Diese Arbeit beschäftigt sich mit der derzeitigen Altersarmut. Vor allem betrachtet sie die Situation der älteren Frauen.
In den vergangenen Jahren haben sich die Bedeutungen und die Umstände des Alterns in Deutschland gewandelt, insbesondere nach einer Phase der Verbesserung der Situation im Alter seit dem Paradigmenwechsel. Das Thema Altersarmut ist in den letzten Jahren wieder in die öffentliche und politische Diskussion gedrängt.
Vor allem im Hinblick auf die Rentenreformen der Jahre 2001 bis 2007 wird ein Anstieg der Altersarmut in naher Zukunft
befürchtet. Denn die Zahl, der von Armut bedrohten ab 65-Jährigen wächst seit Jahren kontinuierlich.
Dabei wird der Begriff „altersarm“ vieldeutig und zudem oftmals sehr emotionsbezogen verwendet.
Inhalt
1. Einleitung
2. Begrifflichkeiten
2.1. Altersarmut – eine Definition
2.2 Zum Begriff der „älteren Frau“
3. Zur prekären Situation der älteren Frau
3.1. Derzeitige Altersarmut
3.2. Die Entwicklung der Altersarmut
3.3. Die Armutsrisiken älterer Frauen
4. Erklärungen für die Entwicklung der Altersarmut
5. Fazit und Diskussion der Ergebnisse
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In den vergangenen Jahren haben sich die Bedeutungen und die Umstände des Alterns in Deutschland gewandelt, insbesondere nach einer Phase der Verbesserung der Situation im Alter seit dem Paradigmenwechsel. Das Thema Altersarmut ist in den letzten Jahren wieder in die öffentliche und politische Diskussion gedrängt. Vor allem im Hinblick auf die Rentenreformen der Jahre 2001 bis 2007 wird ein Anstieg der Altersarmut in naher Zukunft befürchtet. Denn die Zahl der von Armut bedrohten ab 65-Jährigen wächst seit Jahren kontinuierlich (Schräpler et al. 2015, S. 1). Dabei wird der Begriff „altersarm“ vieldeutig und zudem oftmals sehr emotionsbezogen verwendet.
Das Ziel dieser Arbeit ist es einerseits derzeitige Altersarmut aufzuzeigen, sowie eine genaue Betrachtung der Situation der älteren Frau vorzunehmen. Altersvorsorge ist besonders für Frauen ein schwieriges Thema. Einerseits ist Alter weiblich, von den 80-84-jährigen sind 62,3% Frauen und von den über 85-jährigen sind es 72,8% also fast drei Viertel (BPB 2012). Gesellschaftliche Altersbilder und die Geschichte der Frau prägen ihre finanzielle Absicherung für das Alter. Andererseits wird das Thema Altersvorsorge von vielen Frauen immer noch verdrängt, sei es aus Angst oder auch Gemütlichkeit. Viele verlassen sich im Alter auf den Partner oder den Staat, obwohl diese Formen der Vorsorge meistens deutlich nicht ausreichen. Daraus ergeben sich zum Teil beträchtliche Versorgungslücken im Alter bei den Frauen. Zusätzlich müssen Frauen in der Regel mit niedrigeren Renten auskommen als Männer und die individuelle Vorsorge spielt eine noch wichtigere Rolle. Andererseits ist das Ziel dieser Arbeit der Frage nachzugehen, ob Altersarmut tatsächlich wieder ein sozialpolitisch bedeutsames Thema geworden ist.
Das erste Kapitel dieser Arbeit erläutert die Ausgangssituation und das Ziel der Arbeit. Im zweiten Kapitel wird versucht, die theoretische Basis der Arbeit aufzuzeigen, indem versucht wird, die Begriffe „Altersarmut“ und „ältere Frau“ zu definieren. Vor allem bezüglich des Begriffs „Altersarmut“ weichen die Befunde in der Literatur deutlich voneinander ab. Im dritten Kapitel werden in einem ersten Teil die Befunde zur derzeitigen Altersarmut aufgezeigt, mit besonderer Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede und Fokus auf die Frauen. In einem zweiten Teil werden die Gründe und Erklärungen für die höheren Armutsrisikoquoten der Frauen erläutert. Der letzte Teil dieses Kapitels gibt einen kurzen Einblick in die Geschichte der Altersarmut seit den 1945er Jahren. Im vierten Kapitel wird versucht der Frage nachzugehen, ob Altersarmut tatsächlich ein bedrohliches Ausmaß angenommen hat und wer heutzutage am meisten von Altersarmut bedroht ist. Das fünfte und abschließende Kapitel der Arbeit dient zur Zusammenfassung der Ergebnisse, sowie zur Schlussfolgerung der vorangegangenen Kapitel.
2. Begrifflichkeiten
2.1. Altersarmut – eine Definition
Zur Festlegung davon, wie viele Menschen in Deutschland von Altersarmut betroffen sind, gibt es mehrere Ansätze (IDW Köln 2014, S. 7-8). Einerseits gilt derjenige als arm, der über deutlich weniger Einkommen verfügt als alle anderen. „Eine Person gilt nach der EU-Definition für EU-SILC als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt (Schwellenwert der Armutsgefährdung).“ (Statistisches Bundesamt 2016 Pressemitteilung). Andererseits ist derjenige arm, der seinen Grundbedarf nicht decken kann, also über kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt, um sein soziokulturelles Existenzminimum zu sichern und somit Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung hat (IDW Köln 2014, S. 7-9). Arm sein kann aber auch derjenige, der wenig Einkommen und auch kein Vermögen hat. Hier hängt die Einstufung, ob jemand als arm gilt oder nicht, somit nicht nur vom Einkommen allein ab, sondern vor allem auch davon, ob jemand auf staatliche Hilfe angewiesen ist. Wie viele Rentner1 sich nun aber trotz einer kleinen Rente und dank ihres Vermögens einen angemessenen Lebensstandard leisten können, ist allerdings nur sehr schwer zu ermitteln.
Eine eindeutige und allgemein gültige Definition von Altersarmut ist in der Literatur nicht vorzufinden. Es sind viele Autoren der Meinung, es bestände die Notwendigkeit, die in der Statistik genutzte, ausschließlich auf Einkommensarmut orientierte Definition von Armut zu erweitern, da neben den ökonomischen Ressourcen, noch weitere maßgebliche Faktoren der Unterversorgung und Benachteiligung bestehen, wie Ernährung, Wohnen, Bekleidung, Gesundheit, Bildung, Mobilität, Freizeit oder die Teilhabe am kulturellen und politischen Leben (Enders-Dragässer & Sellach 2002, S. 30-31). Man spricht dann vom sogenannten „Lebenslagen-Ansatz“. Das Statistische Bundesamt definiert Altersarmut wie folgt: „Eine Person gilt als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Lebenssituationen zutrifft: Ihr Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze (die Person ist also von Einkommensarmut bedroht), ihr Haushalt ist von erheblicher materieller Entbehrung betroffen, oder sie lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung (bezogen auf die Erwerbsbeteiligung von Personen im Alter von 18 bis 59 Jahren).“ (Statistisches Bundesamt 2016 Pressemitteilung).
Dennoch ist es in der Armutsforschung unstrittig, dass zur Bestimmung von Einkommensarmut das verfügbare und nach Bedarf gerichtete Pro-Kopf-Haushaltseinkommen als Maßstab dient (Bäcker & Schmitz 2013, S. 26-27). Zu berücksichtigen sind also sämtliche, um Abgaben verminderte Einkommenszuflüsse (Markteinkommen, Sozialtransfers, Rentenleistungen, private Übertragungen) auf der Ebene der Einkommens- und Bedarfsgemeinschaft des Haushaltes. Entscheidend bei der Überprüfung, ob niedrige Sozialversicherungsrenten auch tatsächlich ein niedriges Einkommensniveau im Alter bedeuten, sind demnach auch alle womöglich vorhandenen weiteren Einkommensarten, die in einem Haushalt zusammenfallen. Darunter fallen Betriebsrenten, private Leibrenten, Beamtenpensionen, Renten aus Versorgungswerken der freien Berufe Wohngeld, Kapitaleinkünfte und Hinterbliebenenrenten. Häufig sind es gerade niedrige Renten, welche durch andere Leistungen, wie die der gesetzlichen Rentenversicherung ergänzt werden (Bäcker 2012, S. 66-67). Das trifft insbesondere bei Männern zu. Ab wann ein niedriges Haushaltseinkommen das Kriterium „Armut“ erfüllt ist abhängig von der Festlegung der Armutsschwelle. Die Armutsschwelle wird in der Regel bei 60 Prozent des Median-Einkommens festgesetzt. Die dabei betrachteten Nettoäquivalenzeinkommen werden unter Rückgriff auf die so genannte „neue OECD-Skala“ bestimmt (VDR 2004, S. 25). Dabei werden sowohl Anzahl als auch Bedarfe der im Haushalt lebenden Personen im Verhältnis zum gemeinsamen Einkommen berücksichtigt. Die erste erwachsene Person wird zu 100% mit in die Berechnung aufgenommen, während alle weiteren Haushaltsmitglieder ab 14 Jahren mit 50% berücksichtigt werden und Personen unter 14 Jahren mit 30% gewichtet werden.
Problematisch bei diesem Verfahren ist, dass ein so gefasster Armutsbegriff immer durch das gegenwärtige Wohlstandsniveau einer Gesellschaft geprägt ist, zwingend normative Urteile notwendig sind, um die Armutsschwelle zu benennen sowie dass sich Wertentscheidungen auch auf die Äquivalenzgewichte beziehen (Bäcker & Schmitz 2013, S. 28). So ergibt sich, dass die relative Einkommenslage von älteren Menschen, die in der Regel in Ein- oder Zweipersonenhaushalten leben, abhängig von der Höhe der Bedarfsgewichte von Kindern ist. Außerdem ist das Ausmaß der Betroffenheit von Einkommensarmut auch davon abhängig, ob alle Bevölkerungsgruppen sowie deren verfügbare Haushaltseinkommen repräsentativ erfasst werden und wie Einkommen definiert wird. Strittig bleibt außerdem, ob die Angewiesenheit auf Grundsicherungsleistungen Ausdruck von Armut oder von erfolgreich „bekämpfter“ Armut ist (Koplening 2009, S. 161). Wenn man das Sozialhilfeniveau und die Sozialhilfeleistungen als ausreichend ansieht, gilt die Armut bei diesem Personenkreis als bekämpft. Schätzt man das Sozialhilfeniveau als zu niedrig ein, sieht man Sozialhilfeempfänger als arm an. Auch gilt zu beachten, dass der Rechtanspruch auf Sozialhilfe durch restriktive Bedingungen eingeschränkt wird und viele Bedürftige somit davon abgehalten werden. Viele vertreten die Meinung das Sozialhilfeniveau wäre zu niedrig und Sozialhilfe würde noch keine Freiheit von Armut bedeuten, insbesondere in Hinblick auf die soziale Teilhabe.
Es wurde deutlich, dass bevor man sich der Frage widmen kann, ob und in welchem Ausmaß Altersarmut vorliegt, ist zu hinterfragen, welche Lage auch tatsächlich durch die jeweiligen statistischen Daten abgebildet wird (Schmitz 2012, S. 381). Abhängig von der Armutsdefinition, dem Messkonzept sowie den Erhebungsstandards können unter dem Schlagwort Altersarmut mehrere Versorgungslagen subsumiert werden. Dies gilt insbesondere für den internationalen Vergleich.
2.2 Zum Begriff der „älteren Frau“
Da die Beschäftigungssituation der älteren Frau eine zentrale Rolle bezüglich der Armutsbetroffenheit bei älteren Frauen spielt, wird im Folgenden versucht den Begriff „Älterer“ im Kontext der Arbeitswelt zu konkretisieren, wobei keine eindeutige Definition für „ältere Arbeitnehmer“ besteht (Höller 2009, S. 21). Dieser Begriff ist branchenspezifisch und die Angaben in der Literatur schwanken erheblich. So liegt die Schwelle in der IT-Branche bei unter 40 Jahren aufgrund der Annahme, dass das Wissen hier sehr schnell veraltet (Adenauer 2002, S. 4). Oftmals bestimmt das gesetzlich festgelegte Renteneintrittsalter, ab welchem Alter man als alt gilt. Bezüglich der Angaben zum Arbeitsmarkt und zur Arbeitslosigkeit, definiert die Bundesanstalt für Arbeit Arbeitnehmer ab dem 50. Lebensjahr als ältere Arbeitnehmer, aufgrund der Schwierigkeit der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt. In Stellenanzeigen liegt das gewünschte Alter meist bei unter 35 Jahren. Es scheint, dass vorrangig individuelle Faktoren, wie etwa die Qualifikation, die Gesundheit oder die Mobilität bedingen, wann man als „älterer“ Arbeitnehmer gilt (Adenauer 2002, S. 5). (Lehr 1987, S. 2-6) Inwiefern sich die „ältere Frau“ vom „älteren Arbeitnehmer“ unterscheidet ist wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt. Man geht allerdings davon aus, dass insbesondere für jene Berufe, die die sogenannte „weibliche Attraktivität“ hoch bewerten, die Frau im Berufsleben generell in einem früheren Lebensalter zu den „Älteren“ gehört. Hierdurch wären Frauen grundsätzlich stärker benachteiligt als Männer, da dieses Kriterium bei Männern kaum Anwendung findet. Das gesellschaftliche Bild des Alters ist weiblich, was wiederum vor allem durch die Medien propagiert wird und das Altern der Frau scheint hierdurch früher zu beginnen. Aber auch biologische Aspekte scheinen zu verursachen, dass die Frau früher altert als der Mann. Nach medizinisch-biologischen Kriterien gilt man spätestens mit dem Beginn des Klimakteriums als „ältere Frau“.
Das vorherrschende Bild der älteren Frau ist demnach nicht an einem bestimmten Alter festzumachen, sondern vielmehr gesellschaftlich sowie kulturell konstruiert und geprägt2. Bestehen in einem Unternehmen bereits Vorbehalte generell gegenüber der Frau am Arbeitsplatz, so sieht es noch problematischer für die ältere Frau aus (Naegele 1992, S: 34-35). Gleiches gilt, wenn bereits Vorbehalte generell gegenüber Älteren bestehen. Die Leistungsfähigkeit der älteren Frau wird meist eher angezweifelt als die des Mannes, wobei weder für den Mann, noch für die Frau ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Alter und Leistungsfähigkeit besteht, denn Altern ist inter- und intraindividuell.
Aufgrund des Nicht-Vorhandenseins einer eindeutigen Definition zur „älteren Frau“, möchte ich festhalten, dass die „ältere Frau“ in dieser Arbeit keinem spezifischen Alter zugeordnet ist.
3. Zur prekären Situation der älteren Frau
3.1. Derzeitige Altersarmut
Angesichts dem Umstand, dass es in der Literatur keine eindeutige Definition zu Armut gibt, weichen auch die empirischen Befunde nicht unerheblich voneinander ab (Bäcker & Schmitz 2013, S. 29-30). Trotz der einheitlichen Einkommensarmutsgrenze von 60% des Durchschnittseinkommens und identischen Äquivalenzskalen schwankt die Armutsbetroffenheit der Gesamtbevölkerung im Jahr 2009 zwischen 14% (Sozio-ökonomisches Panel (SOEP)) und 15,5% (EU-SILC). Die Differenzen sind noch beträchtlicher bei der Erfassung der Armut Älterer: 12,3% (Mikrozensus), 13,6% (SOEP) und 14,1% (EU-SILC). Übereinstimmend lässt sich jedoch festhalten, dass Einkommensarmut Älterer insgesamt durchaus ein Problem darstellt, wobei die Betroffenheit der Frauen stets größer ist als die der Männer. 2014 lag die Armutsgefährdungsquote der Gesamtbevölkerung bei 16,7% und die der Älteren mit 16,5%, wie auch in den vorangegangenen Jahren, immer noch darunter (BPB 2016). 2015 waren insgesamt 20,0% der Bevölkerung Deutschlands von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wie in Abbildung XX deutlich wird. (Statistisches Bundesamt 2016 Pressemitteilung). 21,1% der Frauen & 18,8% der Männer sowie 17,2% der über 65-jährigen (19,1% Frauen; 15,1% Männer) waren von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.
Abbildung 1: Anteile der Bevölkerung, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Abbildung übernommen aus Statistisches Bundesamt 2016 Pressemitteilung
Die Befunde ändern sich jedoch, betrachtet man die Inanspruchnahme der Grundsicherung im Alter als Kriterium der Einkommensarmut im Alter (Bäcker & Schmitz 2013, S. 31-32). Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben Personen, die aufgrund eines unzureichenden, unter dem Bedarfsniveau liegenden Alterseinkommens hilfebedürftig sind. Für das Jahr 2010 wurden rund 796.650 Bezieher von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gezählt. Seit 2003 sind die Zahlen kontinuierlich um knapp 75% gestiegen, insbesondere in den ersten Jahren nach der Einführung. Allerdings sind nur 51,7% der Bezieher von dieser Leistung 65 Jahre und älter. Wie aus Abbildung XX ersichtlich wird, brauchen Rentner seltener Grundsicherung als die Gesamtbevölkerung. So bezogen beispielsweise im Jahr 2011 9,2% der Gesamtbevölkerung Leistungen der Grundsicherung im Vergleich zu 2,7% der über 65-jährigen.
Tabelle 1: Empfänger von Grundsicherung von 2005-2012
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung nach DIW Köln 2014, S. 8
Im Juni 2016 waren es bereits rund 1.035.000 Personen die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom Staat erhielten, davon hatten 532.000 (51%) die Grenze zum Rentenalter erreicht bzw. überschritten und bezogen somit Grundsicherung im Alter (Statistisches Bundesamt 2016). Frauen benötigen im Rentenalter deutlich häufiger Unterstützung vom Staat als Männer. Im Juni 2016 waren rund 59% aller Personen, die Grundsicherung im Alter bezogen, Frauen. Die Grundsicherung nimmt eine Aufstockungsfunktion ein und Renten sowie weitere Einkommen werden vorrangig angerechnet, sodass in der Regel nicht der volle Bedarfssatz ausgezahlt wird. Betrachtet man die Gesamtbevölkerung, sind es insgesamt nur 2,5% der Bevölkerung über 65 Jahre (Männer 2%, Frauen 2,8%), die Grundsicherung beziehen. Somit wird deutlich, dass ein enormer Abstand zwischen Grundsicherungsempfängern und den aus der Einkommensverteilung errechneten Armutsquoten besteht (Butterwegge & Hansen 2012, S. 113). Drei zentrale Faktoren können für diese Differenz verantwortlich sein: Das Bedarfsniveau der Grundsicherung liegt unter der am durchschnittlichen Einkommen bemessenen relativen Armutsgrenze. Bei der Einkommensverteilung gemessenen Armutsbetroffenheit werden Vermögensbestände nicht berücksichtigt, wobei bei der Grundsicherung das Vermögen vorrangig eingesetzt wird. Drittens gibt es immer einen erheblichen Teil der Bezugsberechtigten von Grundsicherungsleistungen, die diese nicht in Anspruch nehmen. Hier besteht weiterhin erheblicher Forschungsbedarf.
Interessant bei der Frage welches Ausmaß Altersarmut annimmt ist auch eine genauere Betrachtung der Einkommenssituation der älteren Bevölkerung. In Deutschland liegt das Einkommen von Älteren nur leicht unter dem Durchschnitt, wie Abbildung 2 zeigt.
Abbildung 2: Relative Einkommensposition Ältere (ab 65 Jahre) in Europa 2009
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Abbildung übernommen aus Statistisches Bundesamt 2012
Im Jahr 2000 war fast ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands Rentenempfänger der gesetzlichen Rentenversicherung und damit ausschließlich von der Sicherheit der staatlichen Altersvorsorge abhängig (Harbrecht 2002, S. 1-2). Für das Jahr 2000 betrug die durchschnittliche Altersrente in den alten Bundesländern für Männer monatlich 973€ und für Frauen 443€. In den neuen Bundesländern waren es 1.038€ für Männer und 614€ für Frauen. Außerdem lagen fast ein Fünftel der Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrenten der Männer und rund zwei Drittel der Rentenbezüge der Frauen unterhalb des Sozialhilfeniveaus. Für das Jahr 2014 sind es knapp zwei Drittel der Alterseinkünfte, die ihren Ursprung in der gesetzlichen Rente haben (IDW Köln 2014, S. 12-14). Danach folgen andere Alterssicherungsleistungen mit 13% (z.B. Pensionen, sonstiges Einkommen aus Kapitalanlage oder Transferleistungen), die private Vorsorge mit 9%, die betriebliche Altersvorsorge mit 8%, sonstiges Einkommen mit 6% und weitere Transferleistungen mit 1%. Die Riester-Verträge sind zahlenmäßig von 1.400 im Jahr 2001 auf 15.791 für das Jahr 2013 gestiegen.
Bezüglich der Einkommenssituation der älteren Bevölkerung gilt zu beachten, dass in den höheren Altersgruppen immer mehr Frauen die Bezugsperson in den Haushalten sind und Frauen in der Mehrzahl in Einpersonenhaushalten leben, während in Zweipersonenhaushalten die Bezugsperson überwiegend männlich ist (Fachinger 2002, S. 48-50). Zusätzlich reduziert sich die Haushaltsgröße mit zunehmender Alterskategorie. Dies bedeutet, dass je älter die Bezugsperson ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es sich dabei um eine alleinstehende Frau handelt. Fachinger hat herausgefunden, dass für Westdeutschland, die verwitweten und geschiedenen Frauen grundsätzlich in allen Altersgruppen über durchschnittlich geringere Bruttoeinkommen verfügen als die Männer, egal ob ledig, verwitwet oder geschieden (ebd. 2002, S. 65). Am schwierigsten stellt sich die Einkommenssituation für geschiedene Frauen über 85 Jahren dar (ebd. 2002, S. 164). Des Weiteren gilt es zu beachten, dass der Eintritt der Pflegebedürftigkeit einen beträchtlichen Einfluss auf die finanziellen Ressourcen hat3. Auch Wagner et al. (2010, S. 305-308) haben herausgefunden, dass alte Frauen deutlich schlechter gestellt sind als die Männer derselben Altersgruppe. Die Männer unterscheiden sich innerhalb der Altersgruppen nicht wesentlich voneinander, während die sehr alten Frauen (85 Jahre und älter) eine signifikant niedrigere Wohlfahrtsposition aufzeigen als die 70- bis 84-jährigen Frauen. Hintergrund hierbei sind die Hinterbliebenenrenten. Am höchsten liegt das Armutsrisiko bei Geschiedenen und bei sehr alten Frauen. Frauen beziehen deutlich häufiger Sozialhilfe als Männer und es sind vor allem über 85-jährige, Personen in Heimen sowie Personen in Einpersonenhaushalten, die Sozialhilfe beziehen.
[...]
1 Aus Gründen der Vereinfachung und der besseren Lesetechnik wird die maskuline Schreibweise in dieser Arbeit herangezogen. Es sei jedoch ausdrücklich erwähnt, dass trotz dieser Formulierung dem Sinn nach beide Geschlechter einbezogen sind. Ausgenommen sind Zitate, in denen die geschlechtsspezifischen Formulierungen übernommen werden.
2 Vgl. Koplening 2009, S. 39-59; Lehr 1987, S 9-18
3 Vgl. Fachinger 2002, S. 166-182