Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Analyse des Sound Designs in der Romanverfilmung „No Country for Old Men“, von Ethan und Joel Coen, aus dem Jahr 2007. Der Film kann als eine Mischung aus Neo-Noir-Western, Psychothriller und Gangster-Ballade beschrieben werden, der auch Elemente einer schwarzen Komödie vorweist und mit vier Oscars ausgezeichnet wurde. Gerade aufgrund des unüblichen Verzichts auf Filmmusik, der knappen Dialoge mit viel Raum und der langen Kameraschnitte, nimmt das Sound Design in „No Country for Old Men“ eine tragende Rolle ein und erhielt je eine Nominierung für den besten Ton und besten Tonschnitt. Mit den Worten von Ethan Coen: „Even in a movie like this where people think the sound is minimal, it’s actually maximal in terms of the effects and how they’re handled.“
Zusammenhängend wird zunächst die Geschichte des Tons im Medium „Film“ thematisch angerissen und dann die Unterschiede der Tonspuren des klassischen Hollywood und des New Hollywood kenntlich gemacht. Begrifflich wird das Sound Design folgend in den Kontext des New Hollywood eingebunden und terminologisch festgelegt, wobei näher auf die narrativen Funktionen dessen eingegangen wird. Im dritten Kapitel wird an den Beispielen des Windes, Wassers, Donners und Metall der Einsatz von Materialien im filmischen Kontext und dessen Symbolgehalt beschrieben. Nach Aneignung dieser theoretischen Grundlagen erfolgt im Kapitel 5 die Analyse des Sound Designs in „No Country for Old Men“ an ausgewählten Beispielen. Unter der Berücksichtigung des inhaltlichen Themas und der Fragestellung wird erörtert, inwieweit dieses Grundthema seitens der Tonspur unterstützt und kommentiert wird. In der nachfolgenden Gesamtbetrachtung erfolgt abschließend eine übergeordnete Reflexion des Theoriegebildes, sowie der des Films in Bezug auf das Sound Design und es wird die handlungstragende Rolle der Tonspur herausgearbeitet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Geschichte des Tons
2.1 Sound Design - Eine Erfindung des New Hollywood
3. Die Klanglichkeit der Materialien im filmischen Kontext
3.1 Wind
3.2 Wasser
3.3 Metall
3.4 Donner
4. Das Sound Design in No Country for Old Men
5. Die Analyse des Sound Designs in No Country for Old Men
5.1 Die Eingangssequenz (0:00min.-2.37min.)
5.2 Die Klanglichkeit der weiteren Materialien Wasser und Donner im Kontext von No Country for Old Men
5.3 Wasser (Bsp.: Chigurhs Waschzwang 3:40min.-3:45min.)
5.4 Donner (Bsp.: Annahme des Drogengeldes 13:00 min.-13:05 min.)
5.5 Hyper-Real Sound (Bsp.: Chigurhs Mord am Sheriff 3:00 min.-3:35min.)
5.6 Dominanz der Tonspur (Bsp.: Hotelszene 56.00 min-58.20 min.)
6. Schlussbetrachtung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Analyse des Sound Designs in der Romanverfilmung No Country for Old Men, von Ethan und Joel Coen, aus dem Jahr 2007. Der Film kann als eine Mischung aus Neo-Noir-Western, Psychothriller und Gangster-Ballade beschrieben werden, der auch Elemente einer schwarzen Komödie vorweist und mit vier Oscars ausgezeichnet wurde. Gerade aufgrund des unüblichen Verzichts auf Filmmusik, der knappen Dialoge mit viel Raum und der langen Kameraschnitte, nimmt das Sound Design in No Country for Old Men eine tragende Rolle ein und erhielt je eine Nominierung für den besten Ton und besten Tonschnitt. Mit den Worten von Ethan Coen: „Even in a movie like this where people think the sound is minimal, it’s actually maximal in terms of the effects and how they’re handled.“1
Zusammenhängend wird zunächst die Geschichte des Tons im Medium „Film“ thematisch angerissen und dann die Unterschiede der Tonspuren des klassischen Hollywood und des New Hollywood kenntlich gemacht. Begrifflich wird das Sound Design folgend in den Kontext des New Hollywood eingebunden und terminologisch festgelegt, wobei näher auf die narrativen Funktionen dessen eingegangen wird. Im dritten Kapitel wird an den Beispielen des Windes, Wassers, Donners und Metall der Einsatz von Materialien im filmischen Kontext und dessen Symbolgehalt beschrieben. Nach Aneignung dieser theoretischen Grundlagen erfolgt im Kapitel 5 die Analyse des Sound Designs in No Country for Old Men an ausgewählten Beispielen. Unter der Berücksichtigung des inhaltlichen Themas und der Fragestellung wird erörtert, inwieweit dieses Grundthema seitens der Tonspur unterstützt und kommentiert wird. In der nachfolgenden Gesamtbetrachtung erfolgt abschließend eine übergeordnete Reflexion des Theoriegebildes, sowie der des Films in Bezug auf das Sound Design und es wird die handlungstragende Rolle der Tonspur herausgearbeitet.
2. Die Geschichte des Tons
Die Untermalung einer bildlich dargestellten Handlung beginnt bereits ca. 3000 v. Chr. im Theater, welche mit Geräuschen und Musik hinterlegt wurde und somit historisch als Geburtsstunde des Sound Designs deklariert werden kann. Die Bedeutung von Musik und Geräuschen auf der Bühne wird darauffolgend zu einem wichtigen Bestandteil im italienischen Theater der Renaissance und übernimmt eine tragende Mittlerfunkion bei der Erzählung und Vermittlung der Handlung. „We gestate in Sound, and are born into Sight. Cinema gestated in Sight, and was born into Sound.“2 Die erste synchrone Aufnahme von Film und Ton entstand unterdessen im Jahr 1894 unter der Leitung von W.K.L. Dickson, der mithilfe eines Kinotographen Töne auf einer Metallspule speicherte. Trotz dieser technischen Innovation dauerte es noch eine ganze Zeit bis der Stummfilm von Tonfilm abgelöst wurde. Grund dafür war die mangelhafte Aufzeichnungsqualität. Unterdessen war der Stummfilm nie wirklich stumm. So war die Musik schon ein wichtiger Bestandteil, da diese ihm zu mehr Tiefe verhalf und den starken Geräuschpegel des Filmprojektors überdeckte.3 Realisiert wurde die Musik allerdings live durch ein Musikerensemble, wobei zumeist ein Klavierspieler das Bildgeschehen durch passende Melodien untermalte und ein Schlagzeuger oder. Percussionist half, die Geräusche im Stummfilm zu synchronisieren. Doch mit der Zeit langweilten die wiederkehrenden Melodien die Kinobesucher und auch der Versuch den Stummfilm mittels Filmerklärer mehr Ausdruck zu verleihen, brachte keinen Erfolg.
Im Jahr 1922 entwickelten Josef Engl und Hans Vogt den TriErgon, eine Weiterentwicklung des Kinetographen, bei dem im Lichttonverfahren Bild und Ton gleichzeitig auf ein Trägermedium aufgezeichnet wird und im Zuge dessen, der Lichtton als erstes Filmtonverfahren gilt.4 Fox Studios erwirbt dieses Patent 1927. Die weltweite Wachablösung des Stummfilms durch den Tonfilm vollzog sich fortan binnen circa 10 Jahren, da sich dessen Vorteile, z.B. bei der Quailtätssicherung, immer mehr durchsetzten. Heinz Hiebler hält fest, dass die „Geschichte des Sounds [...] von zwei Komponenten wesentlich determiniert [wurde]: Erstens von der Leistungsfähigkeit der Aufnahmetechnik und zweitens von deren kultureller (und das heißt auch ökonomischer) Funktionalisierung.“5 So hatte durch das parallele Abspielen von Ton und Bild die Größe des Kinosaals oder die wechselnde Besetzung von Musikern keinen Einfluss mehr auf das visuelle Bild des Zuschauers. Im Jahr 1926 bringt derweil Warner Brothers das Vitaphone-System mittels Nadeltonverfahren hervor, welches den Filmprojektor mit einem Schallplattenspieler verband und dieser durch eine Nadel abgetastet wurde. Neben dem Film Don Juan aus dem Jahr 1926, ist besonders das ein Jahr später entstandene Drama The Jazz Singer von Alan Crosland hervorzuheben, welches sich durch erste Gesangs- und Sprachaufnahmen auszeichnete und sich als Meilenstein in der Ära des Tonfilms etablierte. Obwohl beide Filme durch das Nadeltonverfahren realisiert wurden und insbesondere The Jazz Singer großen Erfolg verbürgte, konnte sich das Verfahren nicht dominieren. Schon Anfang der 30er Jahre setzte sich das Lichttonverfahren vollends durch und war fortan international verbreitet. Besonders hervorzuheben gilt, dass die Einflussnahme des Stummfilms mit der entsprechenden Nachrealisierung der Tonebene so konstitutionell im Tonfilm verankert liegt, dass sich dessen Erstfilme allesamt dadurch auszeichneten, dass sie viel Musik und wenige Dialoge und Geräusche enthielten.
Neben dem Disney Cartoon Steamboat Willie (1928) als ersten Film mit komplettem Soundtrack, Dialogen und Soundeffekten, geht insbesondere der US-Film King Kong (1935) der Filmgesellschaft RKO6 in die Geschichte des Tonfilms ein mit eigens komponierter Filmmusik7 von Max Steiner.
Wohlgleich der mehrspurige Ton bereits in den 40er Jahren in Disney's Fantasia in Form des Stereoformats realsiert wurde, feierte er seinen Durchbruch erst Ende der 70er Jahre unter dem Namen Dolby Stereo, einem matrizierten 4-Kanal- Lichttonverfahren, in welches das Rauschunterdrückungssystem Dolby A, bzw. Dolby SR integriert wurde. Fortan wurde der Ton nicht nur technisch, sondern auch ästhetisch in den Vordergrund gerückt, die die Ära des New Hollywood einleitete.
2.1 Sound Design - Eine Erfindung des New Hollywood
Galt im klassischen Hollywood noch die Devise „See a Dog - hear a Dog“8 da aufgrund technischer Mängel des Lichttonverfahrens viele Klangobjekte nicht auditiv zu identifizieren waren und somit einer visuellen Unterstützung benötigten,9 so begann Mitte der 70er ein neuer innovativer Ansatz im Umgang mit der Tonspur. Barbara Flückiger sieht insbesondere in den zwei Produktionen Star Wars (1977), von George Lucas, und Apokalypse Now (1979), von Francis Ford Coppola, den „Wendepunkt in der Geschichte des Kinotons.“10 Weiter schreibt Flückiger: „Kreischende Jets sausen über die Köpfe des Publikums, und Hubschrauber durchfliegen alle vier Quadranten des Kinoraums.“11 Diese neu gestaltete Umsetzung, das Herauslösen von produktionsbedingten Konventionen, wurde Markenzeichen dieser neuen Filmemacher und sie schafften eine neue Tonästhetik, welche sich vom Klassischen Hollywood deutlich abhob. Das traditionelle Verhältnis von Bild und Ton wurde gebrochen, und der Ton wurde zu einem eigenständigen Instrument des Erzählens. Auch Michael Chion benennt diesen neu entstandenen Raum im Film, der sich außerhalb des akustischen Umfeld des Bildes befindet. 12 Stand das Klassische Hollywood noch unter dem Stern der Weiterführung des Studiosystems unter der Vermeidung von Experimenten mit klarer Funktion, den Ton nur unterstützend zum Bild zu montieren, so bildete sich im New Hollywood eine eigenständige souveräne Tonspur, welche Flückiger wie folgt erläutert:
„Mit Souveränität ist gemeint, das die Tonspur aus einer Position der Eigenständigkeit in einen Dialog mit den anderen Elementen des Films tritt. Sie formuliert einen eigenständigen kommunikativen und emotional wirksamen Output, der unter anderem dadurch zustande kommt, dass ausdifferenzierte klangliche Elemente zueinander in Beziehung treten.“13
Auch der Begriff des Sound Designers wurde im Zuge dessen erstmalig 1974 von Coppola und Walter Murch für Apokalypse Now geschaffen, jedoch scheiterten die Versuche einer einheitlichen Definition bis in die heutige Zeit, was dazu führt, dass weder das Sound Design, noch der Begriff des Sound Designers klar definiert sind.14
Um nichtsdestotrotz eine für den Rahmen der Arbeit notwendige Eingrenzung des Gegenstandsbereiches, beziehungsweise Einsicht in das Tätigkeitsfeld des Sound Designers zu erlangen, stütze sich diese Arbeit im Folgenden auf die Definition Flückigers:
„Die Tätigkeit eines Sound Designers umfasst die Erarbeitung eines tonästhetischen Gesamtonzepts für die Bereiche Sprache und Geräusch, die Kommuniktation mit dem Komponisten, die Kreation von einzelnen Klängen und ihre Montage sowie die Koordination von Arbeitsprozessen und - zielen der verschiedenen Abteilungen inklusive Geräuschemacher und Nach- synchronisation. Anders als der Leiter des Tondepartments im Studiosystem ist der Sound Designer nicht nur Manager, sondern auch zentrale kreative Instanz. Er entwickelt einen Stil, er schafft mit klanglichen Elementen dramaturgische Verbindungen zwischen Figuren, Orten und Objekten und erweitert die emotionale Dimension des Films mit subtilen Transformationen des Tonmaterials.“15
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass das Sound Design in der Postproduktion stattfindet und in drei Bereiche unterteilt werden kann. Zum Ersten die Sprache, die in verschiedener Weise im Film auftaucht. Typische Varianten sind Dialog, Monolog und Over-Voice. Zweitens die Klänge, wobei die Filmmusik als solche zumeist vom Prozess des Sound Designs ausgenommen wird, da sie durch ihre Komplexität eine Sonderstellung im Film einnimmt. Als dritten Teilbereich gilt es die Sound Effekte zu nennen. Alle drei Bereiche haben gemein, dass sie in erster Linie eine Realität oder Authentizität des Films für den Rezipienten schaffen sollen und ebenso eine Orientierung bieten, um die Bildwirkung zu unterstützen. Flückiger spricht in diesem Zusammenhang sinngemäß von einer „Kardinalsfunktion der Tonspur (...)“16 im Zusammenspiel von Bild und Ton Zusammenhänge zu schaffen und in „(...) einem übergeordneten Ganzen zu verankern. Damit unterstützt die Tonspur die Orientierung (…).“17
[...]
1 Dennis Lim: The Oscars. Exploiting Sound, Exploring Silence. In: The New York Times. <http://www.nytimes.com/2008/01/06/movies/awardsseason/06lim.html?pagewanted=print&_r=0>. Datum des Zugriffs: 25.09.2012.
2 Michael Chion: Audio-vision. Sounds on Screen. New York 1994, S.VII
3 Vgl. Isabell Raynauld: Dialogues in Early Silent Screenplays: What Actors Really Said. In: The Sounds of Early Cinema. Hg. von Richard Abel & Rick Altmann. Bloomington/Indianapolis 2001, S. 69-78.
4 Vgl. Barbara Flückiger: Sound Design. Die virtuelle Klangwelt des Films. 3. Auflage 2007, S. 28.
5 Heinz Hieber: Der Sound zwischen technischen Möglichkeiten und kulturellen Ansprüchen - Eine Medienkulturgeschichte der Tonträger. In: Sound. Zur Technologie und Ästhetik des Akustischen in den Medien. Hg. von Harro Segeberg & Frank Schätzlein. Marburg 2005, S.210.
6 Amerikanisches Filmproduktionsunternehmen.
7 In der Filmsprache auch als Score bezeichnet.
8 Flückiger 2007, S. 135.
9 Vgl. ebenda, S. 136f.
10 Ebenda, S. 13.
11 Ebenda, S. 13.
12 Vgl. Chion 1990, S. 3ff.
13 Flückiger 2007, S. 133.
14 Vgl. Tom Kenny: Sound for Picture: The Art of Sound Design in Film and Television. Hal Leonard Publ. Corp., 1999.
15 Flückiger 2007, S. 18.
16 Ebenda 2007, S. 298.
17 Flückiger 2007, S. 298.