Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, worauf unser heutiges Arbeitsverständnis eigentlich gegründet ist und wann konkrete Entwicklungen begannen, die die Grundlage für dieses bilden. Hierfür wird mithilfe des Briefromans "Die Leiden des jungen Werther" von Johann Wolfgang von Goethe ein Blick in das 18. Jahrhundert geworfen. Zu Beginn soll dafür auf das Thema Arbeit in Goethes "Werther" eingegangen werden.
Zunächst erfolgt die Betrachtungsweise von Arbeit am Fürstenhof, die sich in Werthers Arbeit und die Arbeit innerhalb seines Umfeldes differenzieren lässt. Die Gegenüberstellung soll dazu dienen unterschiedliche Auffassungen von Arbeit zu explizieren. Anschließend wird die Arbeit Werthers als Literat und Künstler betrachtet, die in einem starken Kontrast zu der Arbeit am Fürstenhof steht und bei der fraglich ist, ob sie in das damalige Verständnis von Arbeit hineinpasst. Aus diesem Grund soll im danach folgenden Kapitel näher auf die Epoche des Sturm und Drangs eingegangen werden, die als mögliche Grundlage für den Kreativitätsimperativ im 21. Jahrhundert fungiert und Werther so im Ausblick als möglichen Fortschrittsdenker seiner Zeit hervorhebt.
Gerade in Zeiten von Covid-19 macht sich bemerkbar, dass Arbeit, in Form eines Berufs, einen großen Stellenwert in unserer Gesellschaft in Deutschland einnimmt und ihre Ausübung durch die aktuellen Ereignisse und den Shutdown der Wirtschaft zunehmend erschwert wird. Einigen BürgerInnen ist es nicht mehr möglich ihren Beruf auszuüben, andere sind auf Technologisierung und kreative Lösungen ihrer Vorgesetzten angewiesen, um weiterarbeiten zu können, auch wenn dies nicht am üblichen Arbeitsplatz geschieht. Geld, Beförderungen und beruflicher Aufstieg scheinen momentan nebengeordnet zu sein. Das Verständnis von Arbeit befindet sich daher in einem Wandel.
Im 18. Jahrhundert sorgte die Globalisierung für eine umfassende Revolution des Arbeitsverständnisses. Arbeit diene zur damaligen Zeit in erster Linie zur Selbsterhaltung und zur Mehrung von Reichtum, aber auch als menschliche Verstandesleistung, ganz im Sinne der Aufklärung, die Arbeit als einen Akt menschlicher Selbstverwirklichung durch die Anwendung rationalen Denkens verstehe. Arbeit ermögliche es den Menschen über das eigene Leben, ihre Freiheit und ihr Vermögen zu bestimmen und verleihe den Dingen, die man sich durch eigene Aktivität ermöglichen konnte, an Wert, was im Umkehrschluss allerdings zum Konsumverhalten antreibe.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Arbeit in Goethes Werther
1. Arbeit am Fürstenhof
a) Werthers Arbeit
b) Arbeit seines Umfeldes
2. Werther als Literat und Künstler
III. Sturm und Drang und das Kreativitätsdispositiv
IV. Ausblick
I. Einleitung
Gerade in Zeiten von COVID19 macht1 sich bemerkbar, dass Arbeit, in Form eines Berufs, einen großen Stellenwert in unserer Gesellschaft in Deutschland einnimmt und ihre Ausübung durch die aktuellen Ereignisse und den Shutdown der Wirtschaft zunehmend erschwert wird. Einigen BürgerInnen ist es nicht mehr möglich ihren Beruf auszuüben, andere sind auf Technologisierung und kreative Lösungen ihrer Vorgesetzten angewiesen, um weiterarbeiten zu können, auch wenn dies nicht am üblichen Arbeitsplatz geschieht. Geld, Beförderungen und beruflicher Aufstieg scheinen momentan nebengeordnet zu sein. Das Verständnis von Arbeit befindet sich daher in einem Wandel. Aber worauf gründet unser heutiges Arbeitsverständnis eigentlich und wann begann die konkrete Entwicklung, die die Grundlage dafür ist? Für die Beantwortung dieser Fragen soll ein Blick in das 18. Jahrhundert dienen, in der die Globalisierung für eine umfassende Revolution des Arbeitsverständnisses sorgt.2 Arbeit diene zur damaligen Zeit in erster Linie zur Selbsterhaltung und zur Mehrung von Reichtum3, aber auch als menschliche Verstandesleistung4, ganz im Sinne der Aufklärung, die Arbeit als einen „Akt menschlicher Selbstverwirklichung“5 durch die Anwendung rationalen Denkens verstehe. Arbeit ermögliche es den Menschen über das eigene Leben, ihre Freiheit und ihr Vermögen zu bestimmen und verleihe den Dingen, die man sich durch eigene Aktivität ermöglichen konnte, an Wert,6 was im Umkehrschluss allerdings zum Konsumverhalten antreibe.7 Die Menschen gingen dementsprechend auch arbeiten, um ihr Konsumverlangen zu stillen. Mit der Aufwertung von Arbeit im 18. Jahrhundert geht jedoch auch eine Abwertung anderer, zuvor als wichtig erachteten, Aspekte im Leben der Menschen einher. Der Natur wird keine Eigenaktivität mehr zugeschrieben8, was so viel bedeutet, dass der Mensch für Veränderungen in der Natur verantwortlich gemacht wird. Außerdem werden alternative Lebensentwürfe, die nicht von dem damaligen Verständnis von Arbeit im Sinne der Globalisierung bestimmt sind, degradiert9 und nicht als produktive Arbeit betrachtet. Um das Arbeitsverständnis der damaligen Zeit an einem literarischen Beispiel zu veranschaulichen, wird für diese Hausarbeit der Briefroman Die Leiden des jungen Werther10 von Johann Wolfgang von Goethe verwendet. Zu Beginn soll dafür auf das Thema Arbeit in Goethes Werther eingegangen werden. Zunächst erfolgt die Betrachtungsweise von Arbeit am Fürstenhof, die sich in Werthers Arbeit und die Arbeit innerhalb seines Umfeldes differenzieren lässt. Die Gegenüberstellung soll dazu dienen unterschiedliche Auffassungen von Arbeit zu explizieren. Anschließend wird die Arbeit Werthers als Literat und Künstler betrachtet, die in einem starken Kontrast zu der Arbeit am Fürstenhof steht und bei der fraglich ist, ob sie in das damalige Verständnis von Arbeit hineinpasst. Aus diesem Grund soll im danach folgenden Kapitel näher auf die Epoche des Sturm und Drangs eingegangen werden, die als mögliche Grundlage für den Kreativitätsimperativ im 21. Jahrhundert fungiert und Werther so im Ausblick als möglichen Fortschrittsdenker seiner Zeit hervorhebt.
II. Arbeit in Goethes Werther
In dem Briefroman von Goethe werden verschiedene Aktivitäten ersichtlich, die als Arbeit bezeichnet werden können. Von Werther wird dabei besonders Hausarbeit hervorgehoben, die zur damaligen Zeit fast ausschließlich von Frauen ausgeübt worden ist und zu der die Kindererziehung, Kochen, Putzen, Wäschemachen und Handarbeit zählte und die er bei Lotte außerordentlich bewundert (vgl. GW S. 45). Jedoch sollen sich die Abschnitte 1. und 2. näher mit der Arbeit Werthers und der Arbeit seines unmittelbaren Umfeldes am Fürstenhof befassen, welche, wie sich zeigen wird, als ambivalente Auffassungen von Arbeit zu verstehen sind, sich aber zum Teil an das Arbeitsverständnis des 18. Jahrhunderts anlehnen und aus diesem Grund besonders interessant scheinen. Im Anschluss daran wird Werthers Aktivität zu der Zeit betrachtet, in der er nicht am Fürstenhof angestellt ist und näher darauf eingegangen, in welcher Form er arbeitet, auch wenn diese nicht unbedingt in das frühere Verständnis von Arbeit hineinpasst.
1. Arbeit am Fürstenhof
Zur Arbeit am Fürstenhof gelangt Werther, weil er zuvor den Entschluss gefasst hat, Wahlheim, wegen seiner unerwiderten Liebe zu Lotte und aus Rücksicht auf Albert, ihrem Verlobten, verlassen zu müssen (vgl. GW S. 56) und auf Anraten seiner Mutter und seines Freundes Wilhelm sich in den Dienst eines Gesandten zu begeben (vgl. GW S. 40), um sich abzulenken (vgl. GW S. 61). Dort trifft er auf unterschiedliche Charaktere, die seinen Auffassungen widersprechen (vgl. GW S. 62).
a) Werthers Arbeit
Werther gewöhne sich in seiner Arbeit am Fürstenhof „[...] leidlich [...]“ (GW S. 62) ein. Dadurch, dass es „[...] zu tun genug gibt [. ]“ (vgl. ebd.), er also mit vielen Aufgaben, die ihn auf seiner Arbeit beschäftigen, betraut worden ist, verdrängt er die Tatsache, weshalb er Wahlheim überhaupt verlassen hat. Er merkt, dass man auch mit mäßigem Einsatz viel erledigen könne, nicht immer voll bei der Sache sein müsse und dennoch bessere Ergebnisse als andere erzielen könne, die einem selbst ein gutes Gefühl geben (vgl. ebd.). Deshalb „[...] arbeite [er] gern leicht weg, und wie es steht, so steht es [...]“ (vgl. ebd.). Demgemäß ist er der Meinung, seine Arbeit bedürfe weder einer Korrektur, Perfektion noch viel Mühe und Sorgfalt, was darauf schließen lässt, dass er sie eher lustlos vollzieht, denn „[...] der Sauerteig, der [sein] Leben in Bewegung setzt, fehlt“ (GW S. 66). Dennoch schafft er es nicht seine künstlerische Art und Sinnlichkeit vollständig zu unterdrücken (vgl. GW S. 63), da man in seinen Schriften, die er für den Gesandten verfassen muss, oft Individualität durch beispielsweise Inversionen erkennen kann, und weswegen er auch regelmäßig Probleme mit seinem Gesandten auszutragen habe (vgl. ebd.). Sein Vorgesetzter ruft oftmals ein Gefühl der Unlust und Unzufriedenheit hervor, weil Werther unter anderem wegen der Akribie, mit welcher der Gesandte arbeitet und die er auch von seinen Angestellten erwartet, „[...] des Teufels werden [möchte]" (ebd.). Dies steht im Widerspruch zu Werthers Art schlampig zu arbeiten. „Das ist ein Leiden mit so einem Menschen zu tun zu haben" (ebd.) und „die Leute erschweren es sich und anderen" (ebd.) verdeutlicht zudem Werthers Unzufriedenheit und dass er der Meinung ist, dass Arbeit unabhängig von anderen Personen besser ist und die Abhängigkeitsverhältnisse sogar „[...] töricht[...]" (vgl. GW S. 64) seien, weil man dabei Rücksicht auf andere nehmen müsse. Demnach lässt sich feststellen, dass Werther für Arbeit im klassischen Sinne nicht geschaffen ist, was er auch selbst von sich behauptet „[...] weil [er] so viel mit [sich] selbst zu tun [hat] und dieses Herz zu stürmisch ist [...]", weil sein Egozentrismus ihm dabei im Wege steht. Am liebsten wäre es ihm, „[...] wenn sie [ihn] auch nur könnten gehen lassen" (ebd.) so wie er „gern die andern ihres Pfades gehen [lässt]" (ebd.). In einem Betrieb ist dies aber unrealistisch, denn dort sollten alle an einem Strang ziehen, gerade weil die Arbeit aufgeteilt wird und sie voneinander abhängig sind. Werther ist nicht in der Lage dies zu erkennen, weshalb er die Arbeit, die er für den Gesandten tätigt, als nutzlos empfindet und sogar einen Vergleich zu Sklavenarbeit auf einem Schiff zieht, auf dem er angeblich lieber für 10 Jahre wäre, als weiterhin am Fürstenhof zu arbeiten (vgl. ebd.). Dafür müssen aber durchaus auch Positionen im Betrieb ernst genommen werden müssen, womit Werther sich schwertut (vgl. GW S. 63). Er streitet oft mit seinem Gesandten und nimmt die Höherstellung dessen nicht ernst und behauptet sogar sich nicht von ihm nicht einschüchtern lassen zu wollen, obwohl er bei Diskussionen immer weiter diskutiert (vgl. ebd.), er sich also angegriffen fühlt, weshalb er sich rechtfertigen und verteidigen will. Werther ist nicht klar, dass er damit seine Arbeit am Fürstenhof gefährdet und sich zurücknehmen muss, weshalb er sogar von einem Minister einen Verweis bekommt (vgl. GW S. 67). Andere sagen über ihn bei seiner Arbeit, dass er „[...] zu so Weltgeschäften [ganz gut] sei [...], [es ihm] doch an gründlicher Gelehrsamkeit mangle [...]" (GW S. 63), bestätigen also auch, dass Werther nicht in den Betrieb hineinpasst. Mit der Zeit wird es immer unerträglicher für Werther, weil er die Arbeit als elendig und langweilig empfindet und sogar Vergleiche zur Prostitution zieht (vgl. GW S. 64), weil diese nicht viel besser als seine momentane Aktivität sei, oder aber als Käfig (vgl. GW S. 67), in dem er gefangen sei, weil die Arbeit seine Sinne austrockne (vgl. GW S. 66) und aus dem er es nicht schaffe auszubrechen. Er fühle sich wie ein Darsteller in einem Schauspiel oder als Marionette in einem Puppentheater (vgl. ebd), was verdeutlicht wie unlebenswert für Werther ein Leben ist, das von Arbeit bestimmt wird. Aus diesem Grund verachte er die Arbeiter und sieht ihr Leben als verschwendet an, weil sie die wichtigen Dinge des Lebens seiner Meinung nach übersehen (vgl. GW S. 65). Der einzige Ausweg aus seiner misslichen Lage, durch die Betäubung seiner Sinne, den Stress, den er auf der Arbeit erlebt (vgl. GW S. 71), dem Widerspruch zur Art und Weise zu arbeiten seines Umfeldes und den Problemen mit seinem Gesandten, sieht Werther darin, zu kündigen (vgl. GW S. 67). Selbst sein Unterbewusstsein widerstrebe die Arbeit, worauf er schließt, weil er nachts mit den Zähnen knirsche (vgl. GW S. 68). Hinzu kommt, dass er von Selbstmordgedanken, seit er am Fürstenhof arbeitet, geplagt wird, die ihm als Möglichkeit für den Ausbruch aus dem Käfig erscheinen, um zu „[...] ewige[r] Freiheit [...]" (GW S. 72) zu gelangen. Von seinem Entschluss seine Arbeit am Fürstenhof zu kündigen und sein neues Leben ohne Lotte loszulassen will er unter keinen Umständen abgehalten werden, weshalb er sich weder bei seiner Mutter, noch bei seinem Freund Wilhelm per Brief meldet (vgl. GW S. 73). Werther setzt seinem Hass auf und seiner Unzufriedenheit mit seiner Arbeit demnach selbst ein Ende und befreit sich aus der misslichen Lage, die seine Sinnlichkeit unterdrückt. Ihm scheint es nicht möglich zu sein ohne diese zu leben, obwohl ihm das im Umkehrschluss ein gewöhnliches Leben, wie es die meisten anderen Menschen führen, verwehrt, deren Leben sich die meiste Zeit um Arbeit und damit verbunden gesellschaftlichen Aufstieg dreht.
b) Arbeit seines Umfeldes
In Werthers unmittelbarem Umfeld am Fürstenhof befinden sich sein Gesandter, der Graf C... und die Arbeiter des Ortes, in dem er sich zu diesem Zeitpunkt aufhält und auf dessen Arbeitsweisen näher eingegangen werden soll.
Werther beschreibt die Menschen in seinem Umfeld als selbstsicher und -zufrieden, obwohl sie nur mit wenig Kraft und Talent ausgestattet seien (vgl. GW S. 61). Sie verfallen in einen Alltagstrott und arbeiten einfach nur fort, wobei sie sich viel Mühe machen und stets sorgfältig dabei seien (vgl. GW S. 61f.). Ihr oberstes erstrebenswertestes Ziel sei es in der Ständegesellschaft aufzusteigen (vgl. GW S. 64), weshalb sie dafür viel täten, sei es durch ehrliche Arbeit oder Manipulation, indem sie sich bei ihrem gesellschaftlichen Aufstieg nicht um andere scheren, diese gegeneinander ausspielen oder hinterlistig ausnutzen (vgl. GW S. 65). Ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis und nicht lediglich für sich selbst arbeiten zu müssen, empfänden sie dabei nicht als lästig (vgl. GW S. 64). Ebenso der Graf, der in einem Gespräch mit Werther sagt, dass man das Beste aus jeder Situation, egal, was komme, machen müsse (vgl. GW S. 63) und die Abhängigkeit von den Menschen, die für ihn arbeiten nicht als schlecht empfinde, auch wenn er, nach seiner Aussage zu urteilen, nicht immer zufrieden mit der Arbeit dieser sei (vgl. ebd.). Auch wenn dies Werthers Auffassungen widerstrebt, empfindet er den Grafen nichtsdestotrotz als eine Person mit guten Eigenschaften, weil er „niemanden gekannt, dem es so geglückt wäre, seinen Geist zu erweitern, in über unzählige Gegenstände zu verbreiten und doch diese Tätigkeit fürs gemeine Leben zu behalten" (GW S. 63), also trotzdem für und mit dem Volke zusammenarbeitet, auch wenn er vermutlich andere Möglichkeiten hätte an Geld zu gelangen und gleichzeitig jedoch ein sinnlicher Mensch sei. Ganz im Gegensatz zum Gesandten, der sich ganz und gar von Werthers Auffassungen von Arbeit unterscheidet und die Arbeitsweise Werthers als außerordentlich umständlich empfinde (vgl. GW S. 63), denn „[k]ein Und, kein Bindewörtchen darf außenbleiben, und von allen Inversionen, die mir manchmal entfahren, ist er ein Todfeind; wenn man seinen Period nicht nach der hergebrachten Melodie heraborgelt, so versteht er gar nichts drin" (GW S. 63) und Werther all diese Fehler, in den Augen des Gesandten, mache. Demnach ist dieser sehr akribisch, man könnte sogar sagen perfektionistisch, in der Ausführung seiner Arbeit und erwartet dies auch von seinen Angestellten, hier Werther. Dafür spricht auch die Pünktlichkeit, die er bei der Arbeit an den Tag lege (vgl. GW S. 62). Seine Zuarbeiter behandle er ungerecht, weswegen Werther ihn alles in allem als „[...] unerträglich [...]" (GW S. 67) beschreibt, weil er seine Position stets klar ausdrücke, auf seine Stellung aufmerksam mache und Werther versuche vor dem Grafen schlecht zu machen (vgl. GW S. 63). Der Gesandte könnte sich so verhalten, weil er Werther als Konkurrenten sieht, da der Graf Sympathie für Werther hegt und um seine Stellung befürchtet, denn selbst der Graf sagt über ihn, dass er „[...] unzufrieden [...] mit der Langsamkeit und Bedenklichkeit [...]“ (GW S. 63) des Gesandten sei. Vielleicht spürt der Gesandte diese Unzufriedenheit und will Werther deswegen besonders schlecht vor dem Grafen dastehen lassen, um von sich selbst abzulenken. Das würde auch zur allgemeinen Arbeitsauffassung der Menschen passen, die Werther für sich festgestellt hat, denn auch der Gesandte schreckt vor Manipulation nicht zurück und seine Position hat einen sehr hohen Stellenwert für ihn.
2. Werther als Literat und Künstler
Obwohl sich Werther selbst nicht als Literat bezeichnet, kann dennoch von ihm als Schriftsteller, besonders nach heutigem Verständnis, in Anbetracht, der im 21. Jahrhundert erschienen Literatur,11 gesprochen werden, denn der Briefroman, der entsprechend des Namens hauptsächlich aus Briefen, von Werther an seinen Freund Wilhelm, besteht, kann als ein literarisches Werk Werthers angesehen werden, das er, durch die Aneinanderreihung dieser, unbewusst verfasst und eine Erzählung seines Lebens ab seiner Zeit in Wahlheim bis zu seinem Tod umfasst. Äußerst rudimentär zusammengefasst berichtet Werther in seinen Briefen von seinen Erlebnissen, die sich kurze Zeit vor ihrer Niederschrift ereignet haben. Diese befassen sich mit den verschiedensten Themengebieten, wie Menschen im Allgemeinen und damit verbunden ihren Verhaltensweisen, Natur, Gefühle, die Werther verspürt, Reflektionen über das Erlebte und das eigene Leben, aber auch Gleichnisse. Seine Briefe sind, abgesehen vom Inhalt, stilistisch gesehen von auffallend vielen rhetorischen Figuren geprägt, auf die im Folgenden lediglich selektiv eingegangen werden soll.
Vor allem sind Werthers Briefe von Inversionen, was ihm selbst auch auffällt (vgl. GW S. 63), und Katachresen geprägt. Bei „[...] Fragst du das und bist doch auch der Gelehrten einer.“ (GW S. 19) handelt es sich um eine Inversion, die verstärken soll, dass es sich bei seinem Freund Wilhelm um einen gebildeten Menschen handle. Inversionen dienen zumeist dazu das Ausgedrückte zu verstärken, was wiederum zu Werther als Person passt, denn die Intensivierung von Dingen, ganz besonders von Gefühlen (vgl. GW S. 29) liegt ganz in seinem Sinne. Bei „[. ] einen T ropfen Linderung [. ]“ (GW S. 34) handelt es sich um eine Katachrese, die sich aufgrund von Werthers Sinnlichkeit erklären lässt. Er, der sich ganz auf sein Gefühl beruft, verschmelzt verschiedene Bilder miteinander, hier einen Tropfen einer Flüssigkeit mit der Linderung, die durch sinnliche Assoziation plötzlich für ihn zusammengehören. Außerdem lassen sich einige rhetorische Fragen wiederfinden, „Warum ich dir nicht schreibe?“ (GW S. 19), die dem Leser den Eindruck vermitteln, Werther spreche mit sich selbst während er seine Briefe schreibt. Rhetorische Fragen dienen dabei oftmals dazu auf einen Brief Wilhelms einzugehen, den der Leser allerdings nicht kennt. Auf diese Art und Weise eignet sich dieses stilistische Mittel gut, vorausgegangene Fragen, die der Leser nicht kennt, aber damit erfährt, aufzugreifen. Ferner ist der Briefroman von vielen Metaphern, Akkumulationen, Antithesen, Correctios, Tautologien, Oxymorons, Parallelismen, Parenthesen, Personifikationen der Natur und Pleonasmen geprägt.
[...]
1 Iuditha Balint: Semantiken von Arbeit vor und in der Goethezeit. In: Ebd. / Albrecht, Miriam / Weiher, Frank (Hg.). Goethe und die Arbeit. München: Wilhelm Fink Verlag, 2018. S. 9-18. Aufgrund des limitierten Bibliothekszugangs hatte ich keinen Zugriff mehr auf die benannte Literatur, da sie nicht elektronisch verfügbar war. Diese hätte ich gerne für meine Arbeit verwendet.
2 Vgl. Georg Jochum: Zur historischen Entwicklung des Verständnisses von Arbeit. In: Böhle, Fritz / Voß, Günter G. / Wachtler, Günther (Hg.): Handbuch Arbeitssoziologie. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2010. S. 103.
3 Vgl. Hans A. Frambach: Zum Verständnis von Arbeit im historischen Wandel. Eine Untersuchung aus nationalökonomischer Perspektive. In: Arbeit Band 11 Heft 3, 2000. S. 228.
4 Ebd.
5 Vgl. G. Jochum: Zur historischen Entwicklung des Verständnisses von Arbeit. S. 112.
6 Vgl. H. Frambach: Zum Verständnis von Arbeit im historischen Wandel. S. 228f.
7 Vgl. G. Jochum: Zur historischen Entwicklung des Verständnisses von Arbeit. S. 107.
8 Vgl. ebd.
9 Vgl. ebd. S. 112.
10 Johann Wolfgang von Goethe: Die Leiden des jungen Werther. Hg. v. Tobias R. Jung. Braunschweig: Damnick, 2015. Im Folgenden werden Zitate hieraus unter der Sigle (GW) im Haupttext angeführt.
11 Vgl. Rainald Goetz: Abfall für alle. Roman eines Jahres. Frankfurt: Suhrkamp, 1999. Und Wolfgang Herrndorf: Arbeit und Struktur. Reinbek: Rowohlt, 2013.