Diese Arbeit bezieht sich also auf die Frage, ob und inwiefern die Nutzung des Internets unser Neuronales System und damit die Art unseres Denkens, oder andersherum, beeinflusst. Hierzu soll zunächst auf Grundlegendes Wissen über die Entstehung und die heutige Nutzung des Internets, sowie auf die Neuronale Plastizität des Menschlichen Gehirns eingegangen werden. Dies soll dabei helfen, zu verstehen, welchen Einfluss die Nutzung des Internets auf unser Denken haben könnte. Ob und welche Veränderungen das Internet auf unsere Denkprozesse haben könnte, soll im Folgenden Kapitel mithilfe einiger Praxisbeispiele erörtert werden. Abschließend wird die Forschungsfrage diskutiert und ein Ausblick in zukünftige Entwicklungen gewagt.
Inhaltsverzeichnis:
1. Abbildungsverzeichnis
2. Einleitung
3. Über die Erfindung des Internets und die heutige Nutzung
4. Wie sich das Gehirn an seine Aufgaben anpasst
5. Wie die Nutzung des Internets auf unser Gehirn und unser Denken wirkt
6. Diskussion der Forschungsfrage und Ausblick
7. Literaturverzeichnis
1. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Anzahl der Internet-Hosts Weltweit von 1993 bis 2018
Abbildung 2: Datennutzung über Breitbandanschlüsse in Millionen GB
Abbildung 3: Befragung über die tägliche Nutzung von Internetdiensten im Jahr
Abbildung 4: Screenshot der Startseite von Bild.de
Abbildung 5: Screenshot eines Eintrages auf Wikipedia.de
2. Einleitung
Unter Neuropsychologen wird seit den 1950er Jahren diskutiert, dass sich das Gehirn bezüglich jeder Aufgabe der es ausgesetzt ist umstrukturiert. Einer der ersten war J. Z. Young, ein britischer Biologe, der in einem Broadcast ausgestrahlt von BBC bezüglich der Plastizität des Menschlichen Gehirns argumentierte und behauptete, dass jede Aufgabe einen Abdruck in unserem Nervensystem hinterlässt.1 „It may be therefore that every action leaves some permanent print upon the nervous system.“2 Das Menschliche Gehirn unterliegt einem ständigen Wandel als Antwort auf unsere Erfahrungen, unser Verhalten und jedem Input dem wir ausgesetzt sind. „Neuroplastizität“ argumentiert Alvaro Pascual-Leone, sei „eine der wichtigsten Produkte der Evolution“.3 Nietzsche geht einen Schritt weiter indem er postulierte, dass wir durch die Art wie wir Leben und die Werkzeuge, die wir nutzen unsere Gene beeinflussen.4
Nun hat sich die Art wie wir leben, arbeiten, in sozialen Kontakt mit unseren Mitmenschen stehen, einkaufen oder nicht zuletzt lesen und neues lernen erst jüngst drastisch geändert. Grund für diesen Wandel war die Einführung des Computers in private Haushalte in Verbindung mit der Erfindung des Internets. Seitdem internetfähige Computer zudem portabel geworden sind stieg die Nutzung derlei Geräte noch einmal exorbitant an. So stieg die Nutzung des Internets seit dem Jahr 2010 nochmals um etwa 250% und liegt im Jahr 2018 über alle Altersgruppen verteilt durchschnittlich bei 196 Minuten täglich.5 Ausgegangen von einer Wachzeit von 16 Stunden verbringen wir demnach über 20% unseres Tages mit dem Surfen im Internet. Die Tägliche Mediennutzungsdauer beträgt ganze 585 Minuten oder fast zehn Stunden.6
Folgend der Argumentationslinie, liegt demnach die Vermutung nahe, dass die Nutzung Digitaler Medien mit Internetzugang die Art unseres Denkens Beziehungsweise unser Gehirn merkbar und Nachhaltig verändert.
Diese Seminararbeit bezieht sich also auf die Frage, ob und inwiefern die Nutzung des Internets unser Neuronales System und damit die Art unseres Denkens, oder anders herum, beeinflusst.
Hierzu soll zunächst auf Grundlegendes Wissen über die Entstehung und die heutige Nutzung des Internets, sowie auf die Neuronale Plastizität des Menschlichen Gehirns eingegangen werden. Dies soll dabei helfen, zu verstehen welchen Einfluss die Nutzung des Internets auf unser Denken haben könnte. Ob und welche Veränderungen das Internet auf unsere Denkprozesse haben könnte, soll im Folgenden Kapitel mithilfe einiger Praxisbeispiele erörtert werden. Abschließend wird die Forschungsfrage diskutiert und ein Ausblick in zukünftige Entwicklungen gewagt.
3. Über die Erfindung des Internets und die heutige Nutzung
Am Anfang neuer Erfindungen steht meist ein bestimmter Wunsch oder Verlangen. Im Falle des Computers war dies das bauen einer programmierbaren Rechenmaschine, die den Menschen dabei helfen kann, Zahlen zu berechnen und Daten zu speichern. Die Erfindung des Computers im modernen Sinne wird Konrad Zuse zugeschrieben, welcher während des zweiten Weltkrieges, genauer im Jahr 1941, die erste voll funktionsfähige, programmgesteuerte, binäre Rechenmaschine, Zuse 3 genannt, vorstellte.7
Die Erfindung des Internets geht auf eine Nutzung für Militärische Zwecke zurück. Das zugrundeliegende Anliegen der Erfinder, die Arpa Mitarbeiter (Advanced Research Projects Agency: Forschungsgruppe des amerikanischen Verteidigungsministerium), bestand in der Verbindung einiger Großrechner, um eine Datenkommunikation über weite Strecken zu ermöglichen. Der zugrundeliegende Wunsch war in diesem Fall also, eine Standortunabhängige und damit krisensicherer Elektronische Datenverarbeitung aufzubauen. 1969 gab es weltweit vier Computer, die mittels IMP-Spezialcomputern (Interface Message Processor) miteinander verbunden waren. 1971 wurde das ARPAnet vorgestellt, mit welchem bereits 15 Netzknoten betrieben wurden. Neben der militärischen Nutzung entdeckten auch wissenschaftliche Institutionen die Nützlichkeit der Datenkommunikation. In den folgenden Jahren stieg die Anzahl der Hosts mehr und mehr an, bis im Jahre 1983 aus Sicherheitsgründen das militärische Netz vom wissenschaftlich genutzten Netz abgespalten wurde. Fünf Jahre später wurde das APRAnet durch das NSFnet ersetzt und wieder ein Jahr später auch für kommerzielle Zwecke freigegeben. Schließlich wurde aus dem nationalen Netz durch die Verknüpfung mit anderen Staaten ein Internationales Netz, welches seit dem den Namen Interconnected Network oder abgekürzt Internet trägt.8
Aufgrund der aus heutiger Sicht miserablen Übertragungsgeschwindigkeit des damaligen Internets von 9600 bytes pro Sekunde (ein 3 MB großes Handyfoto hätte damals mindestens 43 Minuten zur Übertragung benötigt), brauchte es allerdings noch einige Technische Besserungen. Neben der verbesserten Übertragungsgeschwindigkeit sorgte vor allem die Einführung des World Wide Web (WWW) im Jahre 1993, für den Durchbruch des Internets. Hierdurch war nicht mehr nur E-Mail verkehr möglich, sondern auch grafische Darstellungen von HTML-Seiten. Folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Anzahl der Internet Hosts ab der Einführung des World Wide Web im Jahre 1993:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Anzahl der Internet-Hosts Weltweit von 1993 bis 2018
Quelle: Bühler, P, Schlaich, P, Sinner, D, Internet-Hosts, 2019, S. 2
Gerade ab in den Jahren 2000 bis 2010 ist ein drastischer Anstieg der Computer, welche einen Domain-Namen besitzen und damit ständig mit dem Internet verbunden sind, zu erkennen. Die Zahl der Internetnutzer ist noch einmal wesentlich höher: Im Jahr 2018 hatten etwa vier Milliarden Menschen Zugang zum Internet und trugen zu einem Datenaufkommen von fünf Exabyte bzw. fünf Milliarden Gigabyte bei. Weltweit waren zu diesem Zeitpunkt 20 Milliarden Internetfähige Geräte auf dem Markt. Die berühmte aussagen von Thomas Watson, Chef von IBM, im Jahre 1943: „Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.“9, erweist sich demnach als eine der größten Fehlprognosen in der Geschichte der Menschheit.
Auch die Inhalte des Internets haben sich seit den frühen Anfängen in eine umstrittene Richtung entwickelt. Das einst für militärische und wissenschaftliche Zwecke genutzte Internet ist heute zunehmend auch als Unterhaltungsmedium bekannt. Folgende Statistik zeigt auf, aus welchen Inhalten sich die innerhalb eines Jahres verbrauchten Daten zusammensetzten. Neben einem generellen Anstieg der verbrauchten Daten über die Jahre 2013 bis 2022e, ist vor allem zu erkennen, dass das Internet heute größtenteils für das Streamen von Videos genutzt wird.10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Datennutzung über Breitbandanschlüsse in Millionen GB
Quelle: PwC, Datennutzung, 2018, n.p.
4. Wie sich das Gehirn an seine Aufgaben anpasst
In diesem Kapitel, soll auf die Plastizität des Menschlichen Gehirns eingegangen werden. Ziel dabei ist verstehen zu können, ob und inwiefern Gegenstände und Situation, denen wir täglich ausgesetzt sind, unser Gehirn und damit die Art wie wir denken beeinflussen kann.
Erst in den letzten Jahrzenten konnten verschiedene Studien die Theorie, dass das adulte zentrale Nervensystem ab einem bestimmten Reifungsalter ein unveränderliches System darstellt, mit modernen Forschungsmethoden hinterfragen. Es stellte sich heraus, dass die neuronale Plastizität auch außerhalb des frühen Kindesalters und nach der Präadoleszens zu einer erheblichen funktionellen und strukturellen Reorganisation fähig ist.11 Forschungsergebnisse belegen eindeutig, dass Umstrukturierungen von Axonstrukturen, synaptische Stärke sowie Glia- und Gefäßstrukturen kontinuierlichen als Antwort auf wechselnde Anforderungen auftreten. Hervorgerufen werden die Modifikationen durch Lernprozesse, motorische Aktivität oder pharmakologische Stoffe.12
Eines der bekanntesten Experimente zur neuronalen Plastizität ist unter dem Namen Londoner Taxifahrer bekannt. Um Taxifahrer in London zu werden, müssen die Auszubildenden etwa 25000 Straßen und 20000 Sehenswürdigkeiten ohne Navigationsgerät finden können. Diese Extreme Anforderung für die Merkfähigkeit geht nicht spurlos am Gehirn vorbei. Die Forscher vom University College London konnten zeigen, dass sich der Hippocampus, welcher maßgeblich am Lernen neuer Sachverhalte beteiligt ist, vergrößert hat. Diese physische Veränderung deuten die Wissenschaftlicher als Beleg für die neuronale Plastizität sowie als Beweis dafür, dass Lebenslanges Lernen möglich ist.13
Doch nicht nur durch extremes auswendig lernen, können Veränderungen im Gehirn nachgewiesen werden. Als Wissenschaftler verschiedenen Tierarten die Verwendung einfacher Werkzeuge antrainierten, konnte gezeigt werden wie tiefgreifend das Gehirn durch Technologien beeinflusst werden kann. Wenn beispielsweise Primaten die Verwendung von einfachen Zangen angelernt bekamen um an Futter zu gelangen, welches ansonsten unerreichbar gewesen wäre, konnten die Wissenschaftler während der Verwendung der Werkzeuge einige Veränderungen aufzeigen. So wurde signifikantes Wachstum in den visuellen und motoriellen Bereichen des Gehirns nachgewiesen werden, bei denen auch die Steuerung der Hand, in der die Primaten das Werkzeug hielten, beteiligt war.14
Die Forscher berichteten im Zusammenhang mit dem Experiment, dass sich die Gehirne der Primaten so modifizierten, dass die Werkzeuge nach und nach gleichermaßen wie die Hände und Finger als Körperteil identifizieren ließen.15
5. Wie die Nutzung des Internets unsere Gehirne und unser Denken wirkt
In den ersten beiden Kapiteln wurde dargestellt, wie sich das Internet zu einem der meist genutzten Medien etablierte und welche Inhalte darüber heute übertragen werden. Darüber hinaus wurde ersichtlich, dass sich das Gehirn durchaus an seine Aufgaben bzw. seine Umgebung anpassen kann und dass auch die Benutzung neuer Technologien Einfluss auf unser Gehirn haben. In diesem Kapitel soll nun die Frage erörtert werden, ob und wie das Internet Einfluss auf unser Gehirn und damit die Art unseres Denkens hat.
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1 Vgl. Carr, N., What the Internet is doing to our brains, 2011, S. 21.
2 Carr, N., What the Internet is doing to our brains, 2011, S. 21.
3 Carr, N., What the Internet is doing to our brains, 2011, S. 31.
4 Vgl. Carr, N., What the Internet is doing to our brains, 2011, S. 31.
5 Vgl https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1388/umfrage/taegliche-nutzung-des-internets-in-minuten/, Zugriff am 20.06.2019.
6 Vgl. https://de.statista.com/themen/101/medien/, Zugriff am 20.06.2019.
7 Vgl. Betschon, Stefan, Der Zauber des Anfangs, 2013, S. 24.
8 Bühler, P., Schlaich, P., Sinner, D., Internet, 2019, S. 2.
9 Vgl. https://www.sueddeutsche.de/digital/beruehmte-fehlprognosen-computer-sind-nutzlos-1.935972-2, Zugriff am 22.06.2019.
10 Vgl. https://www.pwc.de/de/technologie-medien-und-telekommunikation/german-entertainment-and-media-outlook-2018-2022/datenkonsum.html, Zugriff am 23.06.2018
11 Vgl. Driemayer, J., Untersuchung zur zeitlichen Dynamik der übungsabhängigen strukturellen Plastizität des Gehirns, Seite 5.
12 Vgl. Driemayer, J., Untersuchung zur zeitlichen Dynamik der übungsabhängigen strukturellen Plastizität des Gehirns, Seite 6.
13 Vgl. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3268356/, Zugriff am 25.06.2019.
14 Vgl. Carr, N., What the Internet is doing to our brains, 2011, S. 32.
15 Vgl. Carr, N., What the Internet is doing to our brains, 2011, S. 32.