War die AfD mit einem populistischen Kommunikationsstil in den sozialen Netzwerken zur Bundestagswahl 2017 erfolgreich? Die Bundestagswahl 2017 machte die Alternative für Deutschland (AfD) zur drittstärksten Partei des Landes. Dabei spielten die Sozialen Medien von Beginn an eine besonders wichtige Rolle für die Partei. Der Erfolg der AfD kann nicht erklärt werden, ohne ihre Online-Präsenz näher zu beleuchten.
Besonders in Wahlkampfphasen nutzen Parteien Soziale Medien, um Wähler zu mobilisieren. Studien, die die AfD im Kontext der Bundestagswahl 2017 untersuchen, fokussieren sich in der Regel auf ein einzelnes Netzwerk, meist Facebook. Voigt und Seidenglanz (2017) untersuchten die digitalen Kampagnen auf den Netzwerken Facebook, YouTube, Instagram und Twitter, jedoch ohne das Populismus-Konstrukt einzubeziehen. Diese Forschungslücke versucht diese Arbeit mittels einer Sekundäranalyse rund um die Literatur zur Bundestagswahl 2017 zu schließen.
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wird zunächst der Begriff „Populismus“ im Kontext der Kommunikation mit seinen inhaltlichen und formalen Merkmalen beschrieben. Anschließend wird auf das Verhältnis von Populismus und den Sozialen Medien eingegangen. Danach wird die Alternative für Deutschland näher untersucht. Im Zentrum soll dabei ihr Auftreten und dessen Erfolg auf den einzelnen Kanälen der sozialen Netzwerke (Facebook, Twitter, Instagram und YouTube) rund um die Bundestagswahl 2017 stehen. Zunächst einmal soll hier für jedes Netzwerk identifiziert werden, ob populistische Kommunikation erfolgt und anschließend, welche Reichweite die Partei erzielt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Populismus, Soziale Medien und die AfD
2. Populismus und Kommunikation
2.1 Inhaltliche Merkmale
2.2 Formale Merkmale
3. Populismus und Soziale Medien
4. Die Alternative für Deutschland
4.1 Wahlprogramm
4.2 Wählerschaft
5. Die AfD auf Social Media zur Bundestagswahl
5.1 Facebook
5.2 Twitter
5.3 Instagram
5.4 YouTube
6. Fazit
7. Limitationen und Ausblick für zukünftige Forschung
1. Einleitung: Populismus, Soziale Medien und die AfD
Die Bundestagswahl 2017 machte die Alternative für Deutschland (AfD) zur drittstärksten Partei des Landes. Entstanden als Anti-Euro Partei, nahm sie sich immer mehr der Sprache des Rechtspopulismus an und verlagerte ihren Fokus auf eine Einwanderungs- und flüchtlingsfeindliche Politik (Schmitt-Beck, 2017). Dabei spielten die Sozialen Medien von Beginn an eine besonders wichtige Rolle für die Partei. So merkte Parteisprecher Christian Lüth an: "Wir haben uns als AfD von Beginn an auf Facebook konzentriert. Es ist ein schneller, direkter und preiswerter Zugang zu den Menschen“ (Süddeutsche Zeitung, 2017). Das gilt nicht nur für die AfD. Die Bedeutung von Sozialen Medien für die politische Kommunikation nimmt immer mehr zu. Besonders zu Wahlkampfzeiten nutzen Parteien die Plattformen um potentielle Wähler zu erreichen. 2016 waren in der Altersgruppe der 18-34-Jährigen Deutschen Onlineangebote die häufigste Nachrichtenquelle. Insgesamt gaben 31 Prozent aller Befragten an, wöchentlich Nachrichten über Social Media zu konsumieren (Hölig & Hasebrink, 2017, 16). Besonders auffällig ist dabei, dass der Trend bezüglich des Nachrichtenkonsums nur für Social Media steigt. In allen anderen Formaten ist er rückläufig (ebd.).
Auch bei der Unterstützung der AfD zeichnet sich ein positiver Trend ab. In den letzten Jahren hat sich die Unterstützungsbasis für die AfD verdreifacht. Von 5% im Jahr 2015 stieg sie auf 15% im Jahr 2018 an (Serrano, Shahrezaye, Papakyriakopoulos & Hegelich, 2019). Der Erfolg der AfD kann nicht erklärt werden, ohne ihre Online-Präsenz näher zu beleuchten. In der hier vorliegenden Arbeit soll der Frage nachgegangen werden „War die AfD mit einem populistische Kommunikationsstil in den Sozialen Netzwerken zur Bundestagswahl 2017 erfolgreich?“.
Der Zusammenhang von Populismus und Sozialen Medien wurde in den letzten Jahren bereits in verschiedenen Studien thematisiert (z.B. Engesser, Fawzi & Larsson 2017; Schumann, Boer, Hanke & Liu 2019). So ergaben erste Studien, dass populistische Inhalte und Stile häufiger auf Facebook und Twitter als in politischen Talkshows zu finden sind (Ernst, Blassnig, Engesser, Büchel, & Esser, 2019). Es wurde deutlich, dass der Kontakt mit solchen populistischen Nachrichten auch populistische Einstellungen und die Unterstützung populistisch-rechtsradikaler Parteien verstärken kann (Hameleers, Bos, & de Vreese, 2018). Auch die Social-Media-Präsenz der AfD wurde in diesem Kontext thematisiert. So werteten Schelter et al. (2016) Facebook-Beiträge von sechs politischen Parteien in Deutschland in den Jahren 2014 und 2015 aus und führten Social Media als wesentlichen Erfolgsfaktor für die AfD an. Wie auch die meisten anderen Studien (z.B. Schumann, Boer, Hanke & Liu, 2019; Schelter, Biessmann, Zobel & Teneva, 2016) konzentrierten sie sich auf die Kommunikation zwischen 2014 und 2016, also den Höhepunkt der so genannten Flüchtlings- oder Migrantenkrise in Deutschland. Damit war auch die Kommunikation der AfD sehr auf diese besondere Situation konzentriert. Doch besonders in Wahlkampfphasen nutzen Parteien Soziale Medien um Wähler zu mobilisieren (Lucht, Udris & Vogler, 2017). Studien, die die AfD im Kontext der Bundestagswahl 2017 untersuchen, fokussieren sich in der Regel auf ein einzelnes Netzwerk, meist Facebook (z.B. Lucht, Udris & Vogler, 2017; Haller, 2017). Voigt und Seidenglanz (2017) untersuchten die digitalen Kampagnen auf den Netzwerken Facebook, YouTube, Instagram und Twitter, jedoch ohne das Populismus-Konstrukt einzubeziehen. Diese Forschungslücke versucht diese Arbeit mittels einer Sekundäranalyse rund um die Literatur zur Bundestagswahl 2017 zu schließen.
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wird zunächst der Begriff „Populismus“ im Kontext der Kommunikation mit seinen inhaltlichen und formalen Merkmalen beschrieben.
Anschließend wird auf das Verhältnis von Populismus und den Sozialen Medien eingegangen.
Danach wird die Alternative für Deutschland näher untersucht. Im Zentrum soll dabei ihr Auftreten und dessen Erfolg auf den einzelnen Kanälen der sozialen Netzwerke (Facebook, Twitter, Instagram und YouTube) rund um die Bundestagswahl 2017 stehen. Zunächst einmal soll hier für jedes Netzwerk identifiziert werden, ob populistische Kommunikation erfolgt und anschließend welche Reichweite die Partei erzielt.1
2. Populismus und Kommunikation
Der Begriff des Populismus ist nur schwer zu fassen, da er zum einen je nach zeitlichem und räumlichem Kontext variiert und zum anderen Uneinigkeit darüber besteht, ob Populismus als Ideologie oder als reiner Kommunikationsstil zu verstehen ist (Wirtz 2018). Häufig beziehen sich Autoren daher auf Ionsecu und Gellner, welche Populismus als „Gespenst“ bezeichnen (Ionescu & Gellner, 1969, 1). Am weitesten etabliert scheint zum gegebenen Zeitpunkt die Definition von Mudde (2004, 543), laut welcher Populismus die Gesellschaft in zwei antagonistische Gruppen unterteilt, das reine Volk gegen die korrupte Elite, und fordert, dass Politik ein Ausdruck des Volkswillens sein soll. Bei Mudde (2004) wird Populismus als dünne Ideologie verstanden, das heißt, dass Populismus zwar eine eigenständige Ideologie ist, diese aber mit weiteren, etablierten, Ideologien wie zum Beispiel Nativismus oder Sozialismus angereichert werden kann (ebd.). Laut Wirth et al (2016) gehören drei Kerngedanken zum Populismus: Volkszentriertheit, Anti-Elitismus und Volkssouveränität. Zusammengefasst basiert Populismus auf dem Gegensatz zwischen korrupten, bösartigen Eliten und einem ehrlichen, guten Volk. Rechtspopulisten definieren das Volk dabei meist ethnisch-national und schreiben ihm einen einheitlichen Volkswillen zu, welchen es seitens der Politik uneingeschränkt umzusetzen gilt. Die Elite wird von ihnen als Antagonist verstanden, die die Interessen des Establishments gegen den Willen des Volkes durchsetzt. Dabei betrügen und belügen sie das Volk und tragen die Schuld an politischen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen. Aus Sicht der Populisten bestünde die Lösung für viele Probleme oft darin, die korrupte Elite zu ignorieren und den wahren Willen des Volkes zu erkennen und umsetzen (ebd.). Politik gleicht daher häufig dem Charakter eines Kampfes zwischen Gut und Böse. Zur Elite können neben nationalen und internationalen PolitikerInnen und Organisationen auch Juristen, Medien oder die Wirtschaft zählen. Wirth et al. (2016) definieren populistische Kommunikation als ein kommunikativer Ausdruck der populistischen Ideologie, welcher mit der Verwendung bestimmter Stilmittel einhergeht.
2.1 Inhaltliche Merkmale
Hierunter sind inhaltliche Aussagen zu verstehen, die, die in der populistischen Ideologie verankerten, Ideen reflektieren. Sie werden aber auch von etablierten Parteien genutzt. Solche Aussagen sind damit per se kein Hinweis auf Populismus, werden aber von populistischen AkteurInnen deutlich häufiger genutzt (Jagers & Walgrave, 2007). Für populistische Bewegungen stehen Themen im Vordergrund, die als Krisen für die bestehende Ordnung dienen und für welche die etablierten Parteien verantwortlich gemacht werden können (Decker & Lewandowsky, 2017). Auch gibt es thematische Überschneidungen zwischen rechts- und linkspopulistischen Parteien, wie etwa EU-Kritik, Antiglobalisierung, Elitenkritik sowie die sozialen Gratifikationen für den „kleinen Mann“ (Poyer, Saywald-Wedl & Unger, 2020). Bei der AfD stand zunächst das Thema „Eurokrise“, später das Thema „Flüchtlingsimmigration“ im Mittelpunkt. Innerhalb dieser komplexen Themen bieten sie publikumswirksame simple Vorschläge, die häufig nicht umsetzbar sind. So schlug beispielsweise Beatrix von Storch vor, Schusswaffen einzusetzen, um Menschen an der Flucht nach Deutschland zu hindern (ebd.). Wirz (2018) zeigte, dass rechtspopulistische Forderungen in den Medien besonders dann überzeugend sind, wenn sie mit konservativen Werten wie Sicherheit oder Tradition begründet sind.
2.2 Formale Merkmale
Neben bestimmten inhaltlichen Merkmalen sind auch gewisse Kommunikationsstile charakteristisch für PopulistInnen. Diese können jedoch nicht direkt aus der populistischen Ideologie abgeleitet werden (Wirth et al., 2016). Wie die inhaltlichen Merkmale, werden auch die Stilmittel von nicht-populistischen PolitikerInnen eingesetzt, ebenso wie von JournalistInnen, um Aufmerksamkeit für politische Themen zu generieren oder die Reichweite des eigenen Mediums zu steigern (Mazzoleni, 2008). Viele Autoren verweisen auf die Verwendung einer emotionalen, dramatisierenden und umgangssprachlichen Sprache. Emotionalisierung und Dramatisierung dienen dazu, die Verfehlungen der Elite noch drastischer darzustellen. Eine schwarzweißmalerische Rhetorik kann genutzt werden, um PolitikerInnen als abgehobene Klasse zu kategorisieren und politische Probleme als Skandale aufzubauschen (Schemer et al., 2018). Mittels einer einfachen Sprache hingegen, wird die Volksnähe des Akteurs betont (Wirz, 2018).
3. Populismus und Soziale Medien
Bereits Ende der 1990er Jahre wurde ein theoretischer Zusammenhang zwischen Populismus und Online-Kommunikation von Bimber (1998) hergestellt. Dieser schrieb dem Internet das Potential zur "Neustrukturierung der politischen Macht in eine populistische Richtung" sowie die Möglichkeit einer "unvermittelten Kommunikation zwischen Bürgern und Regierung" (Bimber 1998, 137) zu. In bisherigen Forschungsbeiträgen stand jedoch meist die Präsenz von Schlüsselelementen des Populismus in den traditionellen Medien im Vordergrund sowie die Kritik oder Feindseligkeit rechtspopulistischer Akteure gegenüber den traditionellen Medien (Krämer, 2017). Erste Studien zur Online Kommunikation konnten feststellen, dass PopulistInnen das Internet nutzen, um traditionelle Medien zu umgehen (Engesser, Ernst, Esser, & Büchel, 2016). Engesser, Fawzi und Larsson (2017) identifizierten verschiedene inhaltliche und formale Elemente des Populismus, die die Online-Kommunikation besonders attraktiv für PopulistInnen macht. Drei von ihnen werden im Folgenden kurz skizziert:
Volkszentriertheit: Es besteht bereits Konsens darüber, dass das Volk das wichtigste Element der populistischen Ideologie darstellt (z.B. Mudde, 2004; Reinemann et al., 2017). Das macht für PopulistInnen eine schnelle, unmittelbare Verbindung zu eben diesem Volk notwendig. Diesen Kanal bieten zum einen Massenmedien, welche jedoch ebenfalls als Gatekeeperfungieren und den von PopulistInnen indizierten Informationsfluss aufhalten können. Im zweiten Schritt sind Massenmedien danach ebenfalls an die Zyklen der Nachrichtenproduktion gebunden (Shoemaker & Vos, 2009). Diese beiden Faktoren spielen im Internet nur eine untergeordnete Rolle und ermöglichen PopulistInnen damit eine direktere Verbindung zur Bevölkerung als traditionelle Offline-Medien (Engesser, Fawzi & Larsson, 2017).
Volkssouveränität: Gerade zu seiner Anfangszeit, wurde dem Internet häufig das Potential zugeschrieben, dass politische System zu demokratisieren. Inzwischen gehen einige Autoren eher von einer gemäßigteren Position aus und attestieren dem Internet ein zunehmendes Potential für direkte Repräsentation, welches sie als einen in beide Richtungen gehenden Prozess, gekoppelt an ein hohes Maß an Rechenschaft konzipieren (z.B. Coleman & Blumler, 2009).
Anti-Elite: In verschiedenen Studien wird angenommen, dass das Internet die Eintrittsschwelle für populistische Nicht-Elite-Akteure senkt. Dies geschieht unter anderem durch das Schaffen von Gegenöffentlichkeiten, dem Aufstieg alternativer Medien oder PopulistInnen als Online-Herausforderer traditioneller Akteure (Engesser, Fawzi, Larsson, 2017).
Doch nicht nur inhaltliche, auch stilistische Merkmale finden online Anklang. So können populistische FührerInnen durch personalisierte Kommunikationskanäle besonders gut ihr Charisma und ihre Suggestivkraft nutzen. Auch sind Vereinfachung, Emotionalisierung und Negativität Teil der Aufmerksamkeitsökonomie des Netzes (Engesser, Fawzi, Larsson, 2017). Darüber hinaus sind Filterkammern und Echoblasen geeignet, um „andere“ Ideen auszuschließen und die eigene Position zu stärken. Es kann ebenfalls davon ausgegangen werden, dass Online eine radikalere Rhetorik als in den traditionellen Medien angewendet wird (Stier, Posch, Bleier & Strohmaier, 2017). Damit erscheint möglich, dass Social Media gerade Rechtspopulismus verstärken kann. Neben sogenannten Softnews, funktionieren hier im Bereich der Hardnews vor allem emotionalisierte, zugespitzte Themen, wie die Skandalisierung etablierter Institutionen und Akteure oder die Thematisierung von Flucht und Minderheiten (Lucht, Udris & Vogler, 2017). Dabei handelt es sich um die Kernthemen der Alternative für Deutschland.
4. Die Alternative für Deutschland
Die 2010 einsetzende Krise der europäischen Währungsunion und deren Bewältigung durch die EU und ihre Mitgliedsstaaten lieferte den unmittelbaren Entstehungsanlass für die Alternative für Deutschland. Am 25. März 2010 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel direkte Finanzhilfen an das von der Eurokrise besonders hart getroffene Griechenland in einer Rede vor dem Bundestag ausgeschlossen, wenige Stunden später jedoch dem ersten Rettungspaket für Griechenland auf dem EU-Gipfel zugestimmt. Diese Entscheidung rechtfertigte sie als „alternativlos“, was sich zum geflügelten Wort und Aufhänger für die Namensgebung der AfD entwickelte (Niedermayer, 2015, 177). Unter dem Namen „Bündnis Bürgerwille“ formierte sich Mitte 2012 eine überparteiliche Bewegung, deren Gründung auf der Ablehnung der Europolitik fußte. Neben einer Reihe von Unions- und FDP-Politikern gehörten auch spätere AfD Protagonisten, wie Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel oder Beatrix von Storch dieser Bewegung an. Knapp ein Jahr später formierte sich die Partei Alternative für Deutschland. Rund zwei Monate nach der offiziellen Gründung am 6. Februar 2013 wurden Bernd Lucke, Konrad Adam und Frauke Petry zu gleichberechtigten Sprechern des Parteivorstandes auf dem Berliner „Gründungsparteitag“ gewählt. Enge Beziehungen zur mittelständischen Wirtschaft ermöglichten mittels guter Ressourcenausstattung einen schnellen Organisationsaufbau. So zählte die Partei bereits im Mai 2013 10 000 Mitglieder und hatte die Gründung aller 16 Landesverbände abgeschlossen (ebd.). In ihrer Gründungs- und Aufbauphase schreibt die Literatur der AfD lediglich eine liberal-konservative „eurokritische“, aber noch keine rechtspopulistische Ausrichtung zu (Decker, 2018). Dies änderte sich ab 2015. Zum einen stand die Abwahl der liberal-konservativen Führung an und zum anderen nutze die AfD die Flüchtlingskrise strategisch aus, indem sie das Thema Zuwanderung zu ihrem Leitthema werden ließ (Franzmann, 2016).
4.1 Wahlprogramm
Bei der Bundestagswahl 2013 konzentrierten sich die Kampagnen der AfD voll und ganz auf die Forderung nach einer kontrollierten Auflösung der Währungsunion, ähnlich der FDP eingebettet in ein marktliberal ausgerichtetes Programm. Dennoch waren bereits zu diesem Zeitpunkt restriktive Positionen in Bezug auf Familien-, Geschlechter- und Zuwanderungspolitik vorhanden. Verknüpft wurden die ökonomischen und kulturellen Konfliktlinien im Programm der AfD mittels der abgelehnten "ungeordnete Zuwanderung in die Sozialsysteme". Im Laufe der Zeit bewegte sich die öffentliche Diskussion immer weiter weg von der Euro-Thematik und zeitgleich rückte die Migrationskritik in den Fokus der AfD (Schmidt-Beck, 2017). Damit einhergehend verschoben sich auch die innerparteilichen Gewichte, weg vom Wirtschaftsliberalismus und hin zum Nationalkonservatismus (Bundeszentrale für politische Bildung, 2018). Die erfolgreichen Landtagswahlen 2014 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg dienten der AfD als Bestätigung, ihren wirtschaftsliberalen Kurs zugunsten der rechtspopulistischen Plattform aufzugeben. Die Frage, ob die AfD als rechtspopulistische Partei kategorisiert werden kann, ist seit ihrer Gründung Bestandteil des politischen Diskurses. Spätestens seit der Kurswende der Partei im Jahr 2015, kann aber davon ausgegangen werden, dass sie mindestens „im Vergleich zu den anderen Parteien eindeutig als rechtspopulistisch bezeichnet werden kann“ (Lewandowsky et al., 2016, 247).
4.2 Wählerschaft
Auch bei den WählerInnen der AfD muss zwischen den verschiedenen Zeitpunkten differenziert werden. GLES-Daten (German Longitudinal Election Study) von 2014 zeigen, dass die AfD zu diesem Zeitpunkt von WählerInnen rechter als die CDU, dabei aber ähnlich weit rechts wie auch die CSU wahrgenommen wurde und die Wahlentscheidungen überwiegend inhaltlich motiviert waren (Wagner et al. 2015, 145). Das AfD-Milieu war zu dieser Zeit eher geprägt von einer marktradikalen Orientierung, welche mit nationalkonservativen Politikvorstellungen einherging (Häusler et al. 2013, 10). Häusler et al bezeichneten den typischen AfD-Wählenden als „selbstständig, männlich, mit eher überdurchschnittlichem sozialem Status und Einkommen ausgestattet“ (ebd. 43). Nestler und Rohgalf stellen darüber hinaus fest, dass AfD-WählerInnen „die Rechtmäßigkeit der Rettungspolitik […] massiv angezweifelt“ haben (2014, 411). Ab 2016 wandelte sich jedoch dieses Bild. Der wichtigste Grund für die Wahl der AfD war nun das Gefühl einer kulturellen Bedrohung. Diesem folgte die Angst vor politischer Entfremdung, Globalisierung, Terrorismus und Geflüchteten, Nativismus und ein illiberales Demokratieverständnis. Von da an kann die Angst vor fremden, meist mit dem Islam verbundenen, kulturellen Einflüssen, das Wahlverhalten zugunsten der AfD am besten erklären (Pickel, 2019). Es lässt sich sagen, dass Wählende der AfD zu Anfang meist gut ausgebildete, einkommensstarke StädterInnen waren, nach 2014 jedoch ein großer Anstieg der Unterstützung durch einkommensschwache BürgerInnen erfolgte. Auch nach den Wahlen 2017 nahm die Unterstützung der Partei zu, was als Zustimmung zur Arbeit im Parlament gedeutet werden kann (Serrano, Shahrezaye, Papakyriakopoulos & Hegelich, 2019).
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1 Dabei werden nur Daten der offiziellen Partei-Accounts einbezogen. Keine Beachtung finden hier die Accounts der einzelnen Politiker oder Landesseiten, die natürlich auch zum Wahlkampf genutzt werden.