Die deutschen Hochschulen, vor allem die Universitäten, unterliegen seit der Etablierung des Humboldt’schen Bildungsideals immer wieder mehr oder weniger starken Veränderungen. Pasternack/von Wissel (2010) führen allein für die Zeit nach 1945 insgesamt 24 konzeptionelle Entwürfe für die Ausgestaltung und Steuerung von Hochschulen an. Auch wenn nur wenige dieser Konzepte einen hochrelevanten Einfluss auf die Hochschullandschaft Deutschlands genommen haben, so wird jedoch deutlich, dass sich ein kontinuierlicher Veränderungsprozess vollzieht, dessen Richtung und Ausgang nur schwer bestimmbar sind.
Eine recht eindeutige Entwicklung scheint hingegen die zu sein, dass die grundsätzliche Uniformität der deutschen Hochschulen, zugunsten einer spezifischen Identitätsbildung, aufgelöst wird. Ein wichtiger Bestandteil ist hierbei die Entwicklung und Publizierung von Hochschulleitbildern. Dabei gilt es, in zwei grundsätzliche Typen zu unterscheiden, nämlich die individuellen Leitbilder der Hochschulen selbst und eher konzeptionell ausgerichtete Leitbilder, welche durch Institutionen des öffentlichen Lebens ausgearbeitet und artikuliert werden.
Diese Ausarbeitung soll sich daher mit den grundlegenden Eigenschaften von Hochschulleitbildern auseinandersetzen, eine Aussage zu den aktuellen Leitbildern deutscher Hochschulen treffen und die Hochschulleitbilder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Hans-Böckler-Stiftung, sowie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) kurz vorstellen, um diese anschließend einem Vergleich unterziehen zu können. Dabei soll es allerdings nicht um eine Beurteilung der zugrundeliegenden politischen Ausrichtung der dahinterstehenden Organisationen gehen, sondern um einen rein formellen Vergleich der Zielvorgaben für die Hochschulsteuerung und damit der Hochschulgestaltung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wesen und Merkmale von Hochschulleitbildern
3. Aktueller Sachstand zu Hochschulleitbildern in Deutschland
4. Hochschulleitbilder im Vergleich
4.1. Das Hochschulleitbild des Centrums für Hochschulentwicklung
4.2. Das Hochschulleitbild der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
4.3. Das Leitbild der Hans-Böckler-Stiftung
5. Vergleich und Wertung der Leitbilder
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Wahrheiten verwandeln sich in Dogmen, sobald sie diskutiert werden.“[1] Auch wenn der englische Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton bei der Äußerung dieses Ausspruches wahrscheinlich nicht die Debatte zur Hochschulsteuerung in Deutschland im Sinn hatte, so trifft der Inhalt eben dieses Satzes durchaus dafür zu. Innerhalb dieses Diskurses betätigt sich seit einigen Jahrzehnten eine Vielzahl von Akteuren, mit teilweise vollkommen gegensätzlichen Ansichten und Forderungen.
Die deutschen Hochschulen, vor allem die Universitäten, unterliegen seit der Etablierung des Humboldt’schen Bildungsideals immer wieder mehr oder weniger starken Veränderungen. Pasternack/von Wissel (2010) führen allein für die Zeit nach 1945 insgesamt 24 konzeptionelle Entwürfe für die Ausgestaltung und Steuerung von Hochschulen an.[2] Auch wenn nur wenige dieser Konzepte einen hochrelevanten Einfluss auf die Hochschullandschaft Deutschlands genommen haben, so wird jedoch deutlich, dass sich ein kontinuierlicher Veränderungsprozess vollzieht, dessen Richtung und Ausgang nur schwer bestimmbar sind.
Eine recht eindeutige Entwicklung scheint hingegen die zu sein, dass die grundsätzliche Uniformität der deutschen Hochschulen, zugunsten einer spezifischen Identitätsbildung, aufgelöst wird.[3] Ein wichtiger Bestandteil ist hierbei die Entwicklung und Publizierung von Hochschulleitbildern. Dabei gilt es, in zwei grundsätzliche Typen zu unterscheiden, nämlich die individuellen Leitbilder der Hochschulen selbst und eher konzeptionell ausgerichtete Leitbilder, welche durch Institutionen des öffentlichen Lebens ausgearbeitet und artikuliert werden.
Diese Ausarbeitung soll sich daher mit den grundlegenden Eigenschaften von Hochschulleitbildern auseinandersetzen, eine Aussage zu den aktuellen Leitbildern deutscher Hochschulen treffen und die Hochschulleitbilder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Hans-Böckler-Stiftung, sowie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) kurz vorstellen, um diese anschließend einem Vergleich unterziehen zu können. Dabei soll es allerdings nicht um eine Beurteilung der zugrundeliegenden politischen Ausrichtung der dahinterstehenden Organisationen gehen, sondern um einen rein formellen Vergleich der Zielvorgaben für die Hochschulsteuerung und damit der Hochschulgestaltung.
2. Wesen und Merkmale von Hochschulleitbildern
Evelies Mayer definierte auf einer Fachtagung der Humboldt-Universität zu Berlin und der Hochschulrektorenkonferenz den Begriff des Hochschulleitbildes als „(...) ein adäquates Verständnis von Aufgaben und Pflichten einer Hochschule sowie ihrer künftigen Entwicklung. Es geht um eine Standort- und Zielbestimmung für das nächste Jahrhundert.“[4] Nach dieser Formulierung beschreibt das Leitbild also ein Verständnis, oder auch ein Ideal, der eigenen Kompetenzen und Verantwortung. Weiterhin ist die temporäre Ausrichtung festgelegt. Es handelt sich dabei eindeutig um einen langfristigen Ansatz auf strategischer Ebene. Demnach liefert ein Leitbild keine konkreten Handlungsanweisungen für den alltäglichen Gebrauch, sondern eher ein übergeordnetes Ziel, an welchem sich das Handeln und Wirken aller Akteure der Hochschule ausrichten soll.
Volker Meyer-Guckel und Daniela Mägdefessel weiten die Definition nach Mayer (2000) noch aus, indem sie auch das Außenverhältnis der Hochschule mit in den Begriff des Hochschulleitbildes integrieren. Für Meyer-Guckel/Mägdefessel (2010) umfasst ein Leitbild die „(...) Klärung und Darstellung des Selbstverständnisses einer Hochschule nach außen und innen.“[5] Nach dieser Begriffsbestimmung dient das Hochschulleitbild, außer den Aufgaben, welche bereits durch Mayer (2000) genannt werden, auch der Darstellung und Vermarktung der Hochschule in der Öffentlichkeit. Somit dient das Leitbild einerseits als strategisches Steuerungsinstrument und andererseits als Marketing- und Vermarktungsinstrument. Diesem Ansatz folgt auch Justine Suchanek, indem sie, neben den bereits erwähnten Funktionen, den Aspekt der Werbung, bzw. Image und der Legitimation.[6]
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass ein Hochschulleitbild zwei grundsätzliche Funktionen hat, nämlich zum einen als Führungsinstrument der strategischen Ebene, indem sie die Umsetzung von Strategien und die Zielerreichung unterstützen. Sie fungieren als informelle Zielvereinbarung zwischen Hochschulleitung und den Angehörigen der Hochschule und bilden so einen sozialen Kontrakt, welcher motivierende und koordinierende Aufgaben erfüllt. Zum anderen wird mit Hilfe des Leitbildes ein bestimmtes Bild an die Umwelt der Hochschule übermittelt. Diese Selbstdarstellung dient des Weiteren der Werbung, bzw. Attraktivitätssteigerung, sowie auch der Legitimation. Über die Vermittlung einer positiven und überzeugenden Selbstdarstellung sollen auch Vorteile im Wettbewerb um Studierende, sowie Lehr- und Forschungspersonal errungen werden.[7]
3. Aktueller Sachstand zu Hochschulleitbildern in Deutschland
Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat im August 2010 eine Studie durchgeführt, in welcher die individuellen Leitbilder deutscher Hochschulen untersucht und verglichen wurden.[8] Ziel dieser Untersuchung war es festzustellen, ob die jeweiligen Hochschulleitbilder dazu geeignet sind, ihre Informations- und Differenzierungsfunktion zu erfüllen. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit sollen im Folgenden kurz dargelegt werden.
Wie sich herausstellte, verfügen rund zwei Drittel aller Hochschulen in Deutschland über ein veröffentlichtes Leitbild. Als Quelle verwendete der Stifterverband dabei die jeweilige Internetpräsenz der Fachhochschulen, bzw. Universitäten. Die aufgeführten Ziele und Aufgaben waren dabei nahezu deckungsgleich mit den Hochschulgesetzen der jeweiligen Bundesländer. Die Themenfelder Weiterbildung und Wissenstransfer fanden dabei, trotz gesetzlich vorgeschriebener Verbindlichkeit, nicht bei allen Leitbildern Beachtung.[9]
Maßgeblicher Kritikpunkt an sämtlichen Leitbildern war allerdings die mangelnde Konkretisierung der gesteckten Ziel und formulierten Aufgaben. Die Autoren führen an, dass sich die Hochschulen mit „(...) aussagelosen Stichworten und Topoi (...)“[10] begnügen, ohne diese mit eigenen Ideen und Idealen auszufüllen. Das fast vollständige Fehlen der Aspekte: Personalentwicklung, Öffentlichkeitsdialog, Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein, Wirtschaftlichkeit und Pflege privater Förderer wird zudem als einseitige und angebotsorientierte Denkweise kritisiert.[11]
Abschließend kommen Meyer-Guckel/Mägdefessel (2010) zu dem Fazit, dass die Leitbilder insgesamt zu indifferent seien. Zwischen den Hochschulen kommt es, auch überregional, zu „Auffälligen Übereinstimmungen in Häufigkeit und Aussageinhalten (...)“[12]. Aus diesem Grund, und weil die Ziele und Aufgaben zu allgemein formuliert werden, würden die derzeit vorhandenen Leitbilder weder ihrer Rolle als profilbildende Leitideen mit Steuerungsfunktion, noch der Aufgabe als Informations-, Werbungs- und Legitimationsinstrument gerecht.[13]
4. Hochschulleitbilder im Vergleich
Nachdem das Wesen und die Funktion von Hochschulleitbildern im Spezifischen dargestellt, sowie die aktuelle Situation zur Ausprägung individueller Hochschulleitbilder aufgezeigt wurde, soll nun die Betrachtung allgemeiner Leitbilder, zu Steuerung und Ausrichtung von Hochschulen, in den Fokus rücken. Im Folgenden werden dazu die veröffentlichten Leitbilder des CHE, der GEW und der Hans-Böckler-Stiftung zunächst kurz skizziert, um anschließend einen Vergleich durchführen zu können.
Vorab sei an dieser Stelle noch bemerkt, dass es sich nicht um Hochschulleitbilder nach der eingangs angeführten Definition handelt. Vielmehr sind dies wissenschaftspolitische Programme, welche die jeweiligen Akteure und Institutionen erarbeitet und publiziert haben. Diese Programme haben nicht die Aufgabe, eine einzelne Hochschule abzugrenzen, sondern proklamieren einen bestimmten Typus, eine strategische Ausrichtung des Wirken und Handelns von Hochschulen im Allgemeinen.
4.1. Das Hochschulleitbild des Centrums für Hochschulentwicklung
Die Hochschule befindet sich nach dem Konzept des CHE grundsätzlich in einem ständigen Wettbewerb. Dieser zeichnet sich nicht durch das Ringen um fachliche Reputation aus, sondern durch die Konkurrenz der Hochschulen um Marktanteile, welche nach den Kriterien betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente bewertet werden. Um die Parameter und Instrumente der Betriebswirtschaftslehre auf eine Hochschule anwenden zu können, wird das Modell des New Public Management herangezogen. Dieses versucht ursprünglich, die betriebswirtschaftliche Ausrichtung und Steuerung der öffentlichen Verwaltung zu ermöglichen, indem es ökonomische Prinzipien und Denkweisen entsprechend adaptiert. Aufgrund der relativen Ähnlichkeit der Organisation und systemischen Struktur lässt sich dieses Modell auch auf den Bereich der Hochschulsteuerung transferieren.[14]
Die Hochschule befindet sich also im Wettbewerb um knappe Ressourcen. Dabei handelt es sich einerseits um Personal, andererseits um materielle Ausstattung, wie beispielsweise Drittmittel oder Förderung aus der Industrie. Zudem bietet die Hochschule nach dem Leitbilder des CHE die Produkte Lehre und Forschung auf dem quasiökonomischen Bildungs- und Forschungsmarkt an. Nach dieser Positionsbestimmung befindet sich die moderne Hochschule im Steuerungsfeld der Betriebswirtschaftslehre und müssen sich entsprechenden „wirtschaftlichen Rationalitätskalkülen wie Effizienz oder Produktivität öffnen und innerhalb von Tauschverhältnissen und Konkurrenz operieren.“[15]
Unter der Schirmherrschaft des CHE sind im Verlauf der letzten Jahre einige programmatische Konzepte entwickelt worden, um die ‚Hochschule im Wettbewerb‘ konzeptionell darzustellen. Bekanntester Titel ist hier wohl der der „Entfesselten Hochschule“[16]. Allen gemeinsam ist eine Menge an Forderungen an die Hochschule, welche Pasternack/von Wissel (2010) wie folgt anführen: Wettbewerb als Leistungsanreiz, verbesserte Wirtschaftlichkeit und Ausrichtung des inhaltlichen Leistungsangebotes an gesellschaftlichen und ökonomischen Anforderungen.[17]
Die zentralen Elemente der Hochschulsteuerung orientieren sich an den wettbewerblichen Elementen der Ökonomie. Sie beinhalten beispielsweise die Aspekte Hochschulmanagement als Steuerungsparameter, Autonomie und Dezentralisierung, Deregulierung, dezentrale Ressourcenverantwortung und leistungsabhängige Mittelvergabe. Zur dezentralen Steuerung und Kontrolle werden die Instrumente des Qualitätsmanagements, bzw. der Evaluation, das Controlling, Personalmanagement und Marketing angeführt.[18]
Zusammenfassen kann man für das Leitbild des CHE aussagen, dass die Steuerung der Hochschulen verstärkt dezentralisiert wird, wobei sich die Verteilung von Mitteln und Personal durch einen fiktiven Forschungs- und Bildungsmarkt selbstständig reguliert. Angetrieben vom Wettbewerb sehen sich die Hochschulen in der Position eines Unternehmers, welcher sein (Bildungs-)Produkt auf einem weiten Markt gegen andere Mitbewerber durchsetzen muss. Dieser Marktdruck führt als Leistungsanreiz zu stetiger Optimierung der Effektivität und Effizienz der Hochschule und sichert so die Qualität der gesamten Hochschullandschaft bei gleichzeitig verbesserter Wirtschaftlichkeit.
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[1] Online abrufbar unter http://www.zitate.de/kategorie/Diskussion/ [Zugriff am 21.07.2011; 19:30 Uhr].
[2] Pasternack/von Wissel 2010, S.6f.
[3] Kosmuetzky 2010, S. 17.
[4] Mayer 2000, S. 20.
[5] Meyer-Guckel/Mägdefessel 2010, S.1.
[6] Vgl. Suchanek 2009, S.466f.
[7] Vgl. Suchanek 2009, S. 467f.
[8] Vgl. Meyer-Guckel/Mägdefessel 2010.
[9] Ebd. S. 1f.
[10] Meyer-Guckel/Mägdefessel 2010, S. 2.
[11] Vgl. Meyer-Guckel/Mägdefessel 2010, S.3f.
[12] Meyer-Guckel/Mägdefessel 2010, S.3.
[13] Vgl. Meyer-Guckel/Mägdefessel 2010, S.3ff.
[14] Vgl. Pasternack/von Wissel 2010, S.41.
[15] Pasternack/von Wissel 2010, S.41.
[16] Vgl. Müller-Böling 2000.
[17] Vgl. Pasternack/von Wissel 2010, S.42.
[18] Ebd. S. 42f.