Die österreichische Eisen- und Stahlerzeugung kann auf eine lange, traditionsreiche Geschichte zurückblicken. Auch wenn die Alpen als „reich an armen Lagerstätten“ gelten, für Österreich war die Verarbeitung der Eisenerze zu Eisen und die darauffolgende Produktion von Stahl ein wichtiger Grundpfeiler der wirtschaftlichen und regionalen Entwicklung über Jahrhunderte hinweg, wobei natürlich nicht jede Epoche von wirtschaftlichem Erfolg geprägt war.
Betrachtet man die Industriestandorte der Eisen- und Stahlproduktion, so wird klar erkennbar, dass sie sich auf ein konkretes Gebiet innerhalb des Landes konzentrieren. Rund um den Erzberg in der Steiermark und in Teilen Ober- und Niederösterreichs breitet sich eine regelrechte Eisen- und Stahlindustrieregion aus. Sie erstreckt sich entlang der Mur-Mürz-Furche und wuchs im Laufe der Jahre sogar bis in den nördlichen Alpenrand und in das nordöstlich liegende Wiener Becken hinein.
Über 16.000 Arbeiter waren noch 2003 allein in der Eisen erzeugenden Industrie und in Bergwerken beschäftigt. Die eisenerzeugenden Unternehmen und ihre Folgeproduktion stellen somit einen seit jeher wichtigen Arbeitgeber in dieser Region dar.
Die heutige Brisanz des Themas ergibt sich aus den Folgen der räumlichen Lage der Produktion und ihrer zentralen Rolle in der österreichischen Wirtschaft. Heute versucht die einst strukturstarke Region zahlreiche, standortbedingte Produktionsnachteile zu überwinden. Ob jener Wirtschaftszweig tatsächlich noch so zukunftsträchtig ist, wie die österreichische Bundeshymne im Jahre 1945 verlauten ließ, wird sich im Laufe dieser Arbeit herausstellen.
Inhalt
1. Land der Hämmer, zukunftsreich?
2. Lokalisation
3. Die Wurzeln der Eisen- und Stahlproduktion
3.1 Vorchristliche und römische Eisennutzung
3.2 Blütezeit im Mittelalter
3.3 Die verspätete Industrialisierung
3.4 Kriegswirtschaft und Verstaatlichung der Industrie
4. voestalpine AG-Paradigma für die Situation der Eisen- und Stahlproduktion
5. Probleme und Chancen der Eisen- und Stahlregion
5.1 Entwicklungshindernis Peripherie
5.2 Auswirkungen des Strukturwandels in der Wirtschaft
5.3 Kulturtourismus als Chance
5.4 Wirtschaftsförderung
6. Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Land der Hämmer, zukunftsreich?
Die österreichische[1] Eisen- und Stahlerzeugung kann auf eine lange, traditionsreiche Geschichte zurückblicken. Auch wenn die Alpen als „reich an armen Lagerstätten“[2] gelten, für Österreich war die Verarbeitung der Eisenerze zu Eisen und die darauffolgende Produktion von Stahl ein wichtiger Grundpfeiler der wirtschaftlichen und regionalen Entwicklung über Jahrhunderte hinweg, wobei natürlich nicht jede Epoche von wirtschaftlichem Erfolg geprägt war.
Betrachtet man die Industriestandorte der Eisen- und Stahlproduktion, so wird klar erkennbar, dass sie sich auf ein konkretes Gebiet innerhalb des Landes konzentrieren. Rund um den Erzberg in der Steiermark und in Teilen Ober- und Niederösterreichs breitet sich eine regelrechte Eisen- und Stahlindustrieregion aus. Sie erstreckt sich entlang der Mur-Mürz-Furche und wuchs im Laufe der Jahre sogar bis in den nördlichen Alpenrand und in das nordöstlich liegende Wiener Becken hinein.
Über 16.000 Arbeiter waren noch 2003[3] allein in der Eisen erzeugenden Industrie und in Bergwerken beschäftigt. Die eisenerzeugenden Unternehmen und ihre Folgeproduktion stellen somit einen seit jeher wichtigen Arbeitgeber in dieser Region dar.
Die heutige Brisanz des Themas ergibt sich aus den Folgen der räumlichen Lage der Produktion und ihrer zentralen Rolle in der österreichischen Wirtschaft. Heute versucht die einst strukturstarke Region zahlreiche, standortbedingte Produktionsnachteile zu überwinden. Ob jener Wirtschaftszweig tatsächlich noch so zukunftsträchtig ist, wie die österreichische Bundeshymne im Jahre 1945 verlauten ließ, wird sich im Laufe dieser Arbeit herausstellen.
2. Lokalisation
Das Gebiet der Eisen- und Stahlerzeugung verläuft beinahe Deckungsgleich mit der gen Osten sich erstreckenden Grauwackenzone, in der der Großteil der österreichischen Rohstoffe unter anderem auch größere Eisenerz- und Sideritvorkommen liegen. Sie umfasst die Eisenerzer Alpen, führt am Mürztal entlang und zieht sich nach Nordosten bis ins Wiener Becken. Die Entstehung der Eisenhütten und Stahlwerke war in erster Linie an das nötige Rohstoffvorkommen gebunden. Nur wo auch abbauwürdige Erzvorkommen vorhanden waren, entwickelte sich die Industrie. Früher wurden Eisen- und Stahlwerke vorzugsweise in den Längstälern der Alpen gegründet, denn die Weiterverarbeitung des Eisens benötigte als Grundlage wald- und wasserreiche Gebiete, die sich überwiegend in den Tallagen befanden. Daher finden sich die Produktionsstandorte überwiegend in den Tallagen.
Politisch betrachtet fällt das Produktionsgebiet in drei Bundesländer (Abb.1 siehe Anhang). Ihren Ausgang nahm die Eisen- und Stahlherstellung am steirischen Erzberg, der noch heute als der größte mitteleuropäische Erztagebau und die größte Sideritlagerstätte weltweit gilt. In der Steiermark befindet sich entlang der Mur-Mürz-Furche außerdem das Hauptrevier der Eisen- und Stahlherstellung und bis in den Süden des steirischen Alpenraumes siedelten sich noch große Eisen- und Metallindustriebetriebe an. Schließlich erschlossen sich die Großunternehmen den nördlichen Alpenrand (zum Beispiel in Waidhofen in Niederösterreich und Steyr in Oberösterreich). In Niederösterreich näherten sich die Standorte der Produktion an Wien an (zum Beispiel Berndorf).[4]
3. Die Wurzeln der Eisen- und Stahlproduktion
3.1 Vorchristliche und römische Eisennutzung
Funde aus der Eisenzeit belegen, dass Eisenerz bereits im siebenten Jahrhundert v.Chr. im österreichischen Raum abgebaut und zu Eisen weiterverarbeitet wurde. Von den nach Österreich eingewanderten Kelten wurde es zur Waffenherstellung und Werkzeugfertigung genutzt. Man vermutet, dass die Noriker ihr Eisen sogar direkt am Hüttenberger Erzberg in Kärnten gewannen.[5] Selbst die Römer, die das „Norische Eisen“ wegen seiner Qualität schätzten, bezogen die norischen Erzvorkommen in ihr weitläufiges Straßennetz mit ein.[6]
3.2 Blütezeit im Mittelalter
Im Hohen Mittelalter errichtete man neue Öfen in den Alpentälern. Die Fließgewässer der Tallagen trieben über Wasserräder die großen Blasebälge und die wassergetriebenen Hammerwerke an, die die Bearbeitung des Eisens und Stahls erleichterten. Die dichten Wälder lieferten die Grundlage für die Holzkohleherstellung in den Köhlereien, die wiederrum für den Betrieb in den Hüttenwerken benötigt wurde. Der Erzberg der Eisenerzer Alpen kristallisierte sich als Bergbauzentrum (erste Zeugnisse 1171) aufgrund der üppigen Erzvorkommen langsam heraus.[7] Ihm nördlich vorgelagert wuchs eine völlig von der Stahl- und Eisenverarbeitung und dem Handel von Eisenwaren geprägte Region, die Eisenwurzen. Noch heute zeugen alte Sensen- und Hammerwerke, Eisenmagazine und Hammerherrenhäuser von der vor allem im Spätmittelalter prosperierenden Kleineisenindustrie, die im fünfzehnten Jahrhundert hier ihren Höhepunkt erlebte.[8] Sie gelangte an die Spitze der europäischen Eisen- und Stahlherstellung und genoss eine Zeit lang den Ruf als weltgrößter Eisenproduzent (10-12.000 Tonnen pro Jahr), denn immerhin handelte es sich beim Erzberg um die weltgrößte Sideritlagerstätte und die größte mitteleuropäische Lagerstätte für Eisenerz[9], welches einen Erzgehalt von 30-35% aufwies.[10] Organisiert war der Erzabbau in „Genossenschaften persönlich freier Bergleute“[11]. Zu ihnen gesellten sich später die mit „landesherrschaftlichen Eisenhandelsprivilegien[12] “ ausgestatteten Eisengroßhändler aus Steyr und Leoben hinzu.
3.3 Die verspätete Industrialisierung
Die florierende Kleineisenindustrie fand im 17. Jahrhundert ein jähes Ende. Der eng mit der Eisen- und Stahlindustrie verknüpfte Erzbergbau litt unter der Entdeckung reichhaltigerer Erze in Übersee. Der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges und die Verlegung der bedeutenden Handelsrouten hemmten den wirtschaftlichen Erfolg ebenso. Die „Innerberger Hauptgesellschaft“ wurde unter staatlichem Zutun 1625 gegründet, um diesen negativen Erscheinungen entgegenzuwirken, indem sie Radmeister, Großhändler und Hammerherren vereinte. Auch der Erzherzog Johann von Österreich unternahm Versuche die schwächelnde Eisen- und Stahlindustrie durch den Kauf des Radwerkes II, die Gründung der Montanuniversität Leoben 1849 und der Vordernberger Radmeister-Communität zur Revolutionierung des Erzabbaus und –förderung am steirischen Erzberg zu fördern. Trotz all jener Maßnahmen gelang es den Betrieben der Eisenwurzen erst im späten 18. Jahrhundert langsam wieder Anschluss an den weltweiten Entwicklungsstand zu finden und wirtschaftliche Bedeutsamkeit zu erlangen.[13] Mit dem Einsatz der ersten Eisenschienenbahn auf dem europäischen Kontinent 1835 überwand man in Österreich die Isolation des Wirtschaftsraumes Alpen. Bis dahin war der Transport von Waren und Rohstoffen zu teuer gewesen, um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu sein und intensivere Handelsbeziehungen aufbauen zu können. Jene neue, kostengünstige Verkehrserschließung verlagerte sich allerdings vom damaligen Produktionszentrum, dem Erzberg und seinem nördlich vorgelagerten Gebiet, in die Mur-Mürz-Furche. Die vorhandene Kleineisenindustrie lieferte zwar die Grundlage für das Aufkommen der Schwerindustrie, doch damit läutete sie gleichzeitig ihren eigenen Untergang ein. Die kleinen, weit verstreuten, gewerblichen Betriebe wurden mit der Koksverhüttung und dem neuen Eisenbahnnetz unrentabel. An ihre Stelle traten schwerindustrielle Großbetriebe, die sich in der Nähe mittelalterlicher Eisenhämmer gründeten.[14]
Die rasante Entwicklung und Nutzung produktiverer Herstellungsmethoden ließ die österreichische Stahl- und Eisenindustrie im internationalen Vergleich wieder aufholen. So wurde der Floßofen durch den effektiveren Hochofen ersetzt, an Stelle von Hammerwerken kamen nun Walzwerke zum Einsatz. Allgemein vermochten es technische Neuerungen den wirtschaftlichen Erfolg der Eisen- und Stahlherstellung grundlegend zu beeinflussen. Vor allen Dingen das Bessemer Verfahren begünstigte die Etablierung der Großbetriebe, denn es machte mit der Flussstahlerzeugung die massenhafte Stahlerzeugung möglich. Die neugegründeten Großunternehmen breiteten sich bis an den Nordrand der Alpen aus. Sie produzierten neben Roheisen und- stahl auch Edelstähle und unterschiedliche Halbfertigwaren.[15]
Im Jahr 1881 schlossen sich die steirischen und Kärntner Hüttenbetriebe zur „Österreichischen Alpine Montangesellschaft“ zusammen und verlegten ihr Hauptwerk nach Donawitz. Dieses Werk entwickelte sich bis 1907 zur größten Stahlwerksanlage Europas. In den Werken Kapfenberg, Mürzzuschlag und Judenberg spezialisierte man sich währenddessen auf die Herstellung von Sonderstählen.[16]
[...]
[1] (von Peradovic, 1945)
[2] (Bätzing, 2003, S. 72)
[3] (http://www.fafo.at/download/Studien/IWI-Studie0306.pdf)
[4] (Lichtenberger, 1997, S. 22)
[5] (Lichtenberger, 1997, S. 131)
[6] (Jülg, 2001, S. 188)
[7] (Bender & Pindur, 2004, S. 16)
[8] (Lichtenberger, 1997, S. 22)
[9] (Seroka, 2007)
[10] (Bender & Pindur, 2004, S. 16)
[11] (Bender & Pindur, 2004, S. 17)
[12] (Bender & Pindur, 2004, S. 17)
[13] (Bender & Pindur, 2004, S. 17)
[14] (Bender & Pindur, 2004, S. 17)
[15] (Gebhardt, 1990, S. 54)
[16] (Österreich Lexikon)