Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Bedeutung des Nachtflugverbots für ganz bestimmte Typen von Fluggesellschaften zu untersuchen. Untersucht wurden die ökonomischen, ökologischen und politischen Auswirkungen auf zwei Typen von Luftfrachtunternehmen, nämlich die sogenannten Low Cost Carrier am Beispiel der Ryanair Holdings, und die sogenannten Network Carrier am Beispiel der deutschen Lufthansa AG.
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Begriffsklärungen
1.3 Forschungsstand
2. Das Geschäftsmodell der Network-Carrier am Beispiel der Lufthansa AG
2.1 Passagierverkehr
2.2 Frachtverkehr
3. Entwicklung und Organisation von Ryanair
4. Auswirkungen eines Nachtflugverbotes für beide Geschäftsmodelle
4.1 Auswirkungen für die Lufthansa AG
4.1.1 Ökonomische Auswirkungen
4.1.2 Ökologische Auswirkungen
4.1.3 Politische Auswirkungen
4.2 Auswirkungen auf die Ryanair Holdings PLC
4.2.1 Ökonomische Auswirkungen
4.2.2 Ökologische Auswirkungen
4.2.3 Politische Auswirkungen
5. Zwischenfazit
5.1 Gegenüberstellung der Auswirkungen
5.2 Mögliche Lösungsansätze
6. Kritische Würdigung und Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Im internationalen Transportwesen und insbesondere im internationalen Flugverkehr spielen umweltpolitische Maßnahmen eine große Rolle. Nicht nur sind die energieintensiven Geschäftsprozesse der einschlägigen Unternehmen in ökonomischen ihrer Effizienz weitgehend abhängig vom Ölpreis sowie den jeweils zu entrichtenden Steuern und Abgaben, auch die Geschäftsprozesse selbst unterliegen in dieser Branche mehr als in anderen Branchen administrativen oder gesetzlichen Regulativen. Die Bedeutung solcher Regulative für die Luftfahrtbranche festzustellen entspricht daher einem aktuellen wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisinteresse; sie nimmt in dem Maße zu, als umweltpolitische Maßnahmen den Flugverkehr auch in anderen Regionen als in Europa aus politischen und gesellschaftlichen Gründen an Wichtigkeit zunehmen.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, auf ein solches Regulativ zu fokussieren und seine Bedeutung für ganz bestimmte Typen von Fluggesellschaften zu untersuchen. Als exemplarisches Regulativ wurde das so genannte Nachflugverbot ausgewählt, also jene Bestimmung, die es einer Fluggesellschaft untersagt, zur Nachtzeit die relevanten Geschäftsprozesse abzuwickeln. Untersucht wurden die ökonomischen, ökologischen und politischen Auswirkungen auf zwei Typen von Luftfrachtunternehmen, nämlich die so genannten Low Cost Carrier am Beispiel der Ryanair Holdings, und die so genannten Network Carrier am Beispiel der deutschen Lufthansa AG.
Konkret sind die ökonomischen und organisatorischen Auswirkungen von Nachtflugverboten auf die genannten Unternehmen zu untersuchen um eine paradigmatische Vorstellung davon zu gewinnen, welcher Art die Unterschiede in den Auswirkungen auf unterschiedlich ausgerichtete Fluggesellschaften sind. Es handelt sich also bei der Methodik der vorliegenden Arbeit um einen vergleichenden ökonomischen Ansatz, der zudem einen systemwissenschaftlichen Aspekt ein bezieht, zumal die einschlägigen Unternehmen auf einem gemeinsamen Markt operieren und die relevanten administrativen oder gesetzlichen Maßnahmen sämtliche Marktteilnehmer betreffen. Empirische Vergleichsbasis eines solchen Vergleichs sind also nicht nur die betrieblichen Kennzahlen der jeweiligen Unternehmen, sondern auch die Dynamik der Marktstruktur im Zusammenhang mit der betreffenden behördlichen Maßnahme, repräsentiert in den Statistiken zu aktuellen und vergangenen Marktanteilen.
1.2 Begriffsklärungen
Im Folgenden sollen die zentralen Begriffe der vorliegenden Arbeit geklärt werden.
Nachtflugverbot. Es handelt sich dabei um eine behördliche Verfügung, die besagt, dass der Flugbetrieb auf einem Flughafen zur Nachtzeit, im allgemeinen zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr früh, eingestellt zu sein hat, dass also keine Flugzeuge starten oder landen dürfen. Derartige Maßnahmen dienen vor allem dem Schutz der Anwohner der Flughäfen und kommen besonders dann zur Anwendung, wenn sich der betreffende Flughafen im Stadtgebiet befindet oder seine Einflugschneisen bewohntes Gebiet bestreichen. Nachflugverboten können sowohl auf gesetzlicher Grundlage ausgesprochen werden als auch als administrative Maßnahmen von Kommunen oder Städten, und sie können entweder befristet sein oder unbefristete Geltung haben.1
Nachtflugverbote unterscheiden sich oftmals deutlich nach dem Grad ihrer Strenge. In manchen Fällen, wie etwa in Sydney, ist das Nachtflugverbot absolut, das heißt, es darf kein Flugzeug außer in einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben, starten oder landen; in anderen Fällen gibt es Ausnahmenbestimmungen etwa für verspätete Maschinen, denen mit dieser Ausnahmeregelung die Landung auf einem anderen Flughafen erspart werden soll. Es kommen auch Differenzierungen nach Fracht- und Personenmaschinen vor, wobei meist Personenmaschinen eine bevorzugte Behandlung erfahren. Unterschiede in der Behandlung durch das Nachflugverbot im Hinblick auf den Status der betreffenden Flüge (Fern- und Kurzstrecken) sind selten.2
Network Carrier. Unter diesem Begriff werden Fluggesellschaften verstanden, die nicht nur die Dienstleistung des Flugtransports anbieten, sondern so genannte end-to-end-Angebote, in denen dem Kunden die Beförderung von seinem persönlichen Ausgangspunkt zu seinem persönlichen Reiseziel angeboten wird.3
Es liegt auf der Hand, dass der damit verbundene logistische Aufwand deutlich höher ist als jener, der dabei anfiele, ausschließlich die Dienstleistung der Flugbeförderung anzubieten. Auch die Fragen der Preiskalkulation sowie der Angebotsstellung und des Marketing sind im Hinblick auf den Aufwand solcher Fluggesellschaften als relevant zu bewerten. Kennzeichnend für diese Gruppe von Fluggesellschaften ist eine Marktstrategie der Differenzierung, bei der im Wettbewerb vor allem auf Qualität gesetzt und folglich das obere Preissegment bedient wird.
Low-Cost-Carrier. Unter diesem Begriff werden Fluggesellschaften zusammengefasst, die keine komplexen Transportangeboten mit end-to-end-Charakter anbieten, sondern lediglich die Dienstleistung der Flugbeförderung. Die betreffenden Unternehmen setzten dabei auf eine Marktstrategie der Kostenführerschaft und bemühen sich, die betreffende Dienstleistung zu einem möglichst günstigen Preis anzubieten. Charakteristisch für die Marktaktivität solcher Unternehmen ist also der Preiskampf, dessen Erfolg weitgehend auch von externen Faktoren abhängig ist (so von den Kerosinpreisen, aber auch von umweltpolitischen Maßnahmen und den organisatorischen Gegebenheiten des Handlungsraums).4
1.3 Forschungsstand
Die ökonomischen und organisatorischen Auswirkungen von Nachtflugverboten auf Fluggesellschaften sind bisher zwar an vielen Stellen hervorgehoben, jedoch offenbar noch nicht systematisch erforscht worden. So weisen Himpel und Lipp (2007) darauf hin, dass besonders für Network-Carrier solche Einschränkungen die für die Differenzierungsstrategie so wichtige Flexibilität bei der Produktgestaltung deutlich behindere.5 Schmidt (2008) stellt in seiner Untersuchung zu den Qualitätsanforderungen am aktuellen Luftverkehrsmarkt dar, dass es vor allem Network-Carrier sind, die sich gegen absolute Nachtflugverbote zur Wehr setzen und bemüht als Beispiel die Lufthansa AG und deren Haltung zum angedachten Nachtflugverbot am Flughafen Frankfurt.6
Insgesamt muss dennoch der aktuelle Forschungsstand zur Differenzierung der ökonomischen und organisatorischen Auswirkungen von Nachtflugverboten als unzureichend bewertet werden, weil die Ergebnisse und Vermutungen der Autoren weit verstreut liegen und auch nur selten auf solider empirischer Grundlage beruhen. In der einschlägigen Basisliteratur wird die Frage der Bedeutung der Nachtflugverbote zudem vor allem im Hinblick auf Planungsfragen thematisiert und als Herausforderung an die Ausarbeitung entsprechender Dienstleistungsprodukte verstanden.7
2. Das Geschäftsmodell der Network-Carrier am Beispiel der Lufthansa AG
2.1 Passagierverkehr
Das deutsche Unternehmen Lufthansa AG galt bis vor wenigen Jahren ein prototypischer Vertreter von strategischen Positionen in der Luftfahrt, die eng mit dem Begriff des Network-Carriers verbunden sind. Es wurde auf eine Differenzierungsstrategie gesetzt, die den Netzwerkansatz eines Transportes end-to-end zur Grundlage hatte und auch die Dienstleistungen des Flugtransports selbst im oberen qualitativen Segment zu halten bestrebt war. Wenn also im Folgenden das Geschäftsmodell der Lufthansa AG als paradigmatisch für die Strategie der Network-Carrier angesehen und dargestellt wird, so muss dies allerdings unter der Einschränkung geschehen, dass die Lufthansa AG schon seit längerer Zeit unter ihrer Dachholding auch so genannte Low-Cost-Carrier betreibt und mittlerweile dazu übergegangen ist, auch im Kerngeschäft strategische Aspekte solcher Geschäftsmodelle zu integrieren bestrebt ist und sie aktuell auch bereits nutzt.8
Das „Umschwenken“ der Lufthansa auf eine strategische Position der „Billigflieger“ wurde in den Medien breit thematisiert; es ist allerdings differenziert zu bewerten angesichts der Tatsache, dass die Lufthansa AG bereits seit Jahrzehnten nicht nur auf die Differenzierungsstrategie setzt, sondern im Bereich der Pauschalreisen Erfahrung mit dem scharfen Kostenwettbewerb in der Touristik erworben hat und mit Germanwings seit Anfang 2009 einen eigenen Anbieter im Low-Cost-Sektor stellt.9 Die besondere Stellung der Lufthansa AG in Deutschland, die ihr das Operieren in verschiedenen strategischen Bereichen erlaubt, geht auf ihre Geltung als „national carrier“ zurück, von der ausgehend sehr unterschiedliche Angebotsfelder glaubwürdig bedient werden können.10
[...]
1 Vgl. Klubmann/Malik 2007, S. 202.
2 Vgl. ebd., S. 202f.
3 Vgl. Holloway 2008, S. 48f.
4 Vgl. Himpel/Lipp 2007, S. 38f.
5 Vgl. ebd., S. 14.
6 Vgl. Schmidt 2008, S. 56.
7 Vgl. dazu etwa Sterzenbach/Conrady 2003, S. 21f.
8 Vgl. dazu Noos Online Lufthansa. Billigflieger als Vorbild (17.11.2009). http//www.noows.de/lufthansa-billigflieger-als-vorbild-12482
9 Vgl. dazu Reuters Deutschland Lufthansa bindet Billigflieger Germanwings direkt an Konzern (8.12.2008). http//de.reuters.com/article/companiesNews/idDEBEE4B70JR20081208
10 Vgl. Alvermann 2009, S. 5.