In dieser Arbeit soll anhand der jeweiligen Wahlprogramme der Parteien CDU/CSU (Union), SPD, Die Linke, FDP, AfD und Bündnis 90/Die Grünen zur vergangenen Bundestagswahl 2017 erarbeitet werden, wie, ob und in welchem quantitativen Ausmaß die genannten Parteien den Kulturbegriff oder sich darauf beziehende Teilaspekte definieren und verwenden. Bevor dies geschieht, wird jedoch im Vorfeld eine Beschreibung des Kulturbegriffs vorgenommen, welche gleichzeitig als Maßstab und zur Orientierung für die folgenden Untersuchungen dienen soll. Letztendlich werden die Ergebnisse der Untersuchungen zusammengefasst, Positionen der einzelnen Parteien miteinander verglichen und womöglich Bewertungen vorgenommen.
Wie bereits oben erwähnt, wird sich bei der Untersuchung der jeweiligen Positionen ausschließlich der offiziellen Bundestagswahlprogramme bedient. Eine Untersuchung sämtlicher Publikationen dieser Parteien wäre unter den gegebenen Umständen ein nahezu aussichtloses Vorhaben. Nichtsdestotrotz hat das Format der Wahlprogramme den Vorteil, dass diese auf den selben zeitlichen Rahmen fixiert sind und mit einer vergleichbaren Zielsetzung formuliert wurden. Nämlich der, mit dem Wahlprogramm möglichst viele potenzielle Wähler zu erreichen. Die beiden genannten Vorteile bilden eine wertvolle Grundlage zum Vergleichen des vorhandenen Materials.
Im Zusammenhang mit der sogenannten "Flüchtlingskrise" waren in den letzten Jahren vielerorts Aussprüche wie "das Ende des christlichen Abendlandes" aus rechten und konservativen Kreisen oder auch das Bekenntnis der Alternative für Deutschland zur "deutschen Leitkultur" zu vernehmen. Auch rein subjektiv lässt sich eine vermehrte Verwendung des Kulturbegriffs wahrnehmen, was man sicherlich versuchen könnte, nachzuweisen. Dies soll jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein.
Gliederung
Einleitung
1. Allgemeines zum Kulturbegriff
2. Kulturbegriff bei den sechs Bundestagsparteien
2.1. Kulturbegriff bei der CDU/CSU
2.2. Kulturbegriff bei der SPD
2.3. Kulturb egriff bei der FDP
2.4. Kulturbegriff bei der AfD
2.5. Kulturbegriff bei Die Linke
2.6. Kulturbegriff bei Bündnis 90/Die Grünen
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
Einleitung
Im Zusammenhang mit der sogenannten „Flüchtlingskrise“ waren in den letzten Jahren vielerorts Aussprüche wie „das Ende des christlichen Abendlandes“ aus rechten und konservativen Kreisen oder auch das Bekenntnis der Alternative für Deutschland zur „deutschen Leitkultur“1 zu vernehmen. Auch rein subjektiv lässt sich eine vermehrte Verwendung des Kulturbegriffs wahrnehmen, was man sicherlich versuchen könnte, nachzuweisen. Dies soll jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein.
Vielmehr soll anhand der jeweiligen Wahlprogramme der Parteien CDU/CSU (Union)2, SPD, Die Linke, FDP, AfD und Bündnis 90/Die Grünen zur vergangenen Bundestagswahl 2017 erarbeitet werden, wie, ob und in welchem quantitativen Ausmaß die genannten Parteien den Kulturbegriff oder sich darauf beziehende Teilaspekte definieren und verwenden. Bevor dies geschieht, wird jedoch im Vorfeld eine Beschreibung des Kulturbegriffs vorgenommen, welche gleichzeitig als Maßstab und zur Orientierung für die folgenden Untersuchungen dienen soll. Letztendlich werden die Ergebnisse der Untersuchungen zusammengefasst, Positionen der einzelnen Parteien miteinander verglichen und womöglich Bewertungen vorgenommen.
Wie bereits oben erwähnt, wird sich bei der Untersuchung der jeweiligen Positionen ausschließlich der offiziellen Bundestagswahlprogramme bedient. Eine Untersuchung sämtlicher Publikationen dieser Parteien wäre unter den gegebenen Umständen ein nahezu aussichtloses Vorhaben. Nichtsdestotrotz hat das Format der Wahlprogramme den Vorteil, dass diese auf den selben zeitlichen Rahmen fixiert sind und mit einer vergleichbaren Zielsetzung formuliert wurden. Nämlich der, mit dem Wahlprogramm möglichst viele potenzielle Wähler zu erreichen. Die beiden genannten Vorteile bilden eine wertvolle Grundlage zum Vergleichen des vorhandenen Materials.
1. Allgemeines zum Kulturbegriff
Definitionen und Beschreibungen des Kulturbegriffs ließen sich aller Wahrscheinlichkeit nach wie Sand am Meer anhäufen, was jedoch nicht sachdienlich für diese Arbeit wäre.
Zunächst einmal lässt sich festhalten, wie in zahlreichen Schriften und sonstigen Arbeiten bereits erwähnt, dass der Terminus Kultur im deutschen Sprachraum seit dem 17. Jahrhundert belegt ist und von lat. cultura ,Pflege (des Körpers und des Geistes), Ackerbau, Landwirtschaft übernommen wurde, welches wiederum eine partizipiale Ableitung des lateinischen Verbs colere ,pflegen, bebauen, verehren, (be-)wohnen‘ ist.3 Lateinisch colere hat seinen Ursprung im indogermanischen Verb mit der Wurzel *kwelhi- ,sich umdrehen, sich (zu-)wenden‘ und wurde in zahlreichen Einzelsprachen in verschiedensten Formen fortgesetzt.4 Es handelt sich nun im ursprünglichen Sinne um etwas, dem man sich widmet, dem man seine Aufmerksamkeit schenkt, sei es der Körperpflege oder der Pflege des Geistes, sei es dem Bestellen des Ackers oder eben auch die Verehrung eines Gegenstandes, einer Göttlichkeit oder eines bestimmten geistigen Konzepts. Die Grundbedeutung aber bleibt bei all den genannten Beschreibungen dieselbe.
Um sich nun der heutigen, geltenden Bedeutung von Kultur zu nähern, ist ein Blick in die einschlägige Literatur zu empfehlen. Klaus P. Hansen beispielsweise versteht unter Kultur, „Standardisierungen, die in Kollektiven gelten“5 oder auch „überindividuelles Gleichverhalten.“6 Wie groß diese Kollektive auch immer sein mögen, spielt dabei keine Rolle, entscheidend ist, „dass die Ebene des Individuellen verlassen und die des Anthropologischen nicht erreicht wird.“7 Standardisierungen etwa im Bereich der Sprache ließen sich auf verschiedenste Gruppengrößen projizieren. Diese können in minimalsten Fällen auf Gruppengrößen von wenigen Dutzend Menschen reduziert werden, zum Beispiel bei einigen indigenen Völkern Süd- und Nordamerikas, Afrikas, Sibiriens oder Südostasiens. Andererseits kann die Gruppengröße auch mehrere Millionen in Form ganzer Staaten oder Regionen ausmachen. Standardisierungen identifiziert Hansen mit „Gleichverhalten“ oder „Gewohnheiten“, allerdings in einem absolut wertfreien, neutralen Sinne.8 Darüber hinaus verweist Hansen auf die „Art der Gegenständlichkeit kollektiver Gewohnheiten“, welche sowohl materielle als auch geistige Formen annehmen können.9
2. Kulturbegriff bei den sechs Bundestagsparteien
2.1. Kulturbegriff bei der CDU/CSU
0,19% aller Wörter im Wahlprogramm der Unionsparteien beinhalten den Bestandteil „Kultur“.
Hierbei ist zunächst der recht häufige Gebrauch (sechs Mal) dieses Bestandteils als Determinata in Determinativkomposita, wie „neue Gesetzgebungs- und Verwaltungskultur“,10 auffällig. Bei dieser Art von Verwendung lässt sich recht unkompliziert eine Verbindung zur oben genannten Definition herstellen. Eine „neue Gesetzgebungs- und Verwaltungskultur“ wäre demnach nichts anderes als neue Standardisierungen oder Gewohnheiten, die in den genannten Bereichen umgesetzt werden sollen.
Im Kapitel „Wohlstand und Lebensqualität“ findet sich auf den Seiten 44-46 ein eigener Abschnitt mit dem Titel „Kultur und Medien“ wieder. Es ist hier nun zuerst die Rede von einem Deutschland, das eine „weltoffene, in europäischer Tradition verankerte Kulturnation“ sei. Aber was ist eigentlich eine Kulturnation? Nach Wolfgang Welsch ist dies eine „Blutgemeinschaft soft“, so ist nun eine Nation nicht länger durch eine gemeinsame Abstammung, sondern vielmehr durch dieselbe Kultur gekennzeichnet,11 also etwa durch gemeinsame Nenner wie Sprache und Tradition. Im Weiteren heißt es bei der CDU/CSU, dass diese Kulturnation auf den „Grundpfeilern“ der „Kultur und Kunst“ stehe.12
Außerdem gibt die CDU/CSU an, dass „die Aufarbeitung der NS-Diktatur und ihrer Verbrechen“ und „die Erinnerung an erlittenes Unrecht“ zum „historischen Gedächtnis“ Deutschlands gehören und „die Erinnerung“ daher „eine immerwährende Aufgabe“ bleiben werden.13 Der von der CDU/CSU verwendete Begriff des „historischen Gedächtnisses“ ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem von Jan Assmann beschriebenen „Kollektiven Gedächtnis“, welches einerseits in das alltagsnahe, kommunikative Gedächtnis und andererseits in das alltagsferne, kulturelle Gedächtnis aufgeteilt werden kann,14 gleichzusetzen.
Darüber hinaus wird aber auch von der „Aufarbeitung des SED-Unrechts“ gesprochen, was nun ebenfalls dem kollektiven Gedächtnis Deutschlands zugeordnet werden kann.15
Auf den Seiten 70-71 ist mehrfach die Rede von „Leitkultur“ oder „unserer Leitkultur“. Was genau dies in den CDU/CSU sei, bleibt jedoch unklar. Jedenfalls hat es dem Anschein nach etwas mit der deutschen Sprache, mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau, mit der Vermittlung unserer Geschichte und, was in besonderem Maße betont wird, mit dem Ehrenamt zu tun.16 Als eine Art Gegensatz zu der Leitkultur werden die Begriffe „Parallelgesellschaften“ und „Multi-Kulti“, welche es zu „verhindern“ gelte, genannt.17 Der Begriff „Multi-Kulti“ ist an dieser Stelle offensichtlich als negativ konnotiertes Kurzwort für multikulturell oder Multikulturalität zu verstehen.
Außerdem sei „unsere Kultur eng mit den christlichen Kirchen verbunden“.18
2.2. Kulturbegriff bei der SPD
0,21% aller Wörter im Wahlprogramm der SPD beinhalten den Bestandteil „Kultur“.
Eine spezielle sprachliche Verwendung des Kulturbegriffs wie beispielsweise in Determinativkomposita fällt zunächst einmal nicht auf. Es liegt eine sehr vielseitige Verwendung vor. So etwa die Verwendung des Begriffs „Kultur“ zusammen mit dem Begriff „Kunst“, die an insgesamt sieben Stellen vorkommt.19
In Bezug auf die Fähigkeiten der Polizei und Justiz treten die Sozialdemokraten für eine Stärkung von „digitalen und interkulturellen Kompetenzen“ ein.20 Was digitale Kompetenzen sind, beziehungsweise wie man eine Grundlage für deren Stärkung erzeugen will, wird zumindest im Ansatz angedeutet. Offen bleibt jedoch, was es mit den interkulturellen Kompetenzen auf sich hat. Nach Hansen sind dies vor allem der „Fremdsprachenerwerb“, „Umgangsformen“ und ganz allgemein „Handlungen, die als höflich gelten“, welche aber „nicht nur in einem einzigen Dachkollektiv [...] gelten“ müssen.21 Bei Thomas finden sich weitere Kompetenzen wie zum Beispiel „die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit fremden kulturellen Orientierungssystemen“ als allgemeine Grundvoraussetzung.22
Das Wahlprogramm der SPD verfügt auf den Seiten 88-91 ebenfalls über einen eigenen Anschnitt mit dem Titel „Kulturpolitik“, der sich der Kultur widmet. In diesem Abschnitt wird recht deutlich, welches Verständnis von Kultur die SPD besitzt: „Klassische Orchester gehören dazu, genauso wie Laienchöre, Rock- und Popmusik, die elektronische Musik, Museen, soziokulturelle Zentren, Theater, Kinos und Literatur und die Spielebranche.“23 Des Weiteren setzt sich die SPD in diesem Zusammenhang für eine bessere finanzielle Unterstützung sogenannter „Kulturschaffender“ ein.24 Als „Kulturschaffende“ werden von der SPD dem Anschein nach solche Personen bezeichnet, die als „Produzenten“ in den oben genannten Bereichen (Klassische Orchester etc.) tätig sind.
Der nächste Abschnitt auf den Seiten 91-92 widmet sich explizit der „Erinnerungskultur“. Der zentrale Inhalt dieses Abschnitts befasst sich mit dem „Gedenken an die NS- Terrorherrschaft“, deren Aufarbeitung sowie deren Aufrechterhaltung in Gedächtnissen der Bürger, aber auch das Gedenken an das „SED-Unrecht“. Die Bezeichnung „Erinnerungskultur“ geht aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Begriff des „kollektiven Gedächtnisses“ einher.
Außerdem halten die Sozialdemokraten „die noch immer gebräuchliche Unterscheidung zwischen Hoch- und Subkultur [...] für [...] veraltet und irreführend.“25 Was genau darunter zu verstehen ist, wird ebenfalls nicht klar. Gemeint ist eventuell der Unterschied, um es an einem Beispiel zu verdeutlichen, zwischen Operngängern (Hochkultur?) und Punkrockfans (Subkultur?). Zur Begründung für diese Haltung heißt es: „Für uns gibt es nur Kultur!“.26
2.3. Kulturbegriff bei der FDP
0,11% aller Wörter im Wahlprogramm der FDP beinhalten den Bestandteil „Kultur“.
Ebenfalls lässt sich bei den freien Demokraten auf den Seiten 51-53 ein eigener Abschnitt zur Thematik Kultur mit dem Titel „Kultur gibt Wurzeln und Zukunft zugleich“ finden. Einige zentrale Punkte dieses Abschnitts sind etwa die „Auswärtige Kulturpolitik“, die „Aufarbeitung der deutschen Diktaturen“, aber auch Themen wie der „Schutz von Minderheiten- und Regional sprachen“ als Bestandteil der „freiheitlichen Kultur“. Wichtige „Mittlerorganisationen“ im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik seien hier das GoetheInstitut, das Institut für Auslandsbeziehung sowie die Deutsche Welle, welche es allesamt zu fördern gelte. Die „Aufarbeitung der deutschen Diktaturen“ fällt freilich unter den Aspekt des „kulturellen Gedächtnisses“. Der „Schutz der Minderheiten- und Regionalsprachen“ ist für die FDP ein wichtiger Faktor um „die Vielfalt und die Freiheit des Kulturlebens in Deutschland [zu] sichern“. Bezogen wird sich an dieser Stelle auf die rechtliche Grundlage der vom Europarat initiierten EU-Sprachencharta.
[...]
1 Vgl. AfD, 2017: 47.
2 Auch wenn die Bundestagsfraktion der CDU und CSU faktisch zwei Parteien sind, werden sie in der vorliegenden Arbeit behandelt, als wäre es eine Partei. Auch aus dem einfachen Grund, dass sie ein gemeinsames Wahlprogramm aufweisen und wie bereits erwähnt als eine Fraktion auftreten.
3 Vgl. Kluge/Seebold, 1999: 492.
4 Vgl. Rix, 2001: 386.
5 Hansen, 2011: 31.
6 Hansen, 2011: 224.
7 Hansen, 2011: 30.
8 Vgl. Hansen, 2011: 29-30.
9 Vgl. Hansen, 2011: 225.
10 Vgl. CDU/CSU, 2017: 18.
11 Vgl. Welsch, 2011b: 308.
12 Vgl. CDU/CSU, 2017: 44.
13 Vgl. CDU/CSU, 2017: 45.
14 Vgl. Assmann, 1988: 9-12.
15 Vgl. CDU/CSU, 2017: 45. 4
16 Vgl. CDU/CSU, 2017: 70-71.
17 Vgl. CDU/CSU, 2017: 70.
18 Vgl. CDU/CSU, 2017: 73.
19 Vgl. SPD, 2017: 7, 88, 89, 90.
20 Vgl. SPD, 2017: 69.
21 Vgl. Hansen, 2011: 186.
22 Vgl. Thomas, 2011: 310.
23 Vgl. SPD, 2017: 89.
24 Vgl. ebenda.
25 SPD, 2017: 90.
26 Vgl. ebenda.