Die Arbeit stellt einen Vergleich des deutschen und französischen Schulsystems, insbesondere in Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht, dar. Diese Arbeit versucht die Frage zu beantworten, ob der Deutsch-Unterricht in Frankreich oder der Französisch-Unterricht in Deutschland erfolgreicher abläuft.
Seit Ende des 20. Jahrhunderts lernen immer weniger französische Schüler, ob als erste, zweite oder dritte Fremdsprache, Deutsch. Während 1992 zum Beispiel noch 14 % aller Schüler in Frankreich Deutsch als erste und 24 % Deutsch als zweite Fremdsprache wählten, lernten 2005 insgesamt nur noch etwas mehr als ein Viertel aller Schüler Deutsch. Der Deutsch-Unterricht an französischen Schulen wird immer mehr von anderen Fremdsprachen, wie Spanisch, zurückgedrängt; man rechnet ihm eine zunehmend geringere Wichtigkeit zu. Gründe hierfür könnten die bewegte Geschichte zwischen Frankreich und Deutschland, die ungenügende Information und Vermittlung von Vorurteilen über das Nachbarland oder die Annahme, die deutsche Sprache sei zu elitär, sein.
Das daraus resultierende mangelnde Interesse und der damit verbundene Rückgang der Deutschlernenden der letzten Jahre hat massive Folgen: Viele Stellen, die gute Deutschkenntnisse erfordern, bleiben unbesetzt, wodurch Wirtschaft, Industrie und Arbeitsmarkt leiden. Zudem müssen Deutschlehrer um ihre Jobs bangen. Da deutsche Schüler ebenso, häufig aus ähnlichen Gründen, immer seltener Französisch erlernen und es fraglich ist, ob Englisch für die unverzichtbaren interkulturellen Kommunikationen genügt, könnte die sinkende Zahl der Deutsch- bzw. Französischlernenden zu einer Beeinträchtigung des deutsch-französischen Verhältnisses führen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der allgemeine Aufbau der Schulsysteme im Vergleich
2.1 Grundunterschiede zwischen dem französischen und deutschen Schulsystem
2.1.1 Gliederung der Schulsysteme im Vergleich
2.1.2 Einfluss von Zentralismus (Frankreich) und Föderalismus (Deutschland) auf die Schulsysteme
2.2 Gemeinsamkeiten der Schulsysteme
2.3 Die weiterführenden Schulen im Vergleich
3 Fremdsprachenunterricht in Deutschland und Frankreich
3.1 Fremdsprachenunterricht (Deutsch) in Frankreich
3.2 Fremdsprachenunterricht (Französisch) in Deutschland
4 Praktischer Teil
4.1 Vorgehensweise Umfrage
4.2 Ergebnisse
4.2.1 Auswertung der Ergebnisse
5 Fazit
6 Anhang
6.1 Literaturverzeichnis
6.2 Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
Seit Ende des 20. Jahrhunderts lernen immer weniger französische Schüler, ob als erste, zweite oder dritte Fremdsprache, Deutsch. Während 1992 zum Beispiel noch 14% aller Schüler in Frankreich Deutsch als erste und 24% Deutsch als zweite Fremdsprache wählten, lernten 2005 insgesamt nur noch etwas mehr als ein Viertel aller Schüler Deutsch. Der Deutschunterricht an französischen Schu-len wird immer mehr von anderen Fremdsprachen, wie Spanisch, zurückgedrängt; man rechnet ihm eine zunehmend geringere Wichtigkeit zu. Gründe hierfür könnten die bewegte Geschichte zwischen Frankreich und Deutschland, die ungenügende Information und Vermittlung von Vorurteilen über das Nachbarland oder die Annahme, die deutsche Sprache sei zu elitär, sein. Das daraus resultierende mangelnde Interesse und der damit verbundene Rückgang der Deutschlernenden der letzten Jahre hat massive Folgen: Viele Stellen, die gute Deutschkenntnisse erfordern, bleiben unbesetzt, wodurch Wirtschaft, Industrie und Arbeitsmarkt leiden1. Zudem müssen Deutschlehrer um ihre Jobs bangen.
Da deutsche Schüler ebenso, häufig aus ähnlichen Gründen, immer seltener Französisch erlernen und es fraglich ist, ob Englisch für die "unverzichtbare[n] interkulturelle[n] Kommunikation"2 genügt, könnte die sinkende Zahl der Deutsch- bzw. Französischlernenden zu einer Beeinträchtigung des deutsch-französischen Verhältnisses führen.
Ausgehend von einer solchen Entwicklung, möchte ich den Deutschunterricht an Schulen in Frankreich in meiner Facharbeit genauer beleuchten. Dazu werde ich mich zuerst mit dem Aufbau des französischen Schulsystems im Allgemeinen beschäftigen und Grundunterschiede, sowie Gemeinsam-keiten zum deutschen Schulsystem aufweisen. Dabei möchte ich besonderes Augenmerk auf den Fremdsprachenunterricht in Frankreich und vor allem auf die Lehre des Deutschen an französischen Schulen legen.
Während meiner Teilnahme am Schüleraustausch 2017/18 mit der französischen Partnerschule "Lycée général et technologique du Noordover" in Grande-Synthe durfte ich an mehreren (Deutsch-) Unterrichtsstunden eines französischen Gymnasiums Teil haben. Dabei sind mir vor allem im Fremdsprachenunterricht Unterschiede zu Deutschland aufgefallen. Bestehende Kontakte zu französischen Austauschschülen ermöglichen mir, ein genaueres Bild vom Deutschunterricht in Frankreich zu bekommen. Durch Umfragen in einer zehnten und elften Klasse eines nordfranzösi-schen "lycée" möchte ich zu neuen Erkenntnissen, vorwiegend über den Lehrplan und seine Auswirkung auf die Sprachkenntnisse der Franzosen, sowie Lehrmethoden des Deutschunterrichtes in Frankreich gelangen und diesen mit dem Französischunterricht in Deutschland vergleichen.
2 Der allgemeine Aufbau der Schulsysteme im Vergleich
2.1 Grundunterschiede zwischen dem französischen und deutschen Schulsystem
2.1.1 Gliederung der Schulsysteme im Vergleich
Vorerst ist es wichtig, hier auf die französische Nummerierung der Klassen zu verweisen. Im Gegensatz zu Deutschland, wird von "oben nach unten", bzw. rückwärts, gezählt. Die zwölfte Klasse ist die "Terminale"; danach beginnt die Nummerierung bei der elften Klasse mit "Première", wörtlich übersetzt also mit der "ersten" Klasse. Die zehnte Klasse entspricht der "Seconde", die erste Klasse schließlich der "Onzième", also der wörtlich "elften" Klasse (wobei hier häufiger der Ausdruck "cours préparatoire" genutzt wird). Die Schulpflicht beginnt für deutsche Kinder im Alter von sechs Jahren. Französische Kinder hingegen müssen ab 2019 bereits mit drei Jahren (vorher begann die Schulpflicht ebenfalls mit sechs Jahren) die "école maternelle" (dt. "Mutterschule"), welche vergleichbar mit deutschen Vorschulen ist, drei Jahre lang besuchen. Da die école maternelle bereits zum Schulsystem zählt, bereitet sie die Kinder auf die "école élémentaire" (Grundschule) vor. Das französische Schul-system ist in mehrere Zyklen geteilt; hierbei stellt die école maternelle "Cycle 1" dar, in welchem früh-kindliche Bildung vermittelt wird. Nach dem Kindergarten besuchen deutsche Kinder in der Regel ab einem Alter von sechs Jahren die je nach Bundesland vier- bis sechsjährige Grundschule (siehe 2.1.2), während französische Kinder nach der école maternelle einheitlich fünf Jahre lang die école élémentaire besuchen. Diese ist in den einjährigen "cours préparatoire" (CP), den zweijährigen "cours élémentaire" (CE1 und CE2) und den zweijährigen "cours moyen" (CM1 und CM2) unterteilt. Der CP, CE1 (cours élémentaire 1) und CE2 (cours élémentaire 2), welche dem "Cycle 2 – Cycle des apprentissages fondamentaux" angehören, dienen der Ausbildung von Grundkenntnissen. Nach der école élémentaire führen alle französischen Schüler einheitlich ihre Schullaufbahn am vierjährigen "collège" fort: Der Konsolidierungszyklus ("Cycle 3 – Cycle de consolidation"), welcher in der école élémentaire mit CM1 (cours moyen 1) und CM2 (cours moyen 2) begann, setzt sich im collège in der der sechsten Klasse, fort. Die "Sixième" bildet somit den direkten Übergang zwischen école élémentaire und collège, festigt das Wissen der Grundschule und bereitet die Schüler auf die folgenden Jahre am collège vor. Im Zuge des "Cycle 4 – Cycle des approfondissements" (Vertiefungszyklus) sollen die Schüler durch die Vertiefung der allgemeinen Grundkenntnisse nach und nach eigenstän-diger und auf ihre weitere (schulische) Ausbildung vorbereitet werden. Das "diplôme national du brevet" (DNB), ein landesweit einheitlicher Abschluss, prüft die Schüler der neunten Klassen ("Troisième") auf festgelegte Mindestleistungen. Ein bestandenes DNB stellt somit die Zulassung für das französische Gymnasium ("lycée") dar. Gleichzeitig endet mit dem Cycle 4, bzw. mit dem 16. Lebensjahr auch die Schulpflicht. Erst nach der Troisième gliedert sich das Schulsystem in unterschiedliche Schulformen des Sekundarbereichs II: An verschiedenen Formen des lycée können die Schüler innerhalb von zwei bis drei Jahren verschiedene Abschlüsse erlangen (siehe 2.3). Deutsche Schüler hingegen führen ihre Schulbildung bereits nach der Grundschule an verschiedenen Schulformen fort. Im Großteil der deutschen Bundesländer wird dabei das Prinzip eines dreigliedrigen Schulsystems angewandt, in einigen Bundesländern existiert aber auch ein zwei- oder viergliedriges Schulwesen, d.h. die Schüler/Eltern haben nach der Grundschule die Wahl zwischen zwei oder mehr weiterführenden Schulen. Für leistungsstärkere Schüler sind dabei Gymnasien, die bis zum 18. Lebensjahr, also bis zur zwölften, bzw. 13. Klasse (je nach Bundesland) besucht werden, um dort das Abitur zu absolvieren, vorgesehen. Alle anderen Schüler haben die Möglichkeit eine andere weiter-führende Schulform, welche abhängig vom Bundesland (siehe 2.1.2), eine Real-/Haupt-/Gemein-schafts-/Gesamt-/Ober-/Stadtteil-/Sekundar- oder Regelschule sein kann, zu besuchen, um dort einen mittleren Schulabschluss zu erlangen. Die deutsche Schule muss, je nach Bundesland, mindestens neun, bzw. zehn Jahre besucht werden.
2.1.2 Einfluss von Zentralismus (Frankreich) und Föderalismus (Deutschland) auf die Schulsysteme
Die politischen Ordnungen in Frankreich und Deutschland sind sehr unterschiedlich: Deutschland ist ein föderaler Staat, also ein Bundesstaat, dessen 16 Länder (Gliedstaaten) eigenständig sind und über politische Angelegenheiten, die nicht vom Bund festgelegt werden, wie z.B. eben die Bildungspolitik, einzeln und unabhängig von anderen Bundesländern entscheiden. Daraus ergibt sich, bezogen auf das Schulsystem, dass die Bildungssysteme der deutschen Bundesländer sehr unterschiedlich sind. Die Un-terschiede reichen von verschiedenen Lehrplänen über unterschiedlichste (Sekundar-)Schulformen bis hin zu den Ferienzeiten. Nach der vier- oder sechsjährigen Grundschule (äbhängig vom Bundesland) besuchen die Schüler weiterführende Schulformen, die ebenfalls von Bundesland zu Bundesland variieren. Die Gymnasialbildung dauert je nach Bundesland acht oder neun Jahre. Bundesweit sind die Abituraufgaben nicht in allen Fächern dieselben. Außerdem sind bestimmte Fächer in unterschiedlichen Bundesländern verschieden benannt. Frankreich, insbesondere Frankreichs Bildungswesen hingegen ist zentral organisiert, d.h. eine staatliche Instanz entscheidet über das Bildungssystem in ganz Frankreich. Der Erziehungsminister und die ihm unterstellten 25 "académies" (Verwaltungseinheiten, an deren Spitze "recteurs" stehen und deren Grenzen ungefähr denen der einzelnen Regionen Frankreichs entsprechen) haben das Sagen über das Bildungswesen.3 Diese Ordnung hat z.B. zur Folge, dass die Lehrpläne in ganz Frankreich übereinstimmen, die Ferien in allen Regionen – mit nur geringen Abweichungen – am gleichen Tag beginnen und enden und das Abitur-Niveau überall das Gleiche ist. Weiterhin wird auch die maximale Klassenstärke, die Stundenzahlen aller Fächer und die verschiedenen Schulformen staatlich organisiert.4 Während es in Deutschland also große Unterschiede zwischen den Schulsystemen der einzelnen Bundesländer gibt, ähneln sich die Schulsysteme Frankreichs landesweit, bis auf wenige Abweichungen (die z.B. durch teilweise sehr allgemein gefasste Lehrpläne oder verschiedene Unterrichtsmethoden von Lehrer zu Lehrer auftreten können), sehr stark.
2.2 Gemeinsamkeiten der Schulsysteme
Wie auch in Deutschland herrscht in Frankreich eine allgemeine Schulpflicht. Beide Schulwesen sind grundlegend unentgeltlich, wodurch es in beiden Ländern überwiegend staatliche und damit kostenlose Schulen gibt. Privatschulen nehmen eine nicht unbedingt unbedeutende, aber geringere Rolle ein. Sowohl in Frankreich, als auch in Deutschland ist das Schulsystem gegliedert (wobei die Gliederung in Deutschland in Sekundarstufe I, in Frankreich erst ab Sekundarstufe II auftritt). In beiden Ländern herrscht innerhalb des Bildungswesens das Prinzip der Neutralität, Lehrpläne und Lerninhalte sollen politisch, sowie philosophisch neutral gehalten werden. Ebenso wird von Lehrern erwartet, die Lehrinhalte neutral zu vermitteln. Auch gibt es einige Gemeinsamkeiten in den unterrich-teten Fächern: Besonders die Pflichtfächer der collèges und der lycées, die von jedem französischen Schüler belegt werden müssen, ähneln einigen Fächern, welche in Deutschlands weiterführenden Schulen unterrichtet werden. So werden an collèges und lycées, ähnlich wie in Deutschlands weiter-führenden Schulen beispielsweise zwei Fremdsprachen (Langues vivantes 1 et 2); die Muttersprache (Französisch, bzw. Deutsch); Geschichte, Geographie (Histoire-Géographie); Mathematik (Mathématiques); Physik, Chemie (Physique-chimie), Sport (Education physique et sportive) oder auch Biologie (Sciences de la vie et de la Terre) unterrichtet. Das französische collège ist mit einer deutschen Hauptschule zu vergleichen (da beide bis zur neunten Klasse unterrichten), das lycée kann man mit einem deutschen Gymnasium gleichstellen. Die schulische Laufbahn der deutschen Gymnasiasten dauert, genauso wie die der französischen "lycéens", normalerweise bis zum 18. Lebensjahr, bzw. bis zur Absolvierung des Abiturs/des baccalauréat. Alle deutschen und französischen Schüler mit Abitur, bzw. mit baccalauréat, sind studienberechtigt.
2.3 Die weiterführenden Schulen im Vergleich
Bei diesem Vergleich möchte ich mich hauptsächlich auf die Gymnasien, vor allem die zehnten Klassen Deutschlands (insbesondere Sachsens) und Frankreichs beziehen. Nach dem DNB haben die Schüler die Möglichkeit, das dreijährige "lycée général et technologique", ein allgemeinbildendes und/oder technisches Gymnasium oder das in der Regel zweijährige "lycée professionnel", ein berufsorientiertes Gymnasium, zu besuchen. Während der Seconde général et technologique, der Einführungsphase der Oberstufe/Orientierungsphase5 am lycée, werden die Schüler in den in 2.2 erwähnten Pflichtfächern ("enseignements communs") und zusätzlich in "éducation civique, juridique et sociale", vergleichbar mit dem deutschen Fach Gemeinschaftskunde, unterrichtet. Zudem erhalten die lycéens Unterricht in zwei "enseignements d'exploration" (Erkundungskurse, von denen ein Kurs wirtschafliches Wissen vermittelt). Beim zweiten Erkundungskurs können die Schüler verschiedene Kursen, wie z.B. Biotechnologie oder eine dritte Fremdsprache, wählen. Dazu erhalten die Schüler in zwei Wochenstunden persönliche Unterstützung ("heures d’accompagnement personnalisé"). In den lycées professionnels werden ab der Seconde zum einen ähnliche Fächer und Grundkenntnisse wie im lycée général et technologique vermittelt, zum anderen erhalten die Schüler auch Fachunterricht, der auf spezifische Berufe/Unternehmen abgestimmt ist, um die Schüler schließlich auf den Berufseinstieg oder ein Hochschulstudium vorzubereiten. Die heures d'accompagnement personnalisé und die enseignements d'exploration sollen den Schülern in der Seconde (des lycée général et/ou technologique), darauf vorbereiten, sich in der elften Klasse für einen Bildungsgang und eine entspre-chende "série", also ein bestimmtes Profil, in welchem auf bestimmte Fächer/Themengebiete besonders viel Wert gelegt wird, zu entscheiden. Mit Beginn der Qualifikations- /Abschlussphase, welche die Terminale und Première umfasst, können die Schüler des lycée général et technologique, zwischen dem allgemeinbildenden oder technologischen Bildungsgang wählen. Strebt der Schüler ein allgemeinbildendes Abitur ("baccalauréat général") an, kann er sich zwischen dem sprachlichen Profil ("série littéraire"), dem wirtschafts- und gesellschaftswissenschaftlichen Profil ("série économique et social") oder dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Profil ("série scientifique") entscheiden. Zieht der Schüler den technologischen Bildungsweg in Betracht, kann er das "baccalauréat technologique", also das technologische Abitur oder den "brevet de technicien", den Technikerab-schluss erhalten. Auch beim technologischen Abitur kann man verschiedene Schwerpunkte, z.B. auf eine bestimmte Wissenschaft setzen. Von der Seconde zur Terminale nehmen die einseignements communs immer mehr ab, die Wahlfächer in Kurssystemen nehmen zu.6 Während man in der Seconde noch 23,5 Wochenstunden in den enseignements communs unterrichtet wird, nehmen die Kernfächer erst in der Première 14 Stunden, dann in der Terminale nur noch achteinhalb Stunden ein. Die Gesamtzahl der Wochenstunden, welche je nach Schuljahr und série 26,5 bis 28,5 Stunden beträgt, wird von der Seconde zur Terminale zunehmend mit für die série spezifischen Kursen ("enseignements spécifiques par série") oder optionalem Unterricht ("enseignements facultatifs ") gefüllt.
Entscheidet sich der Schüler nach der Troisième, ein lycée professionnel zu besuchen, kann er nach zwei Jahren das "CAP" (certificat d'aptitude professionnelle/Berufsbefähigungsnachweis), das "BEP " (brevet d'etudes professionnelles/Berufsbildungszeugnis) oder das Fachabitur (baccalauréat professionnel) nach drei Jahren erhalten. Die Abschlüsse CAP und BEP können ebenfalls an einem "Centre de formation d'apprentis" (Berufsbildungszentrum) erlangt werden. In Deutschland hingegen gestaltet sich der Weg zum Abitur anders: In der zehnten Klasse besuchen alle Schüler die gleichen Unterrichtsfächer, welche den enseignements communs Frankreichs sehr ähneln, nur werden sie in anderen Profilen (z.B. naturwissenschaftliches, sprachliches oder künstlerisches Profil) und in Ethik/Religion getrennt unterrichtet. Ab der elften Klasse werden die ursprünglichen Klassen aufgelöst, der Unterricht erfolgt nun, wie in Frankreich, in verschiedenen Kursen; man wählt zwei Leistungskurse, die jeweils fünf Stunden in der Woche unterrichtet werden und hat die Möglichkeit, wenige Fächer abzuwählen; die übrigen Fächer werden in Grundkursen weiter unterrichtet. Die Leistungskurse könnte man durchaus mit den in Frankreich gewählten séries vergleichen, da hier ebenfalls auf gewissen Fachgebieten ein besonderer Schwerpunkt liegt. Im Gegensatz zu Frankreich bleiben die gewählten Fächer die gesamte Sekundarstufe II dieselben. Sie sind abiturrelevant.
Zusammenfassend ist hierzu zu sagen, dass den französischen lycéens eine größere Vielfalt an zu entdeckenden Fachgebieten und Lernbereichen als den Gymnasiasten geboten wird. Zudem spezialisieren sich die Franzosen durch die abnehmende Zahl der Kernfächer viel intensiver in bestimmten Fachbereichen und wählen mehr Fächer nach ihren Interessen. Sowohl die französische als auch die deutsche zehnte Klasse dient als Einführungsphase und damit als Vorbereitung für die Oberstufe/Sekundarstufe II.
3 Fremdsprachenunterricht in Deutschland und Frankreich
3.1 Fremdsprachenunterricht (Deutsch) in Frankreich
In Frankreich werden die Schüler bereits ab der ersten Klasse, also ab dem cours préparatoire (CP), in einer Fremdsprache, meist Englisch7, unterrichtet. Am Ende des Cycle 3 (nach der Sixième) sollten die Schüler das "Niveau A1" erreicht haben. Dieses ist eine Niveaustufe des "Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen", welcher zwischen den Sprachniveaus A (Elementare Sprachverwen-dung), B (selbstständige Sprachverwendung) und C (Kompetente Sprachverwendung) unterscheidet und nach welchem der gesamte französische Lehrplan für Fremdsprachen aufgebaut ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Abbildung zeigt die Fähigkeiten, die man im Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben besitzen muss, um ein bestimmtes Sprachniveau, bzw. eine entsprechende Niveaustufe, zu erreichen. Der Unterricht einer zweiten Fremdsprache, wie z.B. Deutsch, beginnt am collège, in der Cinquième (siebente Klasse) oder bereits in der Sixième (sechste Klasse). Durch sogenannte "classes bilangues" können die Schüler schon ab der Sixième parallel zur ersten Fremsprache eine zweite, gleichgestellte Fremdsprache erlernen.8 Die französischen Schüler haben die Möglichkeit, ab der Cinquième Deutsch als zweite Fremdsprache oder – falls an der Schule angeboten – in den classes bilangues ab der Sixième Deutsch als zum Englischen gleichberechtigte Sprache zu erlernen. Am französischen lycée wird dann auf die im collège erworbenen Sprachkenntnisse aufgebaut. Französische Schüler bekommen ab der zehnten Klasse die Chance, eine dritte Fremdsprache, gegebenenfalls auch Deutsch, zu erlernen. Um nun besonders auf den Deutschunterricht als zweite Fremdsprache in der Seconde einzugehen, möchte ich zunächst anbringen, dass das Hauptthema des Fremdsprachen- und damit des Deutschunterrichts in der Seconde "die Kunst des Zusammenlebens" ("l'art de vivre ensemble") ist. Hierbei werden den Schülern Inhalte über Familie, Gemeinschaften, Städte und Gebiete/Territorien, die unter den Aspekten Erinnerung (Erbe, Trennungen), Zugehörigkeitsgefühl (Individualität, Zusammenhalt) und Zukunftsvisionen (Erschaffung, Anpassung) nähergebracht und auf die kulturellen Besonderheiten Deutschlands bezogen. Die Schüler sollen Kompetenzen im Bereich "Réception" entwickeln, um am Ende der Seconde die wichtigsten Punkte einer/s deutschen Textes/Themas/Mediums/Aussage/Anweisung zu verstehen. Dazu zählt das Hörverstehen ("compréhension de l'orale"), bei dem die Fähigkeit des Zuhörens, des Einprägens und Identifizierens deutscher Wörter durch Audios, Videos oder Dialoge gestärkt werden soll und das Leseverstehen ("compréhension de l'ecrit"). Hier das Verständnis des Deutschen mit Hilfe verschiedener Schriften (z.B.Nachrichten, Presseartikel, Flyer) erprobt. Auch die Kompetenzen des mündlichen und schrift-lichen Ausdrucks (frz. "expression orale/écrite", unter dem Oberpunkt "production" zusammengefasst) spielen im Lehrplan eine Rolle. Im mündlichen Ausdruck sollen die Schüler durch kontinuierliches Sprachtraining und mit der Umsetzung von Dialogen darin geübt werden, eigene Fehler zu erkennen und zu verbessern, Erlebnisse/Erfahrungen aus ihrem Alltag auf deutsch wiederzugeben und ein Projekt/eine Idee oder den eigenen Standpunkt innerhalb einer Debatte/Diskussion zu einem bekannten Thema zu verteidigen. Hauptziel der expression écrite ist es, dem Schüler die Fähigkeit zu geben, seine Gedanken und seinen eigenen Standpunkt zunehmend strukturierter niederzuschreiben. Eine weitere wichtige Kompetenz ist die mündliche Interaktion ("interaction orale"), bei der der/die lycéen/ne erlernt, mit einem deutschen Muttersprachler mehr oder weniger spontan zu kommunizierenen und seine(n) Geschmack, Gefühle, Bedürfnisse, Wünsche, Ziele, Ängste, Meinung in einer Unterhaltung auszudrücken. Zudem wird mit Hilfe deutscher Kunst, Literatur, Geschichte oder Politik ausführliches Wissen über die deutsche Kultur, bzw. interkulturelle Kompetenz vermittelt. Es sollen Strategien zur Erschließung der Bedeutung von Aussagen, die unbekannte Wörter enthalten, kennengelernt werden. Unter all diesen Kompetenzen, welche die Schüler am Ende der Seconde auf dem Niveau A2 beherrschen sollten, liegt der Schwerpunkt jedoch vor allem auf der mündlichen Produktion9. Der französische Lehrplan legt Wert auf Mobilität, also auf den direkten Kontakt mit der Realität anderer Länder (z.B. durch Austausche, Schulreisen oder Korrespondenzen) und modernen Technologien. Die Verwendung digitaler Technologien soll den Unterricht besser an die Bedürfnisse der Schüler anpassen und sie befähigen, mit deutschsprachigen Gesprächspartnern auf der ganzen Welt beispielsweise durch E-Mails oder Videokonferenzen zu kommunizieren. Moderne Technologien sollen zur Festigung bzw. Verstärkung des Gelernten, vor, während und nach dem Unterricht führen und die Kinder außerhalb der Schule für Sprachen begeistern. In der ersten Fremdsprache sollte mit Abschluss des baccalauréat général/technologique, also am Ende der Terminale das Niveau B2, in der zweiten Fremdsprache das Niveau B1 und in der eventuell dritten Fremdsprache A2 erreicht sein.
3.2 Fremdsprachenunterricht (Französisch) in Deutschland
Um den Französischunterricht in Deutschland genauer darzustellen, werde ich mich vor allem auf den Lehrplan für sächsische Gymnasien (zehnte Klasse) und meine Erfahrungen an sächsischen Schulen beziehen. In Deutschland beginnen die meisten Kinder erst in der dritten Klasse eine Fremdsprache, nach meinen Erfahrungen meist Englisch, zu erlernen. An deutschen weiterführenden Schulen beginnt der Unterricht einer zweiten Fremdsprache, somit auch Französisch, meist in der sechsten Klasse. Am Ende der zehnten Klasse sollte in der ersten Fremdsprache (vorwiegend Englisch) das Niveau B1+ bis B2, in der zweiten Fremdsprache das Niveau B1+ erreicht sein. Grundsätzlich kann man Französisch in der Sekundarstufe II als Leistungs- oder Grundkurs belegen. Mit Abschluss der zwölften Klasse sollten die Schüler mindestens Niveau B2 (falls Französisch nicht abgewählt wurde) erreicht haben. Wie auch in Frankreich legt der deutsche (sächsische) Lehrplan, mit dem Ziel der "differenzierten Kommunikations- und Diskursfähigkeit [Befähigung zur Diskussion]"10 besonderes Augenmerk auf Rezeption, Produktion und Interaktion. Anders als im französischen Lehrplan gibt es jedoch keine genauen Angaben, ob der mündlichen oder schriftlichen Praxis eine besondere Rolle zugeschrieben wird. Nach fünf Jahren Französischunterricht, würde ich jedoch aus persönlicher Erfahrung behaupten, dass mündliche und schriftliche Praxis etwa im Gleichgewicht stehen; die mündliche Praxis in Maßen überwiegt. Zudem sind die Lernziele der zehnten Klasse etwas komplexer als jene in Frankreich, was unter anderem dadurch zu begründen ist, dass das vorgesehene Niveau für das Ende der zehnten Klasse in allen Kompetenzen B1+ ist. Im Gegensatz zum französischen Lehrplan soll der Schüler hier schon "längere und komplexere Texte verstehen"11 (und nicht nur den Hauptinhalt einfacher Texte), selbstständig Texte deuten oder beurteilen und sich zu komplexeren Themen positionieren, seinen Standpunkt durch eine logische Argumentation darlegen und auch regional bedingte Einzelheiten der Aussprache kennen. Zudem sollen die Kenntnisse über Leben und Kultur dem Schüler dazu verhelfen, dass er kulturell bedingte Einstellungen von Franzosen zu gewissen Themen verstehen und als sprachlicher und kultureller Mittler wirken kann.12 Jedoch existieren sehr viele Ähnlichkeiten oder sogar Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Lehrplänen: Sowohl im deutschen als auch im französischen Lehrplan wird sehr viel Wert auf kulturelle Offenheit und interkulturelles Verständnis gelegt. Ebenso sollen die Schüler laut beider Lehrplänen in der Lage sein, über sich selbst, persönliche Erlebnisse und Erfahrungen, Vermutungen über/Wünsche für die Zukunft zu sprechen und an spontanen Gesprächen teilzunehmen. Viele Themenbereiche, wie Alltag, Zusammenleben, Umwelt überschneiden sich. Außerdem sehen es beide Lehrpläne als wichtig an, mit verschiedenen fremdsprachigen Medien umgehen zu können und sich fremde Wörter erschließen zu können. Zudem ist der deutsche Lehrplan in drei Lernbereiche (Fachbezogene Strategien, Linguistische Grundlagen, Texte und Themenbereiche) gegliedert.
[...]
1 Vgl. Joachim Hohwieler: Germanistik und Deutschunterricht in 17 Ländern. Berichte aus dem Internationalen Wissenschaftlichen Rat des IDS, Mannheim: IDS 2006, S.31f.
2 Karl-Richard Bausch: Das Lehren und Lernen von Deutsch als zweiter oder weiterer Fremdsprache. Spezifika, Probleme, Perspektiven, Bochum: Brockmeyer 1992, S.56.
3 Vgl. Ernst Ulrich Grosse/Heinz-Helmut Lüger/Gérard Thiériot: Frankreich verstehen. Eine Einführung mit Vergleichen zu Deutschland, Darmstadt: WBG 2008, S.204.
4 Vgl. Gilbert Krebs: Deutschunterricht in Frankreich. Die Unterrichtspraxis/ Teaching German, 5/1972, S.7.
5 Ministère de l'Éducation nationale et de la Jeunesse: Gliederung der Schulzeit. http://eduscol.education.fr/cid61038/gliederung-der-schulzeit.html (04.01.2019).
6 Grosse/ Lüger/ Thiériot 2008, S.220.
7 Vgl. Hohwieler 2006, S.30.
8 Vgl. Hohwieler 2006, S.29.
9 Vgl.Ministère de l'Éducation Nationale et de la Jeunesse: Les langues vivantes étrangères et régionales à l'école, au collège, au lycée. http://www.education.gouv.fr/cid206/les-langues-vivantes-etrangeres.html (28.12.2018).
10 Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport: Lehrplan Gymnasium Französisch. Dresden: Saxoprint GmbH 2011, S.19.
11 Ebenda, S.19.
12 Vgl. Ebenda., S.20.