In dieser Arbeit wird Walter Benjamins "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" in Bezug auf die Gegenwart von 1933 bis 1945, der Zeit des Nationalsozialismus, betrachtet. Um den Kunstwerk-Aufsatz mit der Gegenwart des Nationalsozialismus in Deutschland in Verbindung zu setzen, werden zuerst die für diese Arbeit relevanten Aspekte des Aufsatzes wiedergegeben. Diese sind die technische Reproduzierbarkeit und das politische Potenzial des Mediums, wobei es bei Letzterem vornehmlich um die Ästhetisierung der Politik geht.
Anschließend werden verschiedene Medien, die als Propagandainstrumente des Nationalsozialismus fungiert haben, betrachtet und analysiert, inwieweit sich Benjamins Ausführungen mit der Nutzung der Medien im Nationalsozialismus decken, beziehungsweise erklären lassen. Dabei wird vor allem auf das von Benjamin beschriebene Verhältnis zwischen Medium und Inhalt eingegangen und betrachtet, wie sich die Eigenständigkeit und Wirkung der Medien in der Propaganda des Nationalsozialismus widerspiegelt.
Walter Benjamin ist für die Medienwissenschaft unumgänglich. Obwohl Benjamins Schriften aus dem letzten Jahrhundert stammen, sind sie stets hochaktuell. Er verstand die Philosophie als die Gegenwart in Gedanken gefasst, wobei die Gegenwart mit der Aktualität der Vergangenheit einhergeht, in welcher Benjamin nach Zusammenhängen sucht. So lassen sich Benjamins Schriften immer wieder auf die Gegenwart beziehen. Der Kunstwerk-Aufsatz ist eine der grundlegenden Lektüren für die Medientheorie und wurde 1936 erstmals in der Zeitschrift für Sozialforschung publiziert. Grundlegend umfasst der Aufsatz Thesen über die Entwicklungstendenzen der Kunst unter den gegenwärtigen Produktionsbedingungen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit
2.1 Technische Reproduzierbarkeit
2.2 Politisches Potential des Mediums
2.3 Ästhetisierung der Politik
3 Medien im Nationalsozialismus
3.1 Primärmedium Rede
3.2 Elektronische Medi en
3.2.1 Radio
3.2.2 Film
3.3 Druckmedium Zeitung
4 Verhältnis zwischen Medium und Inhalt - Eigenständigkeit und Wirkung der Medien als Propagandainstrumente
5 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Walter Benjamin ist für die Medienwissenschaft unumgänglich. Obwohl Benjamins Schriften aus dem letzten Jahrhundert stammen, sind sie stets hoch aktuell. Er verstand die Philosophie als die Gegenwart in Gedanken gefasst, wobei die Gegenwart mit der Aktualität der Vergangenheit einhergeht, in welcher Benjamin nach Zusammenhängen sucht. So lassen sich Benjamins Schriften immer wieder auf die Gegenwart beziehen.1 2 Der KunstwerkAufsatz (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit2) ist eine der grundlegenden Lektüren für die Medientheorie und wurde 1936 erstmals in der Zeitschrift für Sozialforschung publiziert. Grundlegend umfasst der Aufsatz „Thesen über die Entwicklungstendenzen der Kunst unter den gegenwärtigen Produktionsbedingungen“3.
In dieser Arbeit möchte ich Walter Benjamins „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ in Bezug auf die Gegenwart von 1933 bis 1945, der Zeit des Nationalsozialismus, betrachten. Um den Kunstwerk-Aufsatz mit der Gegenwart des Nationalsozialismus in Deutschland in Verbindung zu setzen, werde ich zuerst die für diese Arbeit relevanten Aspekte des Kunstwerk-Aufsatzes wiedergeben. Diese sind die technische Reproduzierbarkeit und das politische Potential des Mediums, wobei es bei letzterem vornehmlich um die Ästhetisierung der Politik geht. Anschließend werde ich verschiedene Medien, die als Propagandainstrumente des Nationalsozialismus fungiert haben, betrachten und analysieren, in wie weit sich Benjamins Ausführungen mit der Nutzung der Medien im Nationalsozialismus decken beziehungsweise erklären lassen. Dabei werde ich vor allem auf das von Benjamin beschriebene Verhältnis zwischen Medium und Inhalt eingehen und schauen, wie sich die Eigenständigkeit und Wirkung der Medien in der Propaganda des Nationalsozialismus wiederspiegelt.
2 Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit
2.1 Technische Reproduzierbarkeit
Das Kunstwerk ist grundsätzlich immer reproduzierbar gewesen. Was Menschen gemacht hatten, das konnte immer von Menschen nachgemacht werden.4 Die technische Reproduzierbarkeit des Kunstwerks spielt für Benjamin eine große Rolle. Der Begriff taucht schon im Titel der Theorie auf, wobei die Formulierung schon einen Hinweis auf den Inhalt gibt. Mit der Formulierung Reproduzierbarkeit im Gegensatz zur eher gebräuchlichen Reproduktion unterstreicht Benjamin die Bedingung der Möglichkeit von Reproduktion. Dazu grenzt er die Reproduzierbarkeit klar gegen die Nachahmung ab, die schon immer möglich gewesen sei. Die Reproduzierbarkeit stellt somit für das Kunstwerk und dessen Rezeption einen wichtigen Wendepunkt dar. Benjamin sieht mit der technischen Reproduzierbarkeit auch die Veränderung der Wahrnehmung kommen.5 Er geht davon aus, dass die Neuorganisation der Wahrnehmung als eigenständiges Medium erfolgt. Dies kann unter anderem geschichtlich bedingt sein. Diese Veränderung des Mediums begreift Benjamin als den Verfall der Aura.6
Benjamin beschriebt die Aura als eine „einmalige Erscheinung in der Ferne, so nah sie sein mag“7. Die Aura ist also definiert, als der Kultwert eines Kunstwerks in Bezug auf die raumzeitliche Wahrnehmung.8 Benjamin fasst dies in einem zentralen Satz zusammen: „Die Entschälung des Gegenstandes aus seiner Hülle, die Zertrümmerung der Aura, ist die Signatur einer Wahrnehmung, deren ,Sinn für das Gleichartige in der Welt‘ so gewachsen ist, daß sie es mittels der Reproduktion auch dem Einmaligen abgewinnt“9. Die Formulierung Sinn für das Gleichartige wird durch Benjamins Verwendung in eine wahrnehmungs- und medientechnische Perspektive gerückt. Mit den neuen elektronischen Verbreitungsmedien wie Hör- und Bildfunk, welche das Reproduzierte verbreiten, wird die Wahrnehmung der Rezipienten verändert. Es kommt zu einer „massenhaften Verbreitung des Reproduzierten“10, da das Rezipieren von Hör- und Bildfunk durch die Verkleinerung und Transportierbarkeit der Geräte immer einfacher wird.11
Benjamin hält damit einhergehend die Trennung von Bild und Abbild für grundlegend. Photographische, filmische und televisuelle Inhalte werden als Bilder bezeichnet, was aufzeigt, dass die technische Struktur unvermeidlich abstrahiert wird. Dies bedeutet, dass sich die Rezeptionserfahrung verändert und das Reproduzierbare, wenn auch unbemerkt, in die Wahrnehmung übergeht.12 Es wird also argumentiert, „daß die kollektive Wahrnehmungsveränderung selbst nur partiell bewußt erfahren wird“13. Das Bewusstsein um die technische Reproduzierbarkeit geht so weit in die einzelnen Mitglieder der Masse, dass Lindner sie als reflexhaft bezeichnet, „so wie ich beim Sprechen eine Grammatik benutze, ohne über sie zu reflektieren.“14 Die Reproduktion löst nach Benjamin zwei Prozesse aus, in denen er einen starken Zusammenhang zu Massenbewegungen sieht. Durch die Technik, die die Reproduktion zulässt, ist das Reproduzierte nicht länger im Milieu seiner eigentlichen Tradition. Stattdessen wird ein massenweises Vorkommen ermöglicht. Zusätzlich lässt die Reproduktion zu, dass der Rezipient bei seinem individuellen Rezeptionsvorgang dem Reproduzierten eine eigene Interpretation zuweist und sich somit die Wahrnehmung des Rezipierten verändert.15
2.2 Politisches Potential des Mediums
Schon in der Einleitung in Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit fordert Benjamin eine Politisierung der Kunst.16 Nach Benjamin, „hat sich auch die gesamte soziale Funktion der Kunst umgewälzt. An die Stelle ihrer Fundierung aufs Ritual hat ihre Fundierung auf eine andere Praxis zu treten: nämlich ihre Fundierung auf Politik“17. Durch diese Entwicklung „hat sich auch die ganze soziale Funktion der Kunst umgewälzt“18 Benjamin hat schon in den frühen zwanziger Jahren verdeutlicht, dass er der Technik eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Politik zuordnet.19 Dies zeigt sich nun an seiner „Forderung nach einer explizit politischen Funktionsbestimmung der Kunst“20. Er sieht in der verborgenen politischen Bedeutung der Kunstwerke, dass die Kunstwerke eine explizite Form der Rezeption fordern. Es ist demnach nicht mehr möglich, die Kunstwerke frei und nur für den Betrachter selber zu rezipieren.21 Einhergehend mit dem politischen Potential des Kunstwerk beschreibt Benjamin die Ästhetisierung der Politik.
2.3 Ästhetisierung der Politik
Benjamins Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit liefert unter anderem einen Ansatz, darzustellen, dass Ideologien den Verfall der Aura für ihre Zwecke nutzen. Dies geschieht dadurch, dass eine für die Massen taugliche, vermeintliche Ästhetik vorgeben wird.22 Eine Ideologie, die diese Ästhetisierung der Politik praktiziert ist der Nationalsozialismus, beziehungsweise nach Benjamin begrifflich weiter gefasst der Faschismus. Benjamin sieht die Ästhetisierung der Politik darin, dass die faschistischen Staaten die „Massen nicht zu ihrem Recht, sondern lediglich zu ihrem Ausdruck kommen lassen“23. Palmier beschreibt die Verbindung zwischen der Ideologie und der Ästhetik wie folgt: „Das Ausbleiben der sozialen Revolution geht einher mit einer Inbeschlagnahme der Insignien der Revolution, mit einer Inszenierung und Theatralisierung des Politischen.“24 Die Ästhetisierung der Politik lässt Politik und Kunst zu einem werden, wobei der traditionelle Kunst- und Kulturbegriff durch die Propagandamittel ersetzt wird. Dabei spielen „Naivität, Kitsch und Pseudoromantik“25 eine große Rolle. Durch sie gelingt es der Politik, der Masse ein Gefühl von Macht zu vermitteln, welche in der Praxis nicht existiert.26 Daneben ist ein wichtiger Punkt der Ästhetisierung der Politik die „Beseitigung der Grenzen zwischen Rationalem und Irrationalem, Realem und Mythischem, Bewußtem und Unbewussten“27.
„Die Ausrichtung der Realität auf die Massen und der Massen auf sie ist ein Vorgang von unbegrenzter Tragweite sowohl für das Denken wie für die Anschauung.“28
Die Kunst, die zu nationalsozialistischen Zeiten entstanden ist, ist immer für Massen bestimmt gewesen und ist damit zwingend als Propagandainstrument eingesetzt worden. Diese Propaganda bildet ihr eigenes Publikum soweit verändert ab, dass unmerklich Vorstellungen von gesellschaftlichen und politischen Veränderungen für den Rezipienten, der sich selber unverändert abgebildet sieht, absurd werden.29 Dabei ist die Propaganda nicht nur bei öffentlichen Veranstaltungen zu finden, bei denen die Ideologie dargestellt und gefeiert wird. Auch im Alltag findet sich die durch die Ästhetisierung der Politik geprägte Propaganda wieder.30 Einhergehend mit der Ästhetisierung der Politik zeichnet sich die Propaganda des Nationalsozialismus grundlegend dadurch aus, alle medialen Instrumente bestmöglich zu nutzen. Die zu dieser Zeit verfügbaren Reproduktionstechniken wurden perfekt genutzt und in Szene gesetzt, wo durch die Propaganda so erfolgreich wurde.31 Benjamin sieht die Reaktion des Kommunismus darauf in der Politisierung der Kunst.32 Die Motivation für die Ästhetisierung der Politik beschreibt er wie folgt: „Alle Bemühungen um die Ästhetisierung der Politik gipfeln in einem Punkt. Dieser eine Punkt ist der Krieg.“33 Zusammenfassend ist die Ästhetisierung der Politik somit eine der Hauptaspekte, die zum Erfolg der Propaganda der Nationalsozialisten geführt hat.34
3 Medien im Nationalsozialismus
Wie schon im vorangegangenen Kapitel beschrieben, spielt die Instrumentalisierung der Medien für die Propaganda des Nationalsozialismus eine große Rolle. Dabei bilden die einzelnen Medien in ihrer Gesamtheit eine Medienkultur (Abb. 1). In den folgenden Kapiteln möchte ich mich exemplarisch jeweils auf ein beziehungsweise zwei Medien der einzelnen Gruppen beziehen.
3.1 Primärmedium Rede
Die mündliche Rede ist zur Ausbreitung des Nationalsozialismus von großer Bedeutung gewesen. Gehalten wurden die Reden von speziell ausgebildeten Reichsrednern35. Diese konnten einzeln beauftragt werden, um zum Beispiel auf den unzähligen Parteiversammlungen der NSDAP zu sprechen. Außerdem wurden die Redner in „Gauen und Ortsgruppen“36 geschickt, um die Anhänger der NSDAP über die aktuellen Geschehnisse in der Partei zu informieren. Neben dieser Vielzahl an Rednern lassen sich auch Goebbels und Hitler als individuelle Redner betrachten. Bei ihnen sind vor allem Mimik- und Gestik als zusätzliche Faktoren zum Inhalt der Rede zu betrachten.37 Hitler plante seine Reden sehr genau. Nicht nur der Inhalt seiner Rede, sondern auch „seine Posen, Gesten und Gebärden waren einstudiert“38. So konnte er die Wirkung seiner Reden noch genauer steuern.39 Vor allem Hitlers Reden gelten als Kernstück der gesamten Propaganda. Daher ist hier auch explizit propagandistischer Inhalt zu finden. Einer wichtiger Erfolgsfaktor der Reden war, dass er seine Reden dem Sprachgebrauch der Bevölkerung angepasst hat und mit einer so extremen Überzeugung und vermeintlicher Ehrlichkeit vorgetragen hat, dass es keinen Zweifel darangab, seinen Worten Glauben zu schenken.40 Die Sprache als Grundlage des Mediums Rede wurde von den Nationalsozialisten soweit verändert, dass sie als Propagandainstrument verwendet werden konnte. Durch unzählige Wiederholungen von bestimmten Worten, Redewendungen und Sätzen wurde die Ideologie zum Teil des Sprachgebrauchs.41 Inhaltich waren die Reden zur Zeit des Nationalsozialismus nicht sehr komplex und legten keinen Wert auf eine gute argumentative Struktur. Die Reden dienten einzig dazu, die Emotionen der Massen anzusprechen, indem die ideologischen Vorstellungen so inszeniert wurden, dass sie eine möglichst große Wirkung in und durch die Medien erzielten.42
[...]
1 vgl. Roselli/Lorenz, 2017, S.4f.
2 Benjamin, 2016.
3 ebd., S. 9.
4 Benjamin, 2016, S. 10.
5 vgl. Lindner, 2011, S. 233f.
6 vgl. Benjamin, S. 19f.
7 ebd., 2016, S. 20
8 vgl. ebd., S. 21
9 Benjamin, 2016, S. 21f.
10 Lindner, 2011, S.234.
11 vgl. ebd.
12 vgl. Lindner, 2011, S. 235.
13 ebd.
14 ebd.
15 vgl. Benjamin, 2016, S. 17f.
16 vgl. Lindner, 2011, S.232.
17 Benjamin, 2016, S. 26f.
18 ebd., S. 26.
19 vgl. Steiner, 2004, S. 129.
20 ebd.
21 vgl. Benjamin, 2016, S. 34.
22 vgl. Palmier, 2009, S. 1141.
23 Steiner, 2004, S. 132.
24 Palmier, 2009, S. 1143.
25 ebd., S. 1151.
26 vgl. ebd.
27 ebd.
28 Benjamin, 2016, S.22.
29 vgl. Palmier, 2009, S. 1147.
30 vgl. Palmier, 2009, S. 1150.
31 vgl. ebd., S. 1154f.
32 vgl. Benjamin, 2016, S. 78.
33 ebd., S. 75.
34 vgl. Palmier, 2009, S.1143.
35 vgl. Karmasin, /Faulstich, 2007, S.149f.
36 ebd., S.150.
37 vgl. ebd., S. 149f.
38 Kopperschmidt/Pankau, 2003, S. 177.
39 vgl. ebd.
40 vgl. ebd., S. 53f.
41 vgl. ebd., S. 57.
42 vgl. ebd., S. 60.