Diese Arbeit beschäftigt sich mit Persönlichkeitseigenschaften und ihrer Erfassung. Da Persönlichkeitsstörungen aufgrund ihrer Komplexität und ihres Einflusses auf den Behandlungsverlauf von anderen psychischen Störungen im klinischen Kontext als hochrelevante Störungen gelten, soll die diagnostische Feststellung von Persönlichkeitsstörungen im Vordergrund stehen. Ziel dieser Arbeit ist es, die Bedeutung von Persönlichkeitseigenschaften im Rahmen der psychologischen Diagnostik zu verdeutlichen, ihre Rolle im klinischen Kontext zu erläutern und Verfahren vorzustellen, welche im Rahmen der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen zum Einsatz kommen.
In der Umgangssprache wird unter der Persönlichkeit die Gesamtheit aller Eigenschaften, in denen sich die Menschen von anderen unterscheiden, verstanden. Sie umfasst dabei sämtliche zum Wesen eines Individuums gehörenden Erlebens- und Verhaltensdispositionen. Den zentralen Kern der Persönlichkeit bilden die Persönlichkeitseigenschaften. Ihre Erfassung spielt bei verschiedensten diagnostischen Fragestellungen eine Rolle, wie z. B. im Bereich der Prävention, der Personalauswahl und der Beratung. Auch im klinischen Kontext werden häufig Persönlichkeitsmerkmale erhoben. Hierbei sind sie u. a. für die Interventions- und Therapieplanung hilfreich. Bei einigen Fragestellungen kann es außerdem notwendig sein, Personeneigenarten zu erheben und zu prüfen, ob eine Persönlichkeitsstörung vorliegt. Für die Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften und -störungen stehen viele verschiedene Methoden zur Verfügung. Daher stehen Diagnostiker oftmals vor der Frage, welches Verfahren eingesetzt werden soll.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Persönlichkeit
2.1. Persönlichkeitseigenschaften
2.2. Persönlichkeitsstörungen
2.3. Persönlichkeitsdiagnostik
2.3.1. Persönlichkeitsfragebögen
2.3.2. Diagnostische Interviews
2.3.3. Objektive und projektive Persönlichkeitstests
2.3.4. Verhaltensbeobachtungen und -beurteilungen
2.4. Die Bedeutung von Persönlichkeitseigenschaften für die psychologische Diagnostik und Begutachtung
2.5. Zusammenfassung
3. Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen
3.1. Kriterien für die Auswahl von diagnostischen Verfahren
3.2. Verfahren zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen
3.2.1. Internationale Diagnosen-Checkliste für Persönlichkeitsstörungen
3.2.2. Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV-Persönlichkeitsstörungen
3.2.3. International Personality Disorder Examination
4. Kritische Diskussion
5. Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Das Fünf-Faktoren-Modell
Tabelle 2: Persönlichkeitsstörungen
Tabelle 3: Screeninginstrumente
Tabelle 4: Instrumente zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen
1. Einleitung
In der Umgangssprache wird unter der Persönlichkeit die Gesamtheit aller Eigenschaften, in denen sich die Menschen von anderen unterscheiden, verstanden.1 Sie umfasst dabei sämtliche zum Wesen eines Individuums gehörenden Erlebens- und Verhaltensdispositionen.2 Den zentralen Kern der Persönlichkeit bilden die Persönlichkeitseigenschaften.3 Ihre Erfassung spielt bei verschiedensten diagnostischen Fragestellungen eine Rolle, wie z. B. im Bereich der Prävention, der Personalauswahl und der Beratung.4 Auch im klinischen Kontext werden häufig Persönlichkeitsmerkmale erhoben.5 Hierbei sind sie u. a. für die Interventions- und Therapieplanung hilfreich.6 Bei einigen Fragestellungen kann es außerdem notwendig sein, Personeneigenarten zu erheben und zu prüfen, ob eine Persönlichkeitsstörung vorliegt.7 Für die Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften und - störungen stehen viele verschiedene Methoden zur Verfügung.8 Daher stehen Diagnostiker oftmals vor der Frage, welches Verfahren eingesetzt werden soll.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit Persönlichkeitseigenschaften und ihrer Erfassung. Da Persönlichkeitsstörungen aufgrund ihrer Komplexität und ihres Einflusses auf den Behandlungsverlauf von anderen psychischen Störungen im klinischen Kontext als hochrelevante Störungen gelten,9 soll die diagnostische Feststellung von Persönlichkeitsstörungen im Vordergrund stehen. Ziel dieser Arbeit ist es also die Bedeutung von Persönlichkeitseigenschaften im Rahmen der psychologischen Diagnostik zu verdeutlichen, ihre Rolle im klinischen Kontext zu erläutern und Verfahren vorzustellen, welche im Rahmen der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen zum Einsatz kommen.
Zunächst wird allerdings der Begriff Persönlichkeit genauer erläutert. Ebenfalls wird auf Persönlichkeitseigenschaften, Persönlichkeitsstörungen, die Persönlichkeitsdiagnostik im Allgemeinen sowie auf mögliche Verfahren zur Persönlichkeitsdiagnostik eingegangen. Außerdem wird die Bedeutung von Persönlichkeitseigenschaften im Rahmen der psychologischen Diagnostik und Begutachtung (v. a. im klinischen Kontext) beschrieben.
Das nachfolgende Kapitel beschäftigt sich schließlich mit der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen. Dabei werden wesentliche Kriterien für die Auswahl eines Testverfahrens und drei Verfahren, welche im Rahmen der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen zum Einsatz kommen können, erläutert. Im anschließenden Diskussionsteil werden die Verfahren einander nochmals gegenübergestellt und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile verglichen. Ebenfalls wird auf ihre Eignung für die Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen eingegangen. Zum Abschluss erfolgt ein kurzes Fazit.
2. Persönlichkeit
Die Persönlichkeit gilt als ein charakteristisches Muster des Fühlens, des Denkens und des Handelns.10 Sie beeinflusst die Art und Weise, mit der die Menschen ihren Bedürfnissen und den Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden versuchen.11 Zu diesem Begriff existieren viele unterschiedliche Definitionen. Allen gemeinsam sind jedoch zwei grundlegende Konzepte, nämlich die Einzigartigkeit und charakteristische Verhal- tensmuster.12 Eine Definition nach Asendorpf lautet z. B. wie folgt: „Persönlichkeit ist die Gesamtheit aller nichtpathologischen Persönlichkeitseigenschaften, nämlich individueller Besonderheiten in der körperlichen Erscheinung und in Regelmäßigkeiten des Verhaltens und Erlebens, in denen sich jemand von Gleichaltrigen derselben Kultur un- terscheidet.“13 Gerrig und Zimbardo definieren Persönlichkeit wiederum „[...] als eine komplexe Menge von einzigartigen psychischen Eigenschaften, welche die für ein Individuum charakteristischen Verhaltensmuster in vielen Situationen und über einen längeren Zeitraum hinweg beeinflussen.“14
Die Persönlichkeit kann also grundsätzlich als ein Variablensystem, welches sich im Verhalten zeigt und das Verhalten beeinflusst, aufgefasst werden.15 Des Weiteren gibt es viele verschiedene (und oft auch konkurrierende) Persönlichkeitstheorien. Dabei handelt es sich um hypothetische Aussagen über die Struktur und Funktionsweise von individuellen Persönlichkeiten, mit deren Hilfe versucht wird, ein Verständnis für die Ursprünge, den Aufbau und die Korrelate der Persönlichkeit zu erlangen, aber auch um eine Vorhersage für Lebensereignisse und Verhaltensweisen zu treffen. Zu den ältesten Ansätzen zur Beschreibung der Persönlichkeit zählen die Klassifikation von Menschen anhand einer begrenzten Anzahl von unterscheidbaren Typen sowie die Skalierung des Ausmaßes, in welchem die Menschen durch verschiedene Eigenschaften beschrieben werden können.16 Während Typologien von getrennten, diskontinuierlichen Kategorien, in welche die Menschen eingeordnet werden können, ausgehen, stehen in Trait-Theorien kontinuierliche Dimensionen (z. B. Freundlichkeit) im Vordergrund.17 Da jede Person eine einzigartige Gesamtheit von mehreren Persönlichkeitsmerkmalen besitzt, erscheint es jedoch nicht so einfach, die Menschen als bestimmte Persönlichkeitstypen zu klassifizieren.18
2.1. Persönlichkeitseigenschaften
Wie bereits erwähnt, setzt sich die Persönlichkeit aus individuellen Besonderheiten im Erleben und Verhalten eines Menschen zusammen.19 In dem Zusammenhang wird auch von Traits gesprochen.20 „Traits sind überdauernde Merkmale und Eigenschaften, die eine Person dazu prädisponieren, sich über verschiedene Situationen hinweg konsistent zu verhalten.“21 Sie gelten also als zeit- und situationsstabil.22 Dies schließt langfristige Veränderungen der Persönlichkeit allerdings nicht aus.23
Bereits Gordon Allport betrachtete Traits als Bausteine der menschlichen Persönlichkeit und die Quelle für Individualität. Ihm zufolge machen sie das Verhalten kohärent, da sie die Reaktionen eines Individuums mit vielzähligen Stimuli verbinden. Allport differenzierte zwischen drei Arten von Traits, nämlich kardinalen, zentralen und sekundären Traits. Bei den kardinalen Traits handelt es sich um Eigenschaften, auf denen die Menschen ihr Leben aufbauen. Zentrale Traits repräsentieren die wesentlichen Charakteristika einer Person und sekundäre Traits umfassen spezifische Merkmale, welche zur Vorhersage des Verhaltens beitragen.24
Allport und sein Kollege Odbert zählten alle Wörter eines englischsprachigen Lexikons, mit welchen Persönlichkeitseigenschaften beschrieben werden können. Dabei wurden fast 18.000 Wörter identifiziert.25 Nun stellt sich die Frage, wie diese enorme Menge an möglichen Persönlichkeitseigenschaften auf ein sparsames Beschreibungssystem mit möglichst wenigen Eigenschaftsvariablen reduziert werden kann. Eine Methode hierfür wurde bereits 1904 in den ersten Ansätzen des britischen Psychologen Charles Spearman vorgelegt. Daraus hat sich später die sog. Faktorenanalyse entwickelt.26
Bei der Faktorenanalyse handelt es sich um ein statistisches Verfahren, um korrelierende Variablen in Gruppen zusammenzufassen. Jede Variablengruppe wird durch einen Faktor repräsentiert. Bei der Erfassung von Eigenschaften entsprechen diese Faktoren breiteren Eigenschaften und können als Eigenschaftsdimensionen interpretiert werden.27
Eine weitere Methode ist der lexikalische Ansatz. Dabei wird das gesamte Lexikon einer Sprache nach Eigenschaftsbezeichnungen durchsucht und diese dann schrittweise auf einen überschaubaren Satz von Items reduziert. Durch entsprechende Beurteilungsuntersuchungen können aus diesen Items schließlich Eigenschaftsfaktoren gewonnen bzw. die korrelative Ähnlichkeitsstruktur zu wenigen und möglichst unabhängigen Faktoren verdichtet werden.28
Durch den lexikalischen Ansatz konnten faktorenanalytisch fünf Faktoren identifiziert werden, welche geeignet sind, um die Struktur der Persönlichkeit von Menschen zu charakterisieren und Unterschiede zu beschreiben. Dabei handelt es sich um Dimensionen, welchen verschiedene Eigenschaftsbegriffe zugrunde liegen. In dem Zusammenhang wird auch von den Big-Five-Faktoren bzw. von dem Fünf-Faktoren-Modell gesprochen.29 Diese Faktoren sowie ihre Definitionen sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Das Fünf-Faktoren-Modell
(Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Gerrig/Zimbardo (2008), S. 509)
Die fünf Dimensionen sind bipolar. Eigenschaftsbegriffe, welche diesen Faktoren in ihrer Bedeutung ähnlich sind, beschreiben somit eine hohe Ausprägung, während Begriffe mit einer gegensätzlichen Bedeutung für eine niedrige Ausprägung stehen. Außerdem sind die Big-Five-Faktoren äußerst breit. Jedoch sollen sie die vielen Eigenschaftsbegriffe nicht ersetzen, sondern ein Klassifikationssystem darstellen, um die Persönlichkeit der Menschen so zu beschreiben, dass die wesentlichen Dimensionen, auf denen sie sich unterscheiden, berücksichtigt werden.30
Das Fünf-Faktoren-Modell ist für die psychologische Diagnostik nützlich, da bereits viele Forschungsergebnisse zu diesen Persönlichkeitsdimensionen vorliegen und das Modell die Forschung schon in der Vergangenheit strukturiert hat. Außerdem können damit Verfahren, welche nicht explizit dem Big-Five-Modell verpflichtet sind, konzeptuell eingeordnet werden. Bei manchen Verfahren trägt eine Skala lediglich einen anderen Namen, inhaltlich kann sie jedoch einer der Big-Five-Faktoren zugeordnet werden.31
2.2. Persönlichkeitsstörungen
Für gewöhnlich ermöglichen die Persönlichkeit, die Persönlichkeitsstile und die Persönlichkeitseigenschaften den Menschen zu wachsen, im Alltag zu funktionieren und sich anzupassen. In manchen Fällen ist die Persönlichkeit jedoch auch starr, unflexibel und führt dazu, dass sich die Betroffenen unglücklich bzw. unerfüllt fühlen oder nicht dazu in der Lage sind, ihr Leben selbstständig zu gestalten. In dem Fall kann eine Persönlichkeitsstörung vorliegen.32 Persönlichkeitsstörungen werden „[...] definiert als langanhaltende Zustandsbilder sowie tief verwurzelte und daher weitgehend stabile Verhaltensund Erlebnismuster, die Ausdruck des charakteristischen individuellen Lebensstils, des Verhältnisses zu anderen Menschen und der Einstellung zur eigenen Person sind.“33 Diese langanhaltenden, unflexiblen und fehlangepassten Erlebens- und Verhaltensmuster äußern sich dabei im Denken, der Wahrnehmung, den Affekten und den Beziehungen. Sie weichen deutlich von kulturellen und sozialen Normen ab und können die Betroffenen bei der Bewältigung des alltäglichen Lebens stark beeinträchtigen bzw. großes Leid erzeugen. Der Leidensdruck betrifft jedoch häufig v. a. das soziale Umfeld, da die Symptome von den Betroffenen oft als ich-eigen und somit nicht als problematisch oder störend empfunden werden.34 Persönlichkeitsstörungen können allein vorliegen oder eine Begleiterscheinung von anderen Störungen sein. Sie sind allerdings kaum therapeutisch be- einflussbar.35 Für gewöhnlich treten sie in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter auf.36 Es können sich jedoch bereits Anzeichen in der Kindheit zeigen.37 Für die diagnostische Feststellung von Persönlichkeitsstörungen stehen zwei Diagnosesysteme zur Verfügung, nämlich das DSM-IV und die ICD-10.38 Mittlerweile liegt bereits die fünfte Auflage des DSM vor. Die Diagnosekriterien für Persönlichkeitsstörungen sind dabei weitgehend unverändert.39 Auf die Diagnostik wird im dritten Kapitel näher eingegangen.
Es gibt mehrere Arten von Persönlichkeitsstörungen. Diese werden im DSM in drei Clustern unterteilt.40 Die verschiedenen Persönlichkeitsstörungen und ihre Merkmale sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Persönlichkeitsstörungen
(Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Gerrig/Zimbardo (2008), S. 574; Fiedler (2011), S. 1103-1104)
Die Unterscheidung zwischen normalen und abweichenden Persönlichkeiten ist allerdings nicht immer einfach.41 Der Übergang ist fließend.42 Persönlichkeitsstörungen können auch als stark von der Norm abweichende Persönlichkeitstypen oder Extremvarianten der normalen Persönlichkeitsvariation aufgefasst werden.43 Jeder Störung kann also eine normale Persönlichkeitsvariante zugeordnet werden.44 Unterschiede zeigen sich bei der Ausprägung der Merkmale.45 Es wird allerdings davon ausgegangen, dass nicht nur Unterschiede bezüglich der Ausprägung bestehen, sondern bei Persönlichkeitsstörungen ebenfalls die Organisation des Selbst beeinträchtigt ist.46
Des Weiteren konnten gut interpretierbare und theoretisch stimmige Korrelationen mit den Big-Five-Faktoren ermittelt werden. Beispielsweise hat sich gezeigt, dass Neurotizismus mit fast allen Persönlichkeitsstörungen positiv korreliert. Negative Korrelationen haben sich hingegen mit den Faktoren Extraversion und Gewissenhaftigkeit ergeben. Die Dimension Verträglichkeit korreliert wiederum positiv mit der dependenten Persönlichkeitsstörung, aber negativ mit der narzisstischen, der antisozialen und der paranoiden Persönlichkeitsstörung.47
2.3. Persönlichkeitsdiagnostik
Die psychologische Diagnostik wird definiert als eine wissenschaftliche Disziplin, [...] deren Methodologie Verfahren und Strategien begründet, mit deren Hilfe Daten für Entscheidungszwecke gewonnen werden.“48 Sie gilt als eine Grundvoraussetzung für den Einsatz von Interventionen und dient der Behandlungsplanung sowie der Verlaufs- und Ergebniskontrolle.49 Wie zu Beginn erwähnt, spielt im Rahmen der psychologischen Diagnostik auch die Persönlichkeitsdiagnostik eine Rolle. Diese zielt darauf ab motivationale, habituelle und emotionale Verhaltensdispositionen (also Traits) zu erfassen.50 Die Persönlichkeitsdiagnostik kann in Form einer Selbst- oder Fremdbeurteilung erfolgen.51 Hierfür existieren verschiedene Verfahren. Diese können wie folgt unterteilt werden:
- Persönlichkeitsfragebögen
- diagnostische Interviews
- objektive Persönlichkeitstests
- Verhaltensbeobachtungen und -beurteilungen
- projektive Verfahren52
2.3.1. Persönlichkeitsfragebögen
Bei Fragebögen handelt es sich um ein Selbstberichtsverfahren, bei welchem die Probanden durch Reaktionen auf verbale Elemente Auskünfte zu verschiedenen Bereichen geben. Sowohl die Bearbeitung als auch die Auswertung erfolgen i. d. R. standardisiert. Die Fragen und Antwortformate werden also vorab festgelegt. Häufig kommen dichotome Antwortformate (z. B. „Ja“ oder „Nein“), Rating-Skalen und Forced-choice-Antworten zum Einsatz. Allerdings können auch offene Fragen, bei denen die Befragten in ihren eigenen Worten antworten, oder das Ankreuzen von mehreren Antwortalternativen vorgesehen sein. Üblicherweise wird jedes Merkmal, welches durch den Persönlichkeitsfragebogen erfasst werden soll, durch mehrere Items repräsentiert. Aufgrund dessen werden nicht nur einzelne Antworten interpretiert, sondern es werden die Antworten, welche für eine hohe Merkmalsausprägung stehen, gezählt. Die Ergebnisse sind quantifizierbar.53
Grundsätzlich gelten Persönlichkeitsfragebögen als eine sehr ökonomische Methode. Die Bearbeitung erfordert i. d. R. nicht viel Zeit und gilt als unkompliziert. Die Auswertung erfolgt meist automatisch. Vorteilhaft an Persönlichkeitsfragebögen ist auch, dass sie für die Messung von vielen verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen konstruiert wurden und für ein Screening (z. B. bei der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen) eingesetzt werden können. Durch mehrdimensionale Fragebögen können sogar mehrere Merkmale gleichzeitig erfasst werden. Außerdem ermöglichen Fragebögen einen Zugang zu Informationen, welche nicht beobachtbar sind. Dies betrifft z. B. frühere Ereignisse, Gefühle, Gedanken und Motive. Durch den Einsatz von normierten Fragebögen kann die Ausprägung eines Persönlichkeitsmerkmals ermittelt werden. Zudem sind Vergleiche mit anderen Personen möglich.54
Allerdings hat diese Methode auch einige Nachteile. Zum Beispiel wird die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstbeobachtung sowie eine hinreichende Kritikfähigkeit vorausgesetzt. Menschen mit geistigen Behinderungen oder einer schweren psychiatrischen Störung erfüllen diese Voraussetzung oftmals nicht. Außerdem sollten die Probanden ein gewisses Maß an Intelligenz verfügen, um den Sinn der Fragen zu verstehen. Weitere mögliche Nachteile sind fehlerhafte Erinnerungen von bestimmten Ereignissen oder Verhaltensweisen, unterschiedliche Interpretationen von bestimmten Begriffen oder Fragestellungen, Selbsttäuschung bzw. Verzerrungen in Richtung eines sozial erwünschten Bildes und eine bewusste Verfälschung der Angaben im Fragebogen, um für einen bestimmten Zweck absichtlich einen guten oder schlechten Eindruck zu erwecken.55
2.3.2. Diagnostische Interviews
Ein weiteres Selbstberichtsverfahren ist das Interview.56 Dabei handelt es sich um eine asymmetrische Form der Kommunikation, bei welcher der Interviewer Fragen stellt und der Befragte antwortet. Beim Interview erfolgt die Informationsgewinnung also durch ein Gespräch.57 In dem Fall geht es um die Erhebung von diagnostisch relevanten Informationen. Je nach Ausmaß der Standardisierung können unstandardisierte, halbstandardisierte und standardisierte Interviews unterschieden werden. Auch die Auswertung erfolgt unterschiedlich stark standardisiert.58 Bei einem standardisierten Interview werden der Wortlaut und die Reihenfolge der Fragen vorab festgelegt und sind für alle Befragten gleich. Bei einem halbstandardisierten Interview wird die Formulierung und Reihenfolge der Fragen hingegen flexibel gehandhabt und beim unstandardisierten Interview sind lediglich Themenkomplexe vorgegeben.59
Im Rahmen der psychiatrischen Diagnostik wird zwischen strukturierten und standardisierten Interviews unterschieden. Strukturierte Interviews verfügen über einen festen Algorithmus, in welcher Reihenfolge die Fragen gestellt werden sollen. Ebenfalls wird vorgegeben, wie die Antworten der Befragten zu bewerten sind. Die standardisierten Interviews gehen im Formalisierungsgrad hingegen noch weiter. Hierbei wird auch festgelegt, wie konkret die Antworten des Befragten zu gewichten sind.60
[...]
1 Vgl. Buddeberg/Brähler (2004), S. 253
2 Vgl. Wittchen/Hoyer (2011), S. 404
3 Vgl. Montag (2016), S. 7
4 Vgl. Neyer/Asendorpf (2018), S. 20
5 Vgl. Schmidt-Atzert/Amelang (2012), S. 524
6 Vgl. Neyer/Asendorpf (2018), S. 20
7 Vgl. Petermann et al. (2011), S. 255
8 Vgl. Tebartz van Elst et al. (2019), S. 71
9 Vgl. Stieglitz (2016)
10 Vgl. Myers (2014), S. 552
11 Vgl. Caspar et al. (2018), S. 131
12 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 504
13 Asendorpf (2018), S. 8
14 Gerrig/Zimbardo (2008), S. 504
15 Vgl. Schmithüsen/Krampen (2015), S. 288
16 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 504-505
17 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 507
18 Vgl. Myers (2014), S. 569
19 Vgl. Asendorpf (2019a)
20 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 505
21 Gerrig/Zimbardo (2008), S. 507
22 Vgl. Montag (2016), S. 7-8
23 Vgl. Asendorpf (2019a)
24 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 507-508
25 Vgl. Myers (2014), S. 569
26 Vgl. Neyer/Asendorpf (2018), S. 105
27 Vgl. Neyer/Asendorpf (2018), S. 105,107
28 Vgl. Neyer/Asendorpf (2018), S. 108
29 Vgl. Hammelstein et al. (2006), S. 62; Gerrig/Zimbardo (2008), S. 508-509; Neyer/Asendorpf (2018), S. 109
30 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 509
31 Vgl. Schmidt-Atzert/Amelang (2012), S. 239
32 Vgl. Fiedler (2011), S. 1102
33 Renneberg (2018), S. 456
34 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 573; Caspar et al. (2018), S. 131; Renneberg (2018), S. 456
35 Vgl. Asendorpf (2019b), S. 75
36 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 573
37 Vgl. Caspar et al. (2018), S. 131
38 Vgl. Fiedler (2011), S. 1102
39 Vgl. Ehret/Berking (2013)
40 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 573
41 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 573
42 Vgl. Asendorpf (2019b), S. 77
43 Vgl. Asendorpf (2019b), S. 75
44 Vgl. Asendorpf (2019b), S. 77
45 Vgl. Fiedler (2011), S. 1102
46 Vgl. Laux (2008), S. 215
47 Vgl. Laux (2008), S. 215
48 Wittchen/Hoyer (2011), S. 384
49 Vgl. Petermann et al. (2011), S. 246; Wittchen/Hoyer (2011), S. 385
50 Vgl. Tebartz van Elst et al. (2019), S. 71
51 Vgl. Rentzsch/Schütz (2009), S. 98
52 Vgl. Schmidt-Atzert/Amelang (2012), S. 241
53 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 40; Fleischhaker/Schulz (2010), S. 33; Schmidt-Atzert/Amelang (2012), S. 240; Tausch (2018), S. 14
54 Vgl. Fleischhaker/Schulz (2010), S. 33; Schmidt-Atzert/Amelang (2012), S. 240-241
55 Vgl. Fleischhaker/Schulz (2010), S. 33; Schmidt-Atzert/Amelang (2012), S. 241-245
56 Vgl. Gerrig/Zimbardo (2008), S. 40
57 Vgl. Hussy et al. (2013), S. 224
58 Vgl. Schmidt-Atzert/Amelang (2012), S. 323-325
59 Vgl. Hussy et al. (2013), S. 224
60 Vgl. Stieglitz (2019)