Eine ausgewählte Form des „Sich-gegen-die-Staatsgewalt-Stellens“ soll im Folgenden sowohl aus staatsrechtlicher als auch staatsphilosophischer Sicht genauer betrachtet werden: Der Widerstand. Ob „Castor“-Transporte, „Stuttgart 21“, „PEGIDA“ oder (nicht notwendigerweise prominente) Steuerhinterziehung: Situationen, in denen bei einem Teil der Bevölkerung das Bedürfnis geweckt wird, anders zu handeln als vom Staat erwartet, sind genauso unterschiedlich wie unvorhersehbar. Auch wenn eine abschließende Aufzählung unmöglich ist, reichen bereits die genannten Beispiele aus, um beim Großteil der Bevölkerung entsprechende Assoziationen hervorzurufen. Demzufolge fällt es umso leichter, die „Brücke“ zwischen jenen Begriffen zu erkennen: Renitentes, gegen den Staat gerichtetes Verhalten in der Gesellschaft.
Wenngleich die oben aufgeführten Ereignisse nicht alltäglich sind und es aus staatlicher Sicht auch nicht sein sollten, können sie dennoch jederzeit aus dem Alltag erwachsen. Entscheidend hierfür ist (zumindest auch) die heutzutage übliche, sekundenschnelle Verbreitung von Informationen via Internet bzw. sozialer Netzwerke. Durch ein so erhöhtes Konsumieren medialer Berichterstattung wird zum einen die eigene Meinungsbildung beschleunigt, zum anderen ist das Ausfindigmachen von Mitbürgern gleicher bzw. ähnlicher Ansichten ebenfalls erleichtert. Eine breite gesellschaftliche Reaktion zu bestimmten (v.a. politischen) Themen innerhalb kürzester Zeit (eben „aus dem Alltag heraus“) erscheint somit nicht mehr verwunderlich. Auch wenn es dabei selten die Gesellschaft als solche ist, die sich durch widerspenstiges Verhalten auszeichnet, können die so agierenden Gruppierungen durchaus selbst als – intern mehr oder weniger einheitliche – „Miniatur-Gesellschaft“ verstanden werden, deren Anliegen es ist, bei der restlichen Bevölkerung Gehör zu finden.
INHALT
Inhalt
Literaturverzeichnis
A) „Nicht mit uns!“ — Renitentes Verhalten und dessen Motive in der heutigen Gesellschaft
B) Begriff des Widerstands in Abgrenzung zu zivilem Ungehorsam, Demonstration, Revolution, Putsch, Terrorismus und Protest
I. Widerstand
1. Versuch einer Definition
2. Ausgewählte Formen des Widerstands
a) Individueller vs. kollektiver Widerstand
b) „Staatsnotwehrrecht“ — Widerstand contra legem
c) Politischer vs. religiöser Widerstand
d) Aktiver (gewaltsamer) vs. passiver (gewaltloser) Widerstand
e) Legaler vs. legitimer Widerstand
II. Ziviler Ungehorsam als „Gegenstück“ zum Widerstand
III. Weitere „verwandte“ Begrifflichkeiten
1. Demonstration
2. Revolution
3. Putsch
4. Terrorismus
5. Protest
C) Das Attentat vom 20. Juli 1944: Mehr als „nur“ Widerstand
D) Art. 20 IV GG und sein Einfluss auf das Recht zum Widerstand
I. Entstehungsgeschichte des Art. 20 IV GG
II. Art. 20 IV GG in der staatsrechtlichen Dogmatik
1. Systematische Stellung und „innere“ Struktur des Art. 20 GG
2. Zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 20 IV GG
a) Der „Widerstandsfall“
aa) Angriffssubjekt
bb) Angriffsobjekt
cc) Angriffshandlung
b) Träger des Widerstandsrechts
c) Subsidiarität
d) Rechtsfolgen
3. Art. 20 IV GG als Teil der „wehrhaften Demokratie“
a) Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch Widerstand und/oder
Widerstandsrecht
b) Art. 20 IV GG im Verhältnis zu Art. 79 III GG
4. Art. 20 IV GG als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund
III. Widerstandsrecht und Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
1. Das „KPD-Urteil“ (1956): „Erfindung“ des grundgesetzlichen Widerstands
2. Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 20 IV GG
a) Art. 20 IV GG als „grundrechtsgleiches Recht“
b) Effektivität des Rechtsschutzes nach Art. 93 I Nr. 4a GG i.V.m. § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff BVerfGG
E) Kritik an Widerstand und Widerstandsrecht
I. Staatsphilosophischer Disput um Widerstand und Widerstandsrecht
1. „Allgemeine“ Überlegungen
a) Widerstand und Gewissen derer, die ihn ausüben
b) Philosophische Notwendigkeit von Widerstand
aa) Contra
bb) Pro
cc) Ergebnis
c) Art. 20 IV GG — philosophisch betrachtet
aa) Contra
bb) Pro
cc) Zusammenfassung
2. Widerstand als (bereits) naturrechtliche Gewährleistung
a) Pro
b) Contra
c) Zusammenfassung
3. Prominente Stimmen und deren Ansichten
a) John Locke
b) Immanuel Kant
c) Widerstand im Lichte der „Radbruch’schen Formel"
d) Ergebnisrelativierung
II. Verbleibende ratio des Art. 20 IV GG
F) Exkurs: Die völkerrechtliche Anerkennung eines Widerstandsrechts
G) Analyse gesellschaftlicher Verhaltensweisen bzgl. ihrer „Widerstandsqualität“