Einleitung
Martin Luther wurde oft als „Schöpfer“ der neuhochdeutschen Schriftsprache betrachtet. Aber dies ist völlig falsch, denn Luther hat sich über das von ihm geschriebene Deutsch so geäußert:“ ich habe keine gewisse sonderliche eigene Sprache im Deutschen, sondern brauche der gemeinen deutschen Sprache, das mich beide, Ober- und Niederländer, [d.i.Hoch –und Niederdeutsche] verstehen mögen. Ich rede nach der Sechsischen Cantzelei, welcher nachfolgen alle Fürsten und Könige in Deutschland. Alle Reichstete , Fürstenhöfe schreiben nach der sechsischen und unsers Fürsten Cantzelei ,darumb ists auch die gemeinste deutsche Sprache. „(Wolf ,1996,S. 32f.). Wir können diese Worte so verstehen: Martin Luther hat seine Sprache systematisch von allen lokalen Einflüssen freigemacht. Sie gehört keiner Mundart an, sondern einer Gattung des Hochdeutschen und wurde auch nicht, wie man vermuten könnte, von Luther geschaffen, sondern basiert auf dem früheren „ Gemeindeutschen „. Zwar ist Luther kein Schöpfer, aber seine Sprache hat dennoch großen Einfluss auf die Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache. Ich werde dies im Folgenden anhand der Analyse seines Lautstandes von Vokalen und Konsonanten, der Entwicklung seiner Formenbildung des Verbs und des Substantivs zeigen , aber auch auf syntaktische Erscheinungen sowie auf den Wortschatz eingehen.
Inhalt
Einleitung
1. Der Lautstand in Luthers Sprache
1.1 Vokalismus
1.1.1. Übereinstimmungen mit dem Neuhochdeutschen
1.1.1.1. Diphthongierung
1.1.1.2. Monophthongierung
1.1.1.3. Dehnung kurzer Vokale
1.1.1.4. Senkung von mittelhochdeutschen u , ü und i
1.1.2. Abweichungen vom Neuhochdeutschen
1.1.2.1. Das e in unbetonten Nebensilben
1.1.2.2. Andere lautliche Abweichungen
1.2. Konsonantismus.
1.2.1. Die Entwicklung der s -Laute
1.2.2. Die Entwicklung des mittelhochdeutschen h
2. Formenbildung
2.1. Formenbildung des Substantivs bei Luther
2.1.1. Der Rückgang der Kasuskennzeichnung
2.1.2. Der Ausbau der Numerusopposition
2.1.3. Artikelgebrauch
2.2.Formenbildung des Verbs --Konjugation des Verbs
2.2. Analytische Formenbildung bei Luther
3. Luthers syntaktische Übereinstimmungen mit dem Nhd. und sein Wortschatz
3.1.Luthers Übereinstimmungen bei der Ausbildung des nominalen Rahmens in der Substantivgruppe mit dem Nhd
3.2. Die Ausbildung des prädikativen Rahmens
3.3. Luthers Wortschatz
4. Forschungen um Luther und seine Sprache
Schluss
Einleitung
Martin Luther wurde oft als „Schöpfer“ der neuhochdeutschen Schriftsprache betrachtet. Aber dies ist völlig falsch, denn Luther hat sich über das von ihm geschriebene Deutsch so geäußert:“ich habe keine gewisse sonderliche eigene Sprache im Deutschen, sondern brauche der gemeinen deutschen Sprache, das mich beide, Ober- und Niederländer, [d.i.Hoch –und Niederdeutsche] verstehen mögen. Ich rede nach der Sechsischen Cantzelei, welcher nachfolgen alle Fürsten und Könige in Deutschland. Alle Reichstete , Fürstenhöfe schreiben nach der sechsischen und unsers Fürsten Cantzelei ,darumb ists auch die gemeinste deutsche Sprache. „(Wolf ,1996,S. 32f.). Wir können diese Worte so verstehen: Martin Luther hat seine Sprache systematisch von allen lokalen Einflüssen freigemacht. Sie gehört keiner Mundart an, sondern einer Gattung des Hochdeutschen und wurde auch nicht, wie man vermuten könnte, von Luther geschaffen, sondern basiert auf dem früheren „ Gemeindeutschen „.
Zwar ist Luther kein Schöpfer, aber seine Sprache hat dennoch großen Einfluss auf die Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache. Ich werde dies im Folgenden anhand der Analyse seines Lautstandes von Vokalen und Konsonanten , der Entwicklung seiner Formenbildung des Verbs und des Substantivs zeigen , aber auch auf syntaktische Erscheinungen sowie auf den Wortschatz eingehen .
1. Der Lautstand in Luthers Sprache
Für die Analyse soll folgendes Beispiel aus Luthers Fabelübersetzungen dienen: „Vom Frosch und der Maus“.
Vom frosch und der maus
Eine maus were gern vber ein wasser gewest und kundte nicht , und bat einen frossch vmb rat und hülffe ,Der frosch war ein schalk und sprach zur maus ,binde deinen fus, so wil ich schwimmen, und dich hinüber zihen , da sie aber auffs wasser kamen , tauchet der frosch hin untern , und wolt die maus ertrenken , Inn dem aber die maus sich weret und erbeitet , fleuget ein weyhe daher , und erhaschet die maus, ,zeucht den frosch auch mit eraus und frisset sie beide .
Lehre
Sihe dich für ,mit wem du handelst , die wellt ist falsch und vntrew vol denn welcher freünd den andern vermag der steckt yhn inn sack , Doch ,,schlegt vntrew allzeit yhren eigen herrn ,wie dem frosch hie geschicht
1.1. Vokalismus
1.1.1.Übereinstimmungen mit dem Neuhochdeutschen
Schon bei Luther gab es viele Übereinstimmungen mit dem Neuhochdeutschen. Im Vergleich mit charakteristischen Merkmalen des klassischen Mittelhochdeutschen und der hochdeutschen Literatursprache des 13. Jahrhunderts traten sie besonders klar hervor und kennzeichneten die neue Qualität der Laute und Phoneme.
1.1.1.1.Diphthongierung
Die neuen Diphthonge ei [ae] , au [ao] und eu [ø] , die seit dem 12. Jahrhundert aus dem Mittelhochdeutschen î [i:], û [u:] und iu [y:] entstanden, können wir anhand einiger Beispiele aus der Fabel verdeutlichen:
„deinen , meinen , weyhe , allzeit“ für ei
„maus, tauchet, auffs, eraus“ für au
„zeucht, vntrew, freünd“ für iu
Bei Luther trat zusätzlich noch eine neue Veränderung ein : auch die mittelhochdeutschen Diphthonge ei [ei] , ou [ou] und öu [öu] wurden zu den Diphthongen ei , au und eu.Diese Entwicklung fiel mit den aus dem Mittelhochdeutschen î, û und iu entstandenen Diphthongen zusammen .
1.1.1.2.Monophthongierung
Die mittelhochdeutschen Diphthonge ie [ie] , uo [uo] und üe [ye] wurden zu den langen Vokalen i [i:] , u [u:] und ü [ y:] monophthongiert .Als Beispiele sind „zur , fus , zihen, sie ,hie , die „ zu nennen .
1.1.1.3.Dehnung kurzer Vokale
Dieser Lautwandel begann schon im 11. Jahrhundert im Nordwesten des deutschen Sprachgebietes, und seit dem 15. Jahrhundert wurde dies in Schriften der kursächsischen Kanzlei bezeugt.
Zunächst wurden nur kurze Vokale in offener Silbe gedehnt: mhd. fri-de > nhd.Friede. Später wurden auch Vokale in geschlossener Silbe gedehnt , allerdings unter verschiedenen Bedingungen : Erstens vor bestimmten Konsonanten ,vor allem vor r , l , m und n , Bespiele dafür bei Luther sind „der , war , wem ,den ,dem“ . Zweitens bei unterschiedlichem Stammvokal in Formen des gleichen Wortes, wie zum Beispiel „sprach“ oder „geschicht“.
1.1.1.4. Die Senkung von mittelhochdeutschen u, ü und i
Parallel zur Monophthongierung entwickelte sich die mittelhochdeutsche Senkung: o < u, ö < ü, e < i.
Diese setzte sich häufig vor Nasalen und Nasalverbindungen durch, aber auch vor r plus Konsonanten.
Luthers Schriften zeigen in vielen Fällen diesen Übergang, aber er wechselte die jüngeren und die älteren Formen auch sehr häufig, wie zum Beispiel konte—kundte. In unserer Fabel finden wir dafür aber leide nur ein Beispiel, nämlich „ kundte „. Aber in seinen anderen Schriften war es klar , dass „ konte“ neben „ kundte“ stand und es noch viele solche Beispiele gab , z.B. frum/from , trucken/trocken ,ertrunnen/ertronnen usw. .
1.1.2. Die Abweichungen vom Neuhochdeutschen
„Die persönliche Sprachform Luthers stimmt im lautlichen Bereich einerseits voll zum Neuhochdeutschen, weicht aber andererseits mehr oder weniger davon ab“. (Arndt,1983, S.143 )
Auch in unserer Fabel befinden sich viele solche Abweichungen:zum Beispiel (Luther—Nhd) vmb—um, hülffe—Hilfe, tauchet—tauchte usw.
1.1.2.1. Das e in unbetonten Nebensilben
In ein und derselben Wortform standen Luther mehrere Lautvarianten zur Verfügung : wolt neben wolte ,tauchet neben tauchte usw. .Und wie wählte er ?
Für ihn sind bei der Auswahl die rhythmischen Gesichtspunkte wichtiger als die grammatischen .Deswegen ließ er das e, das eigentlich die eindeutige Kennzeichnung der grammatischen Aussage für 3. Person Singular Präteritum war , zwischen gleichen oder ähnlichen Konsonanten ausfallen , wie etwa zwischen t und d in wolt(e) und tauchet(e) .
Wegen des Ausfalls vom e kann man bei Luther nur aus dem Kontext erkennen, welche Versform vorlag, die 3. Pers. Sg . Prät oder die 3. Pers. Sg. Präs . Klar ist, dass die Wortformen für Luther mit oder ohne e fakultative Varianten waren.
1.1.2.2 .Andere lautliche Abweichungen
Andere Abweichungen in der Fabel sind Erscheinungen aus der landschaftlichen Bindung der Lutherschen Sprachform, wie der Ausfall des anlautenden h bei „eraus“ und der Ausfall des auslautenden r bei „hie“.
Ein solches Schwanken zwischen unterschiedlichen Lautungen, wie kundte—konnte, vmb—um, hülffe—hilfe, für—vor, war im 16. Jahrhundert charakteristisch.
Alles, was wir oben dargestellt haben, verweist darauf, dass es in damaliger Literatursprache noch eine große Variationsbreite gab und Luthers Lautstand noch keinen „Endpunkt“ der Entwicklung auf eine einheitliche Nationalsprachform markierte.
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