschen die Organe entnimmt, desto stärker läuft man Gefahr einen Lebenden zu töten. Nach längerer Wartezeit sind die Spendeorgane geschädigter (Stoecker 2012: 108). Einzuwenden ist allerdings eine präzise Begrifflichkeit von Herz- und Kreislaufstillstand, die nicht gleichzusetzen sind. Weil das Herz nicht tragender Mechanismus des Überlebens darstellen muss, scheint eine Organentnahme legitim. Dennoch bleibt die Frage nach der Entnahmezeit: Wann kann ohne ethischen Zweifel die Organentnahme erfolgen, wenn das Zeitfenster zwischen einem möglichen Mord und folglich geschädigte Organe so klein ist (Stoecker 2012)?

2.3 Von der Hirntod-Konzeption zur ethischen Organentnahme

Die nächste These beinhaltet, dass der Tod nicht das Ende des Lebens bedeutet, sondern eine massive Veränderung unserer Stellung in der moralischen und sozialen Welt darstellt. Nach dem Gesetzt ist es nur legitim, die Organe zu entnehmen, wenn der Spender erst tot ist. Stoecker sagt weiter, dass Hirntote wie Lebende behandelt werden müssen, weil sie Sterbende sind (Stoecker 2012: 109). Ein Einwand von Troug sagt aus, dass unwiderruflich sterbende Menschen, wie beispielsweise hirntote Patienten nicht mehr zu retten seien und damit eine Organentnahme legitimiert werden könne. Stoecker sieht darin eine Bedrohung für andere Patientengruppen (Stoecker 2012).

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Details

Seiten
14
Jahr
2017
ISBN (eBook)
9783346358417
ISBN (Buch)
9783346358424
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Potsdam
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Note
2,0
Schlagworte
voraussetzung organspende eine perspektive
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