Psychische Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen unter besonderer Berücksichtigung von Stress
Zusammenfassung
Stress ist wie ein Gewürz – die richtige Menge bereichert den Geschmack eines Gerichts. Zu wenig lässt das Essen fade schmecken, zu viel schnürt einem den Hals zu. Die Analogie verdeutlicht, dass Stress in erster Linie keiner negativen Bewertung unterliegen muss, doch kann sie die Gesundheit gefährden. Kinder und Jugendliche sind in der Regel nicht so belastbar, dass sie allen Anforderungen gerecht werden können. Die Gefahr liegt dabei in der Unfähigkeit der Stressbewältigung.
Da die Kinder und Jugendlichen die meiste Zeit ihres Lebens in der Schule verbringen, ist es sinnvoll, ihnen dort den Umgang mit Stresssituationen näher zu bringen. Nicht jede schulische Institution hat die Möglichkeit, auf eine Fachkraft der Schulsozialarbeit zurückzugreifen. Aus diesem Grund sehe ich mich als angehende Lehrkraft in der Pflicht, mich dem Thema anzunehmen und meinen zukünftigen Schülerinnen und Schülern in ihren Stresssituationen zu unterstützen.
Um eine begleitende Funktion zur Stressbewältigung der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten, ist es zunächst notwendig, sich mit der theoretischen Grundlage von Stress vertraut zu machen. Für eine erste Annäherung des Themas setzt sich die Arbeit mit der Definition des Stressbegriffs auseinander. Vorerst liefert die Studie des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung IFT-Nord Forschungsergebnisse über die Häufigkeit des Stresserlebens von jungen Menschen und deren Auswirkungen. Im nächsten Schritt zeigt die Arbeit institutionelle Trainingsprogramme auf, die die Heranwachsenden im Kontext der Schule berücksichtigt. Abschließend werden empfohlene Umgangsformen und Bewältigungsstrukturen angeführt, die das Stresserleben der Kinder und Jugendliche reduzieren und von Lehrkräften im Unterricht integriert werden können.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Forschungsstand der IFT Nord und DAK Gesundheit
2. Stress als Phänomen
2.1 Stress-Modell von Lazarus
3. Trainingsangebote zur Stressbewältigung
3.1 weitere Unterstützungsmöglichkeiten
4. Schlussfolgerung
Anhang
Quellenverzeichnis
Einleitung
Der Gebrauch des Wortes Stress zählt für die meisten Menschen inzwischen zum Alltag. Häufig werden sie mit Stressauslösern verbunden, die sich auf der Arbeit, Daheim oder in ihrer freien Zeit befinden können. Bereits Kinder nehmen sich dem Begriff an und nutzen ihn, um deren Belastung zu signalisieren. Ihre Klagen handeln beispielsweise von Stress mit Freunden, Schulstress oder Eltern, die sie „stressen“.
„Stress ist wie ein Gewürz – die richtige Menge bereichert den Geschmack eines Gerichts. Zu wenig lässt das Essen fade schmecken, zu viel schnürt einem den Hals zu.“ (vgl. A. Lang, 2017, zitiert nach D.A. Tubesing). Die Analogie des Zitats verdeutlicht, dass Stress in erster Linie keiner negativen Bewertung unterliegen muss, doch kann sie die Gesundheit gefährden. Kinder und Jugendliche sind in der Regel nicht so belastbar, dass sie allen Anforderungen gerecht werden können. Die Gefahr liegt dabei in der Unfähigkeit der Stressbewältigung.
Da die Kinder und Jugendlichen die meiste Zeit ihres Lebens in der Schule verbringen, ist es sinnvoll, ihnen dort den Umgang mit Stresssituationen näher zu bringen. Nicht jede schulische Institution hat die Möglichkeit, auf eine Fachkraft der Schulsozialarbeit zurückzugreifen. Aus diesem Grund sehe ich mich als angehende Lehrkraft in der Pflicht, mich dem Thema anzunehmen und meinen zukünftigen Schülerinnen und Schülern in ihren Stresssituationen zu unterstützen.
Um eine begleitende Funktion zur Stressbewältigung der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten, ist es zunächst notwendig, sich mit der theoretischen Grundlage von Stress vertraut zu machen. Für eine erste Annäherung des Themas setzt sich die Arbeit mit der Definition des Stressbegriffs auseinander. Vorerst liefert die Studie des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung IFT-Nord Forschungsergebnisse über die Häufigkeit des Stresserlebens von jungen Menschen und deren Auswirkungen. Im nächsten Schritt zeigt die Arbeit institutionelle Trainingsprogramme auf, die die Heranwachsenden im Kontext der Schule berücksichtigt. Abschließend werden empfohlene Umgangsformen und Bewältigungsstrukturen angeführt, die das Stresserleben der Kinder und Jugendliche reduzieren und von Lehrkräften im Unterricht integriert werden können.
1 Forschung der IFT Nord und DAK Gesundheit
Die Studie „Präventionsradar“ des IFT Nord (Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung) in Kooperation mit der DAK Gesundheit nimmt sich jedes Jahr zur Aufgabe, das gesundheitliche Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen im Kontext der Schule zu untersuchen. Im Schuljahr 2017/2018 bezogen sie circa 7.000 Probanden für ihre Untersuchungen, die sich im Schulalter von 10 bis 18 Jahren befanden. Die meisten Schülerinnen und Schüler beschweren sich über das Erleben von Stress (vgl. IFT Nord, 2017, S. 13).
Laut der IFT Nord gaben insgesamt 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen an, dass sie häufig bis sehr häufig unter Stress leiden (s. Abb. 1). Während bereits 35 Prozent der Schülerinnen und Schüler in der Grundschule ein hohes Maß an Stress erleben, wächst die Anzahl der Betroffenen in den neunten bis zehnte Jahrgänge auf einen Wert von 51 Prozent. Aufgrund der steigenden Tendenz, empfindet mindestens jeder zweite Stress (vgl. ebd., 2017, S. 13).
Mit welchen somatischen Einschränkungen der Stress einhergeht, wurde anhand der Häufigkeit der gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemessen (s. Abb. 2). Auf der physischen Ebene sind es besonders die Kopfschmerzen (35%) und Schlafprobleme (32%), aber auch Schwindel (22%), die den Heranwachsenden mit Stresserleben ein- bis mehrmals die Woche Schwierigkeiten bereiten (s. Abb. 2). Ferner konnte festgestellt werden, dass Mädchen zwölf Prozent mehr Stress erleben als Jungen. Dabei sollte erwähnt werden, dass Jungen vermutlich wegen ihrer Geschlechterrollenvorstellung weniger offen über ihr physisches und psychisches Behagen berichten (vgl. Domsch et al., 2007, S. 39).
Hinter der psychischen Ebene verstehen sich verhaltensbezogene Symptome wie wütendes Zuschlagen von Türen und kognitiv-emotionale Symptome wie die Auseinandersetzung mit belastenden Gefühlen oder Gedanken (vgl. Domsch e al. 2007, S. 36). Während scheinbar nur 4,7% bis 5,0% sich täglich wütend und verärgert fühlen und verhalten, sind es hingegen 47,7% bis 53,1% - also das Zehnfache – der Kinder und Jugendlichen, die mehrmals pro Woche aufgrund des stressigen Erlebens mit Wut und Ärger zu kämpfen haben. Ebenfalls hohe Werte finden sich in der gefühlten Erschöpfung. Bereits einmal in der Woche klagen 31,8% der Schülerinnen und Schüler darüber, dass sie erschöpft sind. Mehrmals die Woche trifft es auf 41,7% zu und sogar 7,4% leiden jeden Tag darunter (s. Abb. 3). Dass die Hilflosigkeit mit 1,2% täglich die geringste Häufigkeit aufweist, verdeutlicht das Problem, dass Kinder und Jugendliche die Kenntnisse über Stress nicht inkorporiert haben und sich den nötigen Bewältigungsmaßnahmen nicht bewusst sind (Domsch et al., 2007, S. 38).
Zudem ist Stresserleben für die Schülerinnen und Schüler besonders dann gefährlich, wenn die mit Stress verbundenen Symptome sich auf lange Zeit negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden auswirken, was wiederum nicht allein zu einer Abnahme der Lern- und Leistungsfähigkeit führt, sondern auch das soziale Verhalten einschränken kann (vgl. IFT Nord, 2017, S. 13).
2. Stress als Phänomen
Schon nach kurzer Literaturrecherche fällt auf, dass es nicht einfach ist, eine wissenschaftliche Definition zu finden. Der Begriff Stress ist schwer zu beschreiben, da er einer subjektiven Empfindung zugrunde liegt. Einige Menschen sehen in dem empfundenen Stress anderer eine voreilige oder übertriebene Nutzung, was das Wort eher als ein Modebegriff erscheinen lässt (vgl. Domsch et al., 2007, S. 4). Dennoch weiß jeder Mensch darunter Kinder, wie sich Stress anfühlt. Doch die fehlenden Kenntnisse über dieses Phänomen gefährden besonders die Heranwachsenden. Fehlen angemessene Bewältigungsmechanismen im Umgang mit belastbaren Stresssituationen, folgt daraus ein chronisches Stresserleben, welches sich in unangemessenen Bewältigungsformen wie Alkohol oder Drogen verlieren kann (vgl. Lohaus, 2009, S. 132).
Um dem Stressphänomen dennoch einen definierten Rahmen zu geben, heißt es nach Domsch et al.: „Stress entsteht [...], wenn die wahrgenommenen Anforderungen die wahrgenommenen Bewältigungsmöglichkeiten übersteigt.“ (2007, S. 8). Hinter der scheinbar einfachen Erklärung verbirgt sich allerdings ein etwas tiefgründiger Prozess. Ferner wird das folgende Kapitel anhand eines Stressmodells darüber aufklären, wie Stresserleben im Einzelnen entsteht.
2.1 Stress-Modell von Lazarus
Wenn es darum geht, dass Stress trotz unterschiedlichen Interpretationen dargestellt werden muss, greifen viele Sachbücher auf das Stress-Modell von Lazarus zurück, dass es circa seit den 90iger Jahren gibt. Damals wie heute wird Stress transaktional aufgefasst, was die beeinflussende Wechselwirkung zwischen der Person und seiner Umwelt meint (vgl. Domsch et al., 2007, S. 4-5). Das Modell bildet die Form eines Prozesses ab, die sich in drei große Bewertungsbereiche teilen lässt: Primäre Bewertung, sekundäre Bewertung, Neubewertung (s. Abb. 4).
Nachdem man mit einem potentiellen Stressor konfrontiert wird, kommt es zu einer primären Bewertung der Stresssituation, die positiv, irrelevant oder stressbezogen aufgefasst werden kann (vgl. Domsch et al., 2007, S. 5). Steht eine Klassenarbeit an, kann der Schüler oder die Schülerin bei einer positiven Bewertung Freude empfinden oder bei der irrelevanten Bewertung völliges Desinteresse verspüren, sodass sie keinem Stress ausgesetzt sind. Es gibt Kinder oder Jugendlichen, die diesen stressbezogenen Druck als Herausforderung nutzen, um ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen zu können. Wichtig zu erwähnen ist, dass Lehrkräfte im Umgang mit motivierendem Druck vorsichtig sein müssen. Nur wenige Schülerinnen und Schüler ziehen daraus eine hohe Effektivität ihrer schulischen Leistungen (vgl. ebd., S. 5). Weiterhin kann die stressbezogene Bewertung als Schaden oder Verlust angesehen werden, wenn beispielsweise der Jugendliche wegen seiner schlechten Noten die Schule wechseln muss. Als dritten Stressbezug wird die Situation als Bedrohung wahrgenommen, dessen Ausgang negativ eingeschätzt wird (vgl. Bamberg et al., 2006, S. 11).
Im weiteren Schritt wird - häufig unbewusst - reflektiert, welche Fähigkeiten und Möglichkeiten dem Kind oder Jugendlichen zur Verfügung stehen, um die gegebene Situation zu bewältigen. Aus der persönlichen Beurteilung entwickeln sich Bewältigungsstrategien, die konkret problemlösend oder emotionsregulierend stattfinden können (vgl. Bamberg, 2006, S.12). Sind dem Schüler oder der Schülerin nach Ankündigung der Klassenarbeit genügend Bewältigungsressourcen vorhanden, kann diese Situation beispielsweise mithilfe von guten Lernstrategien entschärft werden. Andere hingegen fühlen sich gehemmt und benötigen zunächst Ruhe- oder Entspannungsphasen. Liegen gar keine Bewältigungsmöglichkeiten vor, äußern sich die Belastungen durch Stressempfinden und -reaktionen (vgl. Domsch et al., 2007, S. 6).
Aufgrund der gewählten Bewältigungsmechanismen verändert sich die primäre und sekundäre Bewertung. Konnte das Kind oder der Jugendliche sich beispielsweise vor Aufregung nicht auf die Lernmaterialien und somit nicht auf die Klassenarbeit konzentrieren, wirkt sich dieser Misserfolg negativ auf die Bewertungen und Bewältigungsversuche neuer Belastungssituationen aus (vgl. Bamberg, 2006, S. 11-12; Domsch et al., 2007, S. 6).
Wenn Schülerinnen und Schüler ohne praktische Stressbewältigung stetig negative Erfahrungen machen, befinden sie sich in einem Teufelskreis beziehungsweise in einer Abwärtsspirale, aus der sie ohne fremde Unterstützung nicht mehr herauskommen. Um die Kinder und Jugendlichen mit dem Thema Stress und deren Bewältigung vertraut zu machen, werden im folgenden Kapitel Trainingsprogramme, sowie weitere Unter-stützungsmöglichkeiten zur Stressreduzierungen aufgezeigt.
3. Trainingsangebote zur Stressbewältigung
In der Literatur stehen zur Stressbewältigung häufig drei Programme im Fokus. Während die Trainings „Bleib locker“ und „Anti-Stress-Training (AST)“ überwiegend den Schülerinnen und Schüler der Primarstufe zugeordnet sind, orientiert sich das Programm „SNAKE“ (Stress nicht als Katastrophe erleben) an die Jugendlichen der ersten Sekundarstufe. Dieses Programm wurde von Prof. Dr. Arnold Lohaus im Jahr 2006 in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und weiteren Mitarbeitern der Universität Bielefeld entwickelt (vgl. Universität Bielefeld, 2006).
Ziel dieses Konzeptes ist die Verbesserung der Problemlösekompetenz, die mithilfe von Modulen verwirklicht werden sollen und von Lehrkräften oder gebuchten Trainern ausgeführt werden können. In dem Basismodul werden die fundamentalen Kenntnisse über Stress an Kinder und Jugendliche vermittelt. „Der Problemlöseprozess wird anhand einer Schlange symbolisiert, die ein Problem mithilfe mehrerer Problemlöseschritte ‚verdaut‘ (Problemdefinition, Lösungssuche, Entscheidungsfindung, Erprobung einer Lösung, Bewertung der Lösung)“ (Lohaus, 2009, S.138).
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