Gegenstand der vorliegenden Arbeit war es, Zusammenhänge zwischen wahrgenommenen Flexibilitätsanforderungen (PFR), beruflicher Sinnerfüllung, und allgemeinem Wohlbefinden aufzudecken. Zuerst werden die Hypothesen aus dem aktuellen Forschungsstand zu allen relevanten Konstrukten abgeleitet, und dann anhand einer korrelativen Querschnittstudie (N = 341) getestet. Es wurden hochsignifikante positive Korrelationen zwischen der Anforderung an Selbstorganisation (PFR-task) und beruflicher Sinnerfüllung, der Anforderung an selbstbestimmtes Lernen (PFRlearning) und beruflicher Sinnerfüllung, der Anforderung an Selbstorganisation (PFR-task) und allgemeinem Wohlbefinden, sowie beruflicher Sinnerfüllung und allgemeinem Wohlbefinden nachgewiesen. Außerdem wurde ein hochsignifikant negativer Zusammenhang zwischen der Anforderung an räumlich-zeitliche Flexibilität (PFR-time) und dem allgemeinen Wohlbefinden, sowie ein Mediationseffekt von beruflicher Sinnerfüllung auf den Zusammenhang zwischen der Anforderung an Selbstorganisation (PFR-task) und allgemeinem Wohlbefinden, ermittelt.
Inhalt
Abstract
I. Einleitung
II. Theoretischer Hintergrund
II.1 Flexibilitätsanforderungen
II.1.1 die Theorie des Arbeitskraftunternehmers
II.1.2 wahrgenommene Flexibilitätsanforderungen (PFR)
II.2 Sinn
II.2.1 Definition von Sinn
II.2.2 Sinnerfüllung und Sinnkrise
II.2.3 berufliche Sinnerfüllung
II.3 Wohlbefinden
III. Forschungsfrage: In welchem Zusammenhang stehen Flexibilitätsanforderungen, berufliche Sinnerfüllung und Wohlbefinden?
IV. Methoden
IV.1 Stichprobe
IV.2 Eingesetzte Instrumente
IV.3 Durchführung der Untersuchung
IV.4 Statistische Analyseverfahren
V. Ergebnisse
V.1 interne Konsistenzen.
V.2 deskriptive Ergebnisse
V.3 Hypothesentestung
VI Diskussion
VI.1 Diskussion der deskriptiven Daten
VI.2 Diskussion der Hypothesen
VI.3 Limitationen
Literaturverzeichnis
Abstract
Gegenstand der vorliegenden Arbeit war es, Zusammenhänge zwischen wahrgenommenen Flexibilitätsanforderungen (PFR), beruflicher Sinnerfüllung, und allgemeinem Wohlbefinden aufzudecken. Zuerst werden die Hypothesen aus dem aktuellen Forschungsstand zu allen relevanten Konstrukten abgeleitet, und dann anhand einer korrelativen Querschnittstudie (N = 341) getestet. Es wurden hochsignifikante positive Korrelationen zwischen der Anforderung an Selbstorganisation (PFR-task) und beruflicher Sinnerfüllung, der Anforderung an selbstbestimmtes Lernen (PFR-learning) und beruflicher Sinnerfüllung, der Anforderung an Selbstorganisation (PFR-task) und allgemeinem Wohlbefinden, sowie beruflicher Sinnerfüllung und allgemeinem Wohlbefinden nachgewiesen. Außerdem wurde ein hochsignifikant negativer Zusammenhang zwischen der Anforderung an räumlich-zeitliche Flexibilität (PFR-time) und dem allgemeinen Wohlbefinden, sowie ein Mediationseffekt von beruflicher Sinnerfüllung auf den Zusammenhang zwischen der Anforderung an Selbstorganisation (PFR-task) und allgemeinem Wohlbefinden, ermittelt.
I. Einleitung
In Zeiten der Liberalisierung des Welthandels werden Mitarbeiter mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert. Betriebe müssen, um den veränderten Ansprüchen der Märkte nachzukommen, neue Wege gehen, vor allem um international konkurrenzfähig zu bleiben. Sie reagieren darauf mit Flexibilität auf allen Ebenen, und fordern dabei auch von ihren Angestellten mehr Flexibilität ein (Kiem, 2011). Strategien des Managements, die mit Flexibilität einhergehen und neue Anforderungen an die Beschäftigten stellen, sind beispielsweise der steigende Anteil von Zeitarbeit, die Reduktion von hierarchischen Ebenen innerhalb der Firmen und der innerbetrieblichen Bürokratie, das Einsetzen von selbstregulierten Teams und Projektarbeit, flexiblere Arbeitszeiten, sowie das Führen durch Zielvereinbarungen oder andere Managementpraktiken, welche die Verantwortung der Mitarbeiter für ihre täglichen Aufgaben erhöhen (vgl. Allvin, 2011; Oeij & Wiezer, 2002). Berufstätige müssen diesen neuen Ansprüchen gerecht werden, wenn sie in solch einer Arbeitswelt bestehen wollen (Kiem, 2011). Dabei müssen sie Strategien entwickeln, die es ihnen erlauben den steigenden Anforderungen dauerhaft nachkommen zu können (Schnell, 2016). Konform dazu herrscht bei vielen Beschäftigten eine Art Liebe zur Arbeit, welche „sich nach außen hin ausdrückt in Flexibilität, Verfügbarkeit und Selbstverpflichtung bis zur Ausbeutung“ (Schnell, 2016, S. 152). Der Begriff der Sinnhaftigkeit spielt dabei eine wichtige Rolle, denn gleichzeitig wünscht sich ein zunehmender Anteil der Beschäftigten eine sinnvolle Arbeit. Berufliche Sinnerfüllung wird dabei definiert als „individuelle Erfahrung von Bedeutsamkeit, Orientierung, Kohärenz und Zugehörigkeit im Rahmen der aktuellen Arbeitstätigkeit“ (Schnell, Höge & Pollet, 2013). Vor Allem den jungen Arbeitstätigen ist dies ein Anliegen. So zeigte eine Umfrage unter 23- bis 35- jährigen Berufstätigen, die mindestens die Mittlere Reife als Bildungsniveau angaben, dass eine sinnvolle Arbeit für beinahe drei Viertel dieser Stichprobe einen hohen Stellenwert einnahm (Xing, 2014). Andere Umfragen ergaben sogar, dass eine sinnvolle Tätigkeit für viele Arbeiter gleichzusetzen oder sogar wichtiger sei als eine gute Bezahlung und Sicherheit (Vötter, 2015). Dies leuchtet ein, wenn man die immer größer werdenden Anforderungen in der Arbeitswelt damit in Verbindung bringt. Denn Sinnerfüllung bringt die Menschen dazu mit allen möglichen Widernissen klarzukommen. Wie schon Frankl (1979) sagte: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie“. Diese Arbeit widmet sich der Frage in welcher Weise verschiedene Flexibilitätsanforderungen, welche vom Arbeitgeber an den Mitarbeiter gestellt werden, mit deren Wohlbefinden und beruflicher Sinnerfüllung in Zusammenhang stehen.
II. Theoretischer Hintergrund
II.1 Flexibilitätsanforderungen
II.1.1 die Theorie des Arbeitskraftunternehmers
Wie in der Einleitung schon angeschnitten, erfährt die Arbeitswelt tiefgreifende Veränderungen. Um mit diesen Umbrüchen umzugehen, verändern sich auch die Arbeitsverhältnisse, so Pongratz und Voß (1998) in ihrer Theorie des Arbeitskraftunternehmers. Durch Reorganisationsprozesse, die sich vor Allem in Zugeständnissen von Selbstorganisation und Eigenverantwortung an die Beschäftigten zeigen, versucht das Management die Flexibilität, die in posttayloristischen, das heißt auf mehr Subjektivität ausgerichteten Zeiten vom Betrieb gefordert wird, an ihre Mitarbeiter weiterzugeben. So wird versucht das Transformationsproblem zu umgehen, welches nach Braverman (1974) darin besteht, dass Arbeitgeber sich zwar bei Beschäftigten ihre Arbeitszeit sichern, nicht jedoch ihre Arbeitsleistung. Den Beschäftigten wird also mehr Autonomie zugesprochen, wobei sich das weniger auf die Aufgaben an sich als vielmehr auf die Gestaltung der Aufgaben bezieht. Außerdem nehmen Arbeiter selbst ihre Arbeitsleistung als Ware wahr, welche, ähnlich wie bei einem Unternehmen, erfolgreich vermarktet werden muss (Pongratz & Voß, 1998). So entsteht ein neuer Typus von Arbeitnehmern, der Arbeitskraftunternehmer, welcher sich nach Pongratz und Voß (2003) durch erweiterte Selbstkontrolle bzw. Selbstorganisation, erweiterte Selbstökonomisierung, und schließlich bedingt dadurch auch durch erweiterte Selbstrationalisierung auszeichnet. Erweiterte Selbstkontrolle meint dabei die „eigenständige Planung, Steuerung und Überwachung der Tätigkeiten vom Arbeitnehmer selbst“ (Pongratz & Voß, 2004, S. 12). Die Kotrollfunktion, welche zuvor dem Management innewohnte, wird nun vom Mitarbeiter selbst ausgeführt. Der Leitsatz dafür könnte lauten: „Wie Sie die Arbeit machen, ist uns egal – Hauptsache das Ergebnis stimmt!“ (Pongratz & Voß, 2000, S. 231). Mit Erweiterter Selbstökonomisierung ist hingegen eine „zunehmende aktiv zweckgerichtete „Produktion“ und Vermarktung der eigenen Fähigkeiten und Leistungen“ (Pongratz & Voß, 2004, S. 12) gemeint. Dabei wird der Arbeitende vom passiv Agierenden zum strategisch Handelnden, und letztendlich zum Unternehmer seiner selbst (Pongratz & Voß, 2000). Der Leitsatz wäre hierfür: „Sie können so lange bei uns bleiben, wie Sie sicherstellen und nachweisen, dass Sie gebraucht werden und Profit erwirtschaften!“ (Pongratz & Voß, 2000, S. 232). Die erweiterte Selbstrationalisierung bezeichnet zuletzt eine „wachsende Durchorganisation von Alltag und Lebensverlauf und die Tendenz zur Verbetrieblichung von Lebensführung“ (Pongratz & Voß, 2004, S. 12). Dabei wird auch die Planung freizeitlicher Aktivitäten so vollzogen, dass sie für den Arbeitskraftunternehmer effizient ist. Hier würde der Leitsatz folgendermaßen lauten: „Wir brauchen Sie voll und ganz, mit all ihren Potenzialen und zu jeder Zeit – und dazu sollten Sie ihr Leben, beruflich wie privat, voll im Griff haben!“ (Pongratz & Voß, 2000, S.233). Doch nicht nur auf der betrieblichen Seite wandeln sich arbeitsbezogene Normen und Werte. Wie Kratzer (2002) postuliert, verändern sich auch auf der Arbeitnehmer-Seite die Vorstellungen, und zeigen sich in Form neuer Erwartungen und Anforderungen an ihre Arbeitsverhältnisse. Sie werden von Pongratz und Voß (2004b) als Erwerbsorientierungen beschrieben. Darunter verstehen sie individuelle Deutungen der Arbeitssituation, die mit subjektiven Ansprüchen und daraus entwickelten Handlungsstrategien abgeglichen werden. Im Gegensatz zum „verberuflichten Arbeitnehmer“ weist der Arbeitskraftunternehmer nach Pongratz & Voß (2003) folgende Unterschiede in den Bereichen Leistungsorientierung, Karriereorientierung, und dem Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit auf: „(1) Leistungsoptimierung statt Leistungssicherung, (2) Wunsch nach Autonomiegewinn und Chancenoptimierung statt Statusarrangement und Laufbahnorientierung sowie (3) Integration oder Entgrenzung von Arbeit und Privatleben statt Segmentation der Lebensbereiche“ (Höge, 2011, S.3).
II.1.2 wahrgenommene Flexibilitätsanforderungen (PFR)
Zur Ermittlung subjektiv erlebter Flexibilitätsanforderungen entwickelte Höge (2011) die Flexibility Requirements Scales. Insgesamt werden dabei folgende wahrgenommenen Flexibilitätsanforderungen gemessen: Selbstanforderung und Selbstorganisation, eigenständige Karriereentwicklung, eigenständiges Lernen, räumlich-zeitliche Flexibilität und funktionale Flexibilität.
Dabei wird der Fokus auf die subjektiven, individuellen Wahrnehmungen der Beschäftigten über ihre Arbeitsverhältnisse gelegt. So findet das Konzept einen verständlicheren und multidimensionalen Zugang zum Thema Flexibilität (Höge & Hornung, 2015). Höge (2011) definiert PFR als individuell wahrgenommene Erwartungen, welche vom Arbeitgeber an seine Beschäftigten gestellt werden und sich auf selbstregulierendes, flexibles und effizientes Verhalten im Berufsleben beziehen. Die PFR entwickeln sich dabei im Zusammenspiel von Person und Umwelt, von subjektiven und objektiven Faktoren (vgl. Hacker, 2003; Hackman & Oldham, 1976). Die Beschäftigten interpretieren dabei einzelne Aufgabenbeschreibungen, Teile des Arbeitsvertrages, verschiedene Verhaltensweisen des Vorgesetzten, Vorstellungen hinsichtlich der spezifischen Betriebsstruktur, und -kultur, und formen so die individuellen PFR (vgl. De Vos et al., 2005; Höge, 2011; Pongratz & Voß, 2003).
II.2 Sinn
II.2.1 Definition von Sinn
Der Begriff Sinn kommt vom althochdeutschen „sin“, welcher „Gang, Reise, Weg“ (Duden, 2016) bedeutet. Heutzutage wird der Begriff auf vielfältige Weise gebraucht. Der Duden (2016) beschreibt folgende Bedeutungen, die der Begriff heute besitzt:
1. Fähigkeit der Wahrnehmung und Empfindung (die in den Sinnesorganen ihren Sitz hat)
2. Gefühl, Verständnis für etwas; innere Beziehung zu etwas
a. (gehoben) jemandes Gedanken, Denken
b. (gehoben) Sinnesart, Denkungsart
3. gedanklicher Gehalt, Bedeutung; Sinngehalt
4. Ziel und Zweck, Wert, der einer Sache innewohnt
Die Sinnforscherin Tatjana Schnell hält Sinn für ein mehrdimensionales Konstrukt, welches mit der individuellen Wahrnehmung des Lebens als sinnvoll, sinnleer oder Sinn ermangelnd, aber auch mit den Ursprüngen dieser Wahrnehmung zu tun hat (Schnell, 2016). Der Einzelne sucht oder findet Sinn dementsprechend indem er einen spezifischen Weg geht. Dabei ist der subjektive, dynamische Charakter des Begriffs immanent (Schnell, 2016).
II.2.2 Sinnerfüllung und Sinnkrise
Sinnerfüllung entsteht dann, wenn ein Individuum sein eigenes Leben, meist unbewusst, als kohärent, bedeutsam und zugehörig bewertet (Schnell, 2009). Eine Sinnkrise ist hingegen ein bewusster und leidvoller Zustand, und entsteht dann, wenn eine Person bei gleichzeitiger Sinnleere eine Sehnsucht nach Sinn verspürt (Schnell & Becker, 2007). Ein Mensch muss sich aber nicht entweder im Zustand der Sinnerfüllung oder der Sinnkrise befinden, sondern kann auch wenig Sinnerfüllung verspüren, und dennoch nicht in einer Sinnkrise stecken (Schnell & Becker, 2007). Diese Menschen werden von Schnell und Becker (2007) als existenziell indifferent bezeichnet.
II.2.3 berufliche Sinnerfüllung
Schnell, Höge und Pollet definieren berufliche Sinnerfüllung unter Anlehnung an die Definition der allgemeinen Sinnerfüllung als individuelle Erfahrung von Bedeutsamkeit, Orientierung, Kohärenz und Zugehörigkeit im Rahmen der aktuellen Arbeitstätigkeit (2013). Bedeutsamkeit heißt hier, dass der Arbeitnehmer annimmt, seine Tätigkeit sei für Andere wertvoll. Wenn eine Person denkt, ihre Arbeit ist wichtig und nutzt ihren Mitmenschen, interpretiert sie diese als bedeutsam. Orientierung hingegen meint eine Art Vision, die der Beschäftigte mit seiner Tätigkeit assoziiert. Er misst ihr Werte bei, die sich darauf auswirken, welche und wie er Ziele verfolgt. Kohärenz bezieht sich auf zwei unterschiedliche Arten von Passung und Stimmigkeit. Vertikale Kohärenz bedeutet, dass das Handeln im Berufsalltag mit dem Erreichen der Arbeitsziele einhergeht, und diese wiederum zu den Bedeutungen im Leben des Tätigen passen. Horizontale Kohärenz hingegen ist dann gegeben, wenn verschiedene Bereiche einer Tätigkeit harmonieren, wenn sie sich ergänzen, und alle wichtigen Bedeutungen im Leben in eine Richtung zeigen. Zugehörigkeit soll hier bedeuten, dass sich der Arbeitnehmer als Teil eines Ganzen sieht. Er fühlt sich verantwortlich und identifiziert sich mit dem Arbeitgeber (Schnell, 2016). Somit entsteht die subjektive Bewertung der Arbeitstätigkeit als sinnvoll, wenn diese mit den persönlichen Zielen, Motiven, Fähigkeiten und Fertigkeiten des Arbeitnehmers zusammenpasst und seinem Leben insgesamt Richtung und Orientierung gibt (Schnell, Höge & Pollet, 2013). Lips-Wiersma und Morris (2009) gehen davon aus, dass nur der Beschäftigte selbst seine Arbeit als sinnerfüllend bewerten kann. Zum gleichen Schluss kommt auch Schnell (2016), wenn sie sagt, dass eine (Arbeits-) Umwelt nie per se sinnerfüllend sein kann. Es müsse immer das Zusammenspiel zwischen dem Individuum und seiner Umwelt betrachtet werden, um einen Sinnbezug herstellen zu können. Andererseits postuliert Schnell (2016) jedoch auch, dass „durch die Gestaltung der Tätigkeit, des Betriebsklimas und der organisationalen Orientierung ein Rahmen geschaffen werden (kann), der für alle Persönlichkeitstypen berufliches Sinnerleben ermöglicht“ (S.158).
II.3 Wohlbefinden
Die WHO (2016) setzt in ihrer Satzung Gesundheit mit Wohlbefinden in Verbindung. So ist ihrer Ansicht nach körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden eine Bedingung für Gesundheit. Allgemeines Wohlbefinden ist ein multidimensionales Konstrukt, und daher schwierig zu definieren. Es erstreckt sich auf verschiedene Lebensbereiche wie z.B. Arbeit, Finanzen, emotionale Gesundheit, physische Unversehrtheit, aber auch die Qualität von sozialen Beziehungen, und schließt auch die Gesellschaft mit ein (Rath et al., 2010; Diener, 2006; Diener & Suh, 2000). Ryan, Huta und Deci (2008) spalten den umfangreichen Begriff des Wohlbefindens in hedonisches und eudaimonisches Wohlbefinden auf. Dabei bezieht sich das hedonische Wohlbefinden auf das Erreichen von Glück, Vergnügen oder Genuss, was in der Psychologie dem subjektiven Wohlbefinden entspricht. Der eudaimonische Wohlbefindensbegriff hingegen beleuchtet eher nicht das Endergebnis, sondern den Prozess der erfüllenden Gestaltung des eigenen Lebens (Frank, 2012). Diesem Teil des Wohlbefindens schreibt Frank (2012) auch das Konstrukt der „seelischen Gesundheit“ zu.
III. Forschungsfrage: In welchem Zusammenhang stehen Flexibilitätsanforderungen, berufliche Sinnerfüllung und Wohlbefinden?
Wenn der Arbeitgeber eine Vielfalt an Anforderungen an seine Beschäftigten bereithält, und ihm auch Aufgaben zumutet, die ganzheitlich erfüllt werden sollen, steigert dies das Gefühl der Bedeutsamkeit (Hackman & Oldham, 1975). Wenn die Aufgaben ganzheitlicher und abwechslungsreicher sind, werden sie als bedeutungsvoller und sinnvoller erlebt, so auch Göbel (2015). Weiters meint sie, dass deswegen Selbstorganisation ein intrinsischer Motivator sei. Ganzheitlichkeit der Aufgabe steht also theoretisch in Verbindung zu Selbstorganisation. Aufgrund dieser Annahmen wird die erste Hypothese aufgestellt:
H1: die Anforderung an Selbstorganisation (PFR-task) korreliert positiv mit beruflicher Sinnerfüllung.
Anforderungsvielfalt könnte man mit der Flexibilitätsanforderung an selbstbestimmtes Lernen gleichsetzen, denn selbstbestimmtes Lernen wird unter anderem durch eine hohe Autonomie am Arbeitsplatz, Problemlösungstechniken und komplexe Aufgaben charakterisiert (Tinnaken, 2011). Auch Hackman und Oldham (1975) meinen, dass dies das Gefühl der Bedeutsamkeit steigert, welches nach Schnell, Höge und Pollet (2013) einen Teil der Definition von beruflicher Sinnerfüllung darstellt. Lips-Wiersma und Morris (2009) postulieren, dass persönliche Entwicklung und fortwährendes Lernen zu Sinnerfüllung im Beruf führen. Die zweite Hypothese lautet dementsprechend:
H2: die Anforderung an Selbstbestimmtes Lernen (PFR-learning) korreliert positiv mit beruflicher Sinnerfüllung.
In der Theorie wird außerdem thematisiert, dass Sinn in der Arbeit den Menschen hilft mit Belastungen und Stressoren umzugehen und somit ihr Wohlbefinden positiv beeinflusst (Clausen & Borg, 2011). Dies wurde auch in zwei Studien von Arnold et al. (2007) nachgewiesen. Die erste Studie betrachtet den hedonischen Anteil von Wohlbefinden, die zweite den Eudaimonischen. Beide Studien konnten den Zusammenhang von beruflicher Sinnerfüllung und Wohlbefinden nachweisen. Vor diesem Hintergrund wird die dritte Hypothese aufgestellt:
H3: berufliche Sinnerfüllung korreliert positiv mit allgemeinem Wohlbefinden
Höge und Hornung (2015) stellten Überlegungen zum Thema Flexibilitätsanforderungen und Wohlbefinden an. Danach haben die ersteren sowohl negative als auch positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Diese Hypothese konnte durch ein Strukturgleichungsmodell (SEM) teilweise belegt werden. Sie konnten nachweisen, dass die Anforderung an zeitliche Flexibilität jedoch ausschließlich negative Folgen auf das Wohlbefinden hat. Somit lautet die nächste Hypothese:
H4: die Anforderung an zeitliche Flexibilität (PFR-time) korreliert negativ mit allgemeinem Wohlbefinden
Laut Frank (2012) rückt der eudaimonische Wohlbefindensbegriff den Prozess der erfüllenden Gestaltung des eigenen Lebens in den Fokus. Dieser Wohlbefindensbegriff wird auch als psychisches Wohlbefinden bezeichnet (Theves, 2011). Auf den Beruf bezogen kann eine Tätigkeit also nur dann förderlich für das (eudaimonische) Wohlbefinden sein, wenn sie aktiv und selbstorganisational gestaltet werden kann. Auf dieser Grundlage lautet die nächste Hypothese:
H5: die Anforderung an Selbstorganisation (PFR-task) korreliert positiv mit allgemeinem Wohlbefinden
Gleichzeitig konnten Höge und Hornung (2015) positive und negative Zusammenhänge zwischen der Anforderung an Selbstorganisation und allgemeinem Wohlbefinden feststellen. Wenn H1, H3 und H5 sich als richtig erweisen, kann folglich angenommen werden, dass berufliche Sinnerfüllung den Zusammenhang zwischen der Anforderung an Selbstorganisation und allgemeinem Wohlbefinden mediiert. Als Mediator wirkt eine Variable, wenn sie den Zusammenhang einer unabhängigen Variablen auf eine abhängige Variable vermittelt (Dorsch, 1994). Es wird daher die sechste Hypothese aufgestellt:
H6: berufliche Sinnerfüllung mediiert den Effekt, den die Anforderung an Selbstorganisation (PFR-task) auf das allgemeine Wohlbefinden ausübt
IV. Methoden
In diesem Kapitel werden die Methoden der Auswertung erläutert. Die Stichprobe, sowie die eingesetzten Fragebogeninstrumente werden in den Fokus gerückt, bevor die statistischen Auswertungsmethoden betrachtet werden.
IV.1 Stichprobe
Die Teilnehmer des Forschungsseminars der Angewandten Psychologie, das im Wintersemester 2016/2017 sowie im Sommersemester 2017 an der Universität Innsbruck stattfand, rekrutierten im Februar 2017 eine Gelegenheitsstichprobe von n = 341. Die Befragten haben ein Alter von 18 bis 64 Jahre (M = 38.94; SD = 12.97) und führen ihren Beruf zu 61.9 % in Deutschland und zu 33.1 % in Österreich aus. Fünf Prozent der Probanden arbeiten zum Zeitpunkt der Befragung in einem anderen Land.
Die Stichprobe setzt sich aus 188 (55.1 %) Frauen und 152 (44.6 %) Männern zusammen. Dieses leichte Ungleichgewicht könnte dadurch zustande gekommen sein, dass die Teilnehmer des Forschungsseminars, welche die Probandenakquise vornahmen mehrheitlich weiblich sind und Freundeskreise besitzen, die ihrem eigenen Geschlecht entsprechen. Ein weiterer denkbarer Einflussfaktor könnte das Studienfach der Umfrage darstellen. Es könnte sein, dass viele KommilitonInnen als Probanden gewonnen werden konnten. Da Psychologie traditionell eher ein Fach ist, das mehr Frauen als Männer wählen, hätte sich dies auch in der Verteilung der Probanden zu den Geschlechtern gezeigt. Diese leichte Ungleichverteilung könnte sich in den Ergebnissen wiederspiegeln, wenn Konstrukte gemessen werden, bei welchen genderspezifische Unterschiede eine Rolle spielen. Insgesamt sind 78 Personen (22.9 %) alleinstehend. 134 (39.3 %) Individuen leben in einer festen Partnerschaft ohne verheiratet zu sein, und 127 (37.2 %) Probanden gaben an eine Ehe zu führen. Von den liierten Probanden leben 22.9 % alleine, wohingegen 77.1 % mit ihrem Partner zusammenleben. Zudem haben 89.6 % der Partner der Untersuchungsteilnehmer zumindest eine Teilzeitstelle inne. Außerdem sind 51.3 % kinderlos, während 67.72 % der Anderen mindestens zwei Kinder haben. Im gleichen Haushalt leben n = 122 (min = 0; max = 5) (1x 21, 2x 23) der Kinder unter 18 Jahren, von welchen das jüngste Kind durchschnittlich M = 8.81; SD = 6.14 Jahre alt ist.
Als höchste abgeschlossene Ausbildung gaben 47.2% ein (Fach-) Hochschulstudium an, wohingegen 21.4 % eine Lehre abgeschlossen hatten. 17.6 % gaben das Abitur oder ein Äquivalent als höchsten Bildungsgrad an. Dies ist ein nicht repräsentatives Ergebnis, welches sich aus der Probandenakquise im Umfeld von aktiven Studenten erklären lässt. Eine weiterführende schulische Ausbildung ohne Abitur hatten 12 % absolviert, und schließlich hatten 0.9% die Pflichtschule als höchsten Bildungsabschluss erreicht. Zu ihrer Beschäftigungssituation äußerten sich die Teilnehmer der Befragung folgendermaßen: 2.3 % der Probanden arbeiten selbstständig. Die abhängig Beschäftigten gaben zu 83 % ein unbefristetes Arbeitsverhältnis an, 12.9 % der Lohnempfänger sind befristet beschäftigt. Die Untersuchungsteilnehmer gaben zur Größe des Unternehmens in dem sie beschäftigt sind, am häufigsten die Gruppe der großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten (36.1 %), gefolgt von der Gruppe der kleinen bis mittleren Unternehmen mit elf bis 50 Mitarbeitern (19.1 %) an. Am seltensten wurden die Gruppe der Unternehmen mit 51 bis 100 Arbeitskräften (9.4%) sowie die der Firmen mit 201-500 Beschäftigten (9.1 %) als Arbeitgeber genannt. Die Probanden hatten zudem durchschnittlich seit M = 8 (SD = 8.57) Jahren ihre momentane Stelle inne, wobei Angaben von weniger als einem Jahr bis 40 Jahren variieren. Führungsaufgaben mit Weisungsbefugnissen führen 35.2 % der Stichprobe aus. Die Befragten haben eine mittlere vertraglich geregelte Arbeitszeit von M = 35.35 (SD = 7.98) Stunden, wobei sie tatsächlich M = 39.13 (SD = 10.23) Stunden pro Woche arbeiten. Mit einem Prozentsatz von 16.4 sind Schichtarbeiter vertreten, von welchen 37.8 % angaben im Wechselschichtdienst mit zwei Schichten tätig zu sein. 46.7 % der Schichtarbeiter arbeiten im Schichtdienst mit drei Schichten, sonstige Schichtmodelle waren zu 15.6 % vertreten.
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