Mit seinem Spielfilm "Stalker" schuf der russische Regisseur Andrej Tarkowski ein inhaltlich und visuell prägendes Werk Meisterwerk, das bis heute einzigartig in der Filmgeschichte geblieben ist. Doch worin besteht das Besondere von Tarkowskis Filmkunst? Eine Analyse am Beispiel dieses Films.
"Stalker", der 1979 fertiggestellte fünfte Spielfilm des Regisseurs Andrej Tarkowski, soll im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen stehen. Nachdem sich Tarkowski bereits mit seinen Filmen "Iwans Kindheit" und "Andrej Rubljow" frühe internationale Anerkennung verschafft hatte, begründete "Stalker" eine, vor allem in der Bundesrepublik, beinahe kultische Rezeption seines Werkes. Dieser Erfolg von "Stalker" lässt sich sicherlich zu einem gewissen Teil, auf den im Westen Anfang der 80er Jahre in Mode gekommenen Hang zum Irrationalismus zurückführen. So blieb zunächst vieles von dem, was Tarkowski ansprechen wollte, unverstanden, noch unter der Oberfläche.
Inhalt
1. Einleitung
2. Literarische Vorlage und Entstehung des Films "Stalker"
3. Inhalt
4. Tarkowskis filmische Welt - Symbole und Verfremdungen in seiner Gestaltungsweise
5. Filmische Charakterisierung der handelnden Personen
6. Zusammenfassung
7. Persönliche Anmerkung
Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
"Stalker", der 1979 fertiggestellte fünfte Spielfilm des Regisseurs Andrej Tarkowski, soll im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen stehen.
Nachdem sich Tarkowski bereits mit seinen Filmen "Iwans Kindheit" und "Andrej Rubljow" frühe internationale Anerkennung verschafft hatte, begründete "Stalker" eine, vor allem in der Bundesrepublik, beinahe kultische Rezeption seines Werkes. Dieser Erfolg von "Stalker" lässt sich sicherlich zu einem gewissen Teil auf den im Westen Anfang der 80er Jahre in Mode gekommenen Hang zum Irrationalismus zurückführen. So blieb zunächst vieles von dem, was Tarkowski ansprechen wollte, unverstanden, noch unter der Oberfläche.
"Stalker" macht es dem Betrachter beim ersten Anschauen nicht ganz leicht. Der Film weicht radikal von den Sehgewohnheiten des kommerziellen Kinos ab. So hieß es in einer ersten Rezension der FAZ: "Dies ist das Eigentümliche, auch Bewundernswerte an "Stalker": die Geduld, die Ausdauer, der verschwenderische Umgang mit der Zeit. Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass im Film die Alltäglichkeit per Schnitt eliminiert wird. Filmdramaturgie heute: das ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten" (5).
"Stalker" stellt einen besonderen Meilenstein im Schaffen des Regisseurs Tarkowski dar. Zunächst ist es der letzte Film, den er in der Sowjetunion drehen konnte. Im Gegensatz zu seinen früheren Arbeiten konfrontiert uns dieser Film mit einer besonderen Geradlinigkeit in der Erzählweise. Sie mutet fast an, als sei sie im Wesentlichen nur auf die unmittelbaren Problemgehalte komprimiert. Auch die Ausstattung ist äußerst einfach gehalten. Nichts deutet in den Bildern vor der Kamera darauf hin, dass "Stalker" auf ein Science-Fiction-Sujet zurückgeht. Durch die Einfachheit der Ausstattung wird jedoch gleichzeitig ein hoher Grad an Verfremdung und Symbolhaftigkeit erzielt.
"Stalker" entzieht sich jeder festgefügten Entschlüsselung. Hingegen lässt er Freiraum für das Eigene des Betrachters. Und schließlich ist noch als sehr wichtig zu erwähnen, dass Tarkowski hier ein Thema aufnimmt, welches für sein Spätwerk im Exil beherrschend wurde: die persönliche Opferbereitschaft des Einzelnen, die der Verantwortungslosigkeit der modernen menschlichen Gesellschaft entgegengesetzt wird. Dieses Zuschreiten auf eine Katastrophe sieht Tarkowski vor allem durch den Verlust der geistig-spirituellen Ebene hervorgerufen.
Der Film traf trotz seiner zumeist wohlwollenden Aufnahme nicht nur auf ungeteilte Anerkennung. Gerade die Kargheit und Geradlinigkeit enttäuschte einige Kenner der bisherigen Filme von Tarkowski. So schreibt M. F. Turowskaja: "Es hat den Anschein, als ob Tarkowski jenen festen Vorrat an Themen und Motiven, aus denen er jahrelang schöpfte, mit dem "Spiegel" als endgültig realisiert betrachtet hätte; jedenfalls fehlt im "Stalker" dieses Reservoir... "Stalker" verhält sich zu den übrigen Filmen Tarkowskis wie Graphik und Malerei." (3, Seiten 92 - 93)
Eine genauere Beschäftigung mit den Auffassungen des Regisseurs zum Film als künstlerisches Medium zeigt jedoch, dass "Stalker" den Zielen und Intentionen Tarkowskis zu diesem Zeitpunkt von allen seinen Filmen am nächsten kommt. Dieses soll im Folgenden näher untersucht und bewiesen werden, als Beispiel für die besondere künstlerische Handschrift dieses Regisseurs. Grundlage für die Betrachtungen sind Gedanken, die Tarkowski selbst zum Medium Film äußerte, vor allem in seinem 1985 veröffentlichten Buch "Die versiegelte Zeit". Folgende Schwerpunkte stehen im Vordergrund:
- Welche Wirkungen werden beim Betrachten des Films an den Zuschauer herangetragen?
- Mit welchen Elementen und filmischen Möglichkeiten wurde gearbeitet, um bestimmte Emotionen und Wirkungen beim Zuschauer auszulösen?
- Welche konkreten Problemstellungen werden über die im Film hervorgerufenen Emotionen angesprochen?
- Wie könnte der gedanklich-schöpferische Prozess beim Zuschauer verlaufen?
Tarkowski nahm am Schreiben des Drehbuches aktiven Einfluss. Noch während der Dreharbeiten erfolgten diesbezügliche Veränderungen, die bis in die Konzeption bestimmter Figuren hineinreichten. Deshalb wird zunächst eine detaillierte Handlungsübersicht am Anfang stehen. Gleichzeitig erleichtert sie den notwendigen Rückgriff auf spezielle Szenen. Ausgangspunkt der eigentlichen Betrachtungen werden für den Film typische Bilder sein, von denen auf die emotionale Wirkung geschlossen wird.
Diese Auseinandersetzung mit Tarkowskis "Stalker" soll gleichzeitig darüber reflektieren, was der Film als echte Kunstform zu leisten vermag.
Darüber hinaus vermittelt eine nähere Beschäftigung mit der Arbeit und damit gleichzeitig mit der Persönlichkeit des Regisseurs Andrej Tarkowski nicht nur Wissen um rein filmspezifische Dinge, sondern als Quintessenz stehen Einsichten und wertvolle allgemeinmenschliche Erfahrungen, die bei der Vervollkommnung eigener Werte und Vorstellungen durchaus nützlich sind.
Anmerkung:
Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde in den gewählten Zitaten die Schreibweise der Namen mit der im laufenden Text verwendeten angeglichen.
2. Literarische Vorlage und Entstehung des Films "Stalker"
Im Jahre 1972 erschien in der Leningrader Zeitschrift "Aurora" erstmals die Erzählung "Picknick am Wegesrand" der beiden Autoren Arkadi und Boris Strugatzki. In dieser Erzählung geht es darum, dass außerirdische Wesen die Erde besucht und in mehreren Erdteilen bestimmte Zonen zurückgelassen haben. In ihnen gehen für die Menschen unerklärliche Dinge und Erscheinungen vor. Allerlei zwielichtige Geschäftsleute zeigen brennendes Interesse an den fremden zurückgelassenen Objekten. So entsteht der Beruf der Schatzgräber, ausgeübt durch Leute, die auf eigene Gefahr diese Objekte aus den verbotenen Zonen schmuggeln. Im Mittelpunkt der Handlung steht Roderic Schuchart, der einer von ihnen ist. Sein Schicksal ist mit der verbotenen Zone eng verkettet. Mit Liebe und Furcht ist er förmlich an sie gefesselt; die Zone ist der Mittelpunkt und Sinn seines ärmlichen Lebens, sie bedeutet ihm die Hoffnung. Diese Grundkonstellation ist die des späteren Films. Auch die Frau des Schatzgräbers, die sich trotz aller Erniedrigung ihres derzeitigen Lebens zu ihrem Mann, dem potentiellen Todeskandidaten bekennt, erscheint im Film wieder; ebenso das behinderte Kind der beiden und schließlich die Zone als ein Ort, der sich jeder rationalen Erkenntnis zu entziehen scheint. Da es den Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen würde, detailliert auf die Erzählung einzugehen, seien nur diese wichtigsten übereinstimmenden Punkte mit dem späteren Drehbuch und Film genannt.
1974, nach seiner "Spiegel"-Verfilmung, trug sich Tarkowski gleichzeitig mit mehreren Plänen. Unter anderem befasste er sich auch mit einer möglichen Verfilmung der erwähnten Erzählung. In seinen Tagebuchnotizen vom 25.12.1974 ist zu lesen: "Eine völlig harmonische Form für mich könnte jetzt der Film nach der Vorlage der Strugatzkis sein: fließende, detaillierte Handlung, doch ihr gleichgestellt, rein Idealistisches, das heißt, Halbtranszendentes, Absolutes.“ (2, Seite 147)
Hauptthema sollte nach den ersten Vorstellungen die Darstellung eines Menschen sein, der aktiv danach strebt, den Sinn des Lebens zu begreifen. Weitere Punkte, die Tarkowski an dieser Verfilmung reizten:
- möglicherweise nur zwei Darsteller
- Einheit des Ortes und der Handlung
- die Möglichkeit, im Film Naturvorgänge zu verfolgen - zum Beispiel wie es hell oder dunkel wird.
Mit diesem Sujet hoffte Tarkowski, die Probleme, die er nach eigener Meinung mit "Soljaris" nicht lösen konnte, nun besser umsetzen zu können.
Am 27.3.1975 notierte er: "War bei Arkadi Strugatzkij. Er freut sich, dass ich "Picknick am Wegesrand" inszenieren will. Das Drehbuch werden wir auf paritätischer Grundlage erarbeiten - zu dritt." (2, Seite 155)
Obwohl bereits Ende 1975 die Genehmigung zu den Dreharbeiten gegeben wurde, zögerte sich deren Beginn bis zum Februar 1977 hinaus. Die männlichen Hauptrollen wurden mit Anatoli Solonizyn, Nikolaj Grinko und Alexander Kaidanowski besetzt.
Zu Beginn der Dreharbeiten zeigten sich zunehmende Differenzen zwischen Tarkowski und seinem Kameramann A. Rerberg. Beim Kopieren wurde schließlich der größte Teil des abgedrehten Materials vernichtet. Auch der zweite Drehversuch, begonnen im August 1977, misslang. Nach schwerer Krankheit nahm Tarkowski 1978 die Arbeit zum dritten Mal auf. Dieser letzte Versuch des Projektes erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Kameramann A. Knjashinski. Tarkowski selbst übernahm zusätzlich die Aufgabe des Filmarchitekten. Außerdem überarbeitete er noch einmal das Drehbuch, vor allem die Konzeption der Figur des Stalkers.
Am 23.12.1978 notierte Tarkowski: "Der Film gelingt. Es ist etwas Neues für mich. Weil er einfach in der Form ist und mit dem traditionellen Verhältnis zu den Aufgaben und Funktionen des Films als solchen bricht.
In ihm will ich die Beziehung zum heutigen Tag sprengen und mich der Vergangenheit zuwenden, in der die Menschheit so viele Fehler begangen hat, dass man heute gezwungen ist, im Nebel zu leben. Es soll im Film über das Göttliche im Menschen gesprochen werden und über den Verfall der Spiritualität aufgrund der Beherrschung falschen Wissens." (2, Seite 207)
Ohne bürokratische Hürden konnte der fertiggestellte Film bereits 1980 dem internationalen Publikum vorgestellt werden.
3. Inhalt
Zur Erleichterung der nachfolgenden Ausarbeitung wurde diese Handlungsübersicht in durchgehend numerierte Abschnitte eingeteilt. Bei der Betrachtung einzelner Szenen des Films soll auf diese Einteilung zurückgegriffen werden.
(1) Der Stalker bereitet sich in seiner kleinen düsteren Wohnung zum Aufbruch vor. Seine Frau erwacht und versucht durch Vorhaltungen seinen erneuten Gang in die Zone zu verhindern. Ihr Versuch scheitert, denn der Stalker reißt sich los und verlässt die Wohnung.
(2) Der Stalker nähert sich der Stehkneipe. Sie liegt im düsteren Milieu eines Güterbahnhofs. Vor der Kneipe steht der Schriftsteller und doziert im zynischen Tonfall vor einer mitgebrachten, offenbar gut begüterten Dame über die Öde und Langweiligkeit der Welt. Der Stalker bedeutet der Dame in knappen Worten, sich schleunigst zu entfernen. Beide betreten die Kneipe, wobei der Schriftsteller in seinem leicht angetrunkenen Zustand vor der Tür ausrutscht.
(3) In der Kneipe wartet bereits der Wissenschaftler. Nachdem sich alle drei bekannt gemacht haben, erteilt der Stalker letzte Instruktionen. Schließlich gibt er das Zeichen zum Beginn der Fahrt.
(4) In einem Jeep durchqueren sie ein trostloses und verfallen wirkendes Industriegelände, im "Versteckspiel" mit einer Polizeistreife. Schließlich besteigen sie eine Draisine und gelangen unter Beschuss der Wachmannschaften in die verbotene Zone.
(5) Die Zone präsentiert sich als ein Gebiet mit üppiger grüner Vegetation, in der scheinbar im Gegensatz zu der gerade verlassenen äußeren Welt tiefer Frieden herrscht. An manchen Stellen künden Trümmer von den Resten menschlicher Zivilisation. Der Stalker entfernt sich von den beiden anderen und begrüßt die Zone wie etwas, was er lange und schmerzlich entbehren musste, wie ein Heimgekehrter sein Zuhause. Derweil ist in einem Gespräch zwischen Schriftsteller und Wissenschaftler zu erfahren, dass der Stalker für seine Tätigkeit in der verbotenen Zone bereits im Gefängnis hat büßen müssen. Außerdem wäre die Tochter des Stalkers ein Opfer der Zone - sie ist verkrüppelt geboren worden.
Geräusche aus der Ferne, die an Wolfsgeheul erinnern, reißen beide aus dem Gespräch. Schließlich kommt der Stalker zurück und gibt das Zeichen zum Aufbruch,
(6) Um unsichtbaren Fallen aus dem Weg zu gehen, werden regelmäßig in Stoff eingewickelte Schraubenmuttern in die beabsichtigte Marschrichtung geworfen. Ziel des Marsches soll ein geheimnisvolles Zimmer sein, um das sich das Gerücht rankt, es wäre ein Ort der Erfüllung innerster Wünsche eines jeden Menschen.
(7) Die drei Männer erreichen eine Wiese, auf der sich weitere, von der Natur überwucherte Zivilisationstrümmer befinden. Zu sehen ist unter anderem das Wrack eines Busses, in dem schemenhaft die Umrisse menschlicher Leichen wahrzunehmen sind. Auf das Entsetzen des Schriftstellers hin erinnert sich der Stalker, als Kind gesehen zu haben, wie diese Menschen mit Waffengewalt in die Zone eingerückt sind.
(8) Ein anderer Teil der Wiese ist erreicht. Naturgeräusche, wie die Rufe eines Kuckucks, geben wiederum das Gefühl des hier herrschenden tiefen Friedens. Der Stalker erklärt seinen beiden Begleitern, dass das verfallene Gebäude am Rand der Wiese das Ziel des Marsches ist. Während der nächsten Meter bewegt sich der Schriftsteller ziemlich achtlos durch das Gelände, versucht sogar eine Pflanze auszureißen. Ein heftiger Disput entsteht, in dem der Stalker den Schriftsteller auffordert, solche Handlungen zu unterlassen. "Die Zone verlangt Ehrerbietung, sonst bestraft sie." Doch der Streit geht weiter. Der Schriftsteller möchte nicht auf Umwegen, wie vom Stalker vorgegeben, das Gebäude erreichen, sondern er bewegt sich kurzerhand auf geradem Weg darauf zu. Wind kommt auf und eine Stimme bedeutet ihm, sofort stehenzubleiben. Der Schriftsteller muss zurückkehren. Vom Stalker wird er nun belehrt, dass die Zone ein unsichtbares System von Fallen ist, launisch, doch so, wie wir sie in unserem Innersten gemacht haben. Am besten lässt sie die Hoffnungslosen, die Chancenlosen und Unglücklichen durch. Schließlich wird der Marsch fortgesetzt, die Perspektive auf das Gebäude wird noch einmal gezeigt.
(9) Der Rand des Gebäudes ist erreicht. Die drei befinden sich vor dem Eingang eines Gewölbes bzw. Tunnels. Die Kamera blickt auf den öligen Wasserspiegel eines Brunnens, der durch einen herabfallenden Gegenstand in Bewegung geraten ist. Aus dem Off ist die Stimme des Stalkers zu vernehmen: "Möge eintreffen, was vorgesehen ist. Mögen sie sich prüfen und mögen sie über ihre Leidenschaften lachen. Denn das, was sie Leidenschaft nennen, ist in Wirklichkeit keine seelische Energie, sondern ein Reiben zwischen Seele und äußerer Welt. Die Hauptsache aber: mögen sie an sich selber glauben und hilflos werden wie Kinder, weil Schwäche groß und Stärke nichtig ist.
Wenn der Mensch geboren wird, ist er schwach und geschmeidig. Wenn er stirbt, ist er kräftig und hart. Wenn ein Baum wächst, ist er zart und geschmeidig, wenn er trocken und hart ist, dann stirbt er. Härte und Kraft sind Weggefährten des Todes. Geschmeidigkeit und Schwäche sind Ausdruck für die Frische des Lebens. Deswegen wird nicht siegen, was hart geworden ist."
(10) Die drei steigen in den Eingang des Tunnels ein. Der Professor kehrt heimlich zurück, um den zurückgelassenen Rucksack zu holen, während sich seine Gefährten durch den von strömendem Wasser angefüllten Tunnel vorwärtsbewegen. Der Tunnel jedoch führt sie zum Ausgangspunkt zurück. Hier wartet der verlorengeglaubte Professor.
(11) Eine Ruhepause wird eingelegt. Der Schriftsteller provoziert mit dem Wissenschaftler einen Streit über den Sinn der Wissenschaft. Der Stalker versucht zu schlafen. Traumbilder verweben sich mit der Realität.
(12) Der Stalker rezitiert nach seinem Erwachen eine biblische Geschichte (der beiden Jünger von Emmaus), sinniert über das Wesen der Musik.
(13) Die drei Reisenden haben ihre Reise fortgesetzt. Sie stehen vor einem weiteren Tunneleingang. Wieder entwickelt sich ein heftiger Disput zwischen ihnen. Es geht darum, wer vorangehen soll. Per Los entscheidet der Stalker schließlich, dass der Schriftsteller vorangehen soll. Dieses Vorangehen wird für den Schriftsteller förmlich zu einer Qual. Am Ende des Tunnels zögert er, einen mit Wasser angefüllten Raum zu durchqueren und zieht eine bisher verborgen gehaltene Pistole. Nach inständigem Bitten des Stalkers legt er diese jedoch ab und durchquert schließlich den Raum. Der Wissenschaftler trägt eine Giftampulle mit sich.
(14) Das nächste, was die drei Männer erreichen, ist ein hallenartiger Raum, der mit kleinen Sandhügeln angefüllt ist. Trotz eiliger Warnung des Stalkers, sofort stehenzubleiben, begibt sich der Schriftsteller in den Raum hinein. Das erwartete Unglück bleibt aus.
"Und das ist noch ein Experiment," sagt der Schriftsteller, "Experimente, Fakten und Wahrheiten in letzter Instanz. Fakten gibt es ja überhaupt nicht, aber hier schon längst nicht mehr. Hier ist alles von irgend jemandem erdacht. All das ist der idiotische Einfall von irgend jemandem, fühlen Sie das denn nicht?" Dann reflektiert er über das Qualvolle des schriftstellerischen Daseins, seine Desillusionierung: "Ich glaubte, ich könnte die Menschen verändern. Aber nein, sie haben mich verändert, nach ihrem Vorbild, nach ihrem Beispiel. "
Der Stalker gratuliert dem Schriftsteller, dass er den Tunnel so gut überstanden habe. Dieser werde auch "Fleischwolf" genannt und sei eine riskante Stelle, an der schon viele umgekommen sind.
(15) Der Stalker rezitiert ein Gedicht von Arseni Tarkowski.
(16) Erneut entsteht Streit, denn der Schriftsteller bezweifelt die Redlichkeit des Stalkers.
Ein Telefon klingelt. Der Wissenschaftler seinerseits wählt eine Nummer - sein Laboratorium. Er gibt eine Mitteilung durch, in der sich andeutet, dass er gegen die Gesetze des Instituts verstoßen wird. Zu seinen Gefährten gewandt sagt er schließlich: "Stellen sie sich vor, was passieren wird, wenn alle an dieses Zimmer hier glaubten. Stellen Sie sich vor, wenn alle hierher stürzten - all diese verhinderten Herrscher, die Großinquisitoren, die verhinderten Herrscher jedweder Couleur, Leute, die kommen, um die Welt zu verändern!" Für den Schriftsteller ist dieses "soziologischer Durchfall". Der Wunsch nach einer gerechten Welt sei Ideologie.
(17) Während sich die Männer auf den letzten Metern zum Wunschzimmer befinden, zeigt eine Kameraeinstellung zwei im Halbdunkel liegende menschliche Skelette.
(18) Die Männer haben die Vorhalle zum Zimmer erreicht. Der Stalker gibt noch einmal zu bedenken, dass sie mit dem Erreichen des Zimmers den wichtigsten Punkt in ihrem Leben erreicht haben. Der Augenblick der Wunscherfüllung sei gekommen. Was man am innigsten ersehnt, wofür man am meisten gelitten habe, werde durch das Zimmer Realität. Es ist nicht nötig, etwas zu sagen. Die Hauptsache ist, zu glauben.
Der Wissenschaftler holt plötzlich eine bis zu diesem Zeitpunkt versteckt gehaltene Bombe heraus. Er möchte das Zimmer zerstören - diese Absicht sei sein wahrer Beweggrund gewesen, hierherzukommen. "Solange dieses Geschwür offen ist für jedes Gesindel, gibt es keine Ruhe." Der Stalker versucht das Vorhaben zu verhindern. Ein Handgemenge zwischen beiden entsteht, in das sich auch der Schriftsteller zugunsten des Wissenschaftlers einmischt. Der Schriftsteller wirft dem Stalker vor, sich an der Macht über die Leute, die er in die Zone führe, zu ergötzen. Doch dieser erwidert schlicht und in offensichtlicher Verzweiflung über die geplante Zerstörung des Zimmers, dass es sein einziges Glück wäre, anderen Hoffnungslosen zu helfen. "Alles was ich noch habe, ist hier; meine Freiheit, mein Glück, meine Würde."
Der Schriftsteller erwidert: "Was schreist du so. Hier wird sich nur das erfüllen, was deiner eigenen menschlichen Natur entspricht... Gewissen, Reue, seelische Qualen - das ist alles nur ausgedacht... Ich werde nicht in das Zimmer gehen. Ich möchte nicht den ganzen Dreck, der sich im Laufe meines Lebens angesammelt hat, jemandem über den Kopf gießen." Er bezweifelt schließlich das Wunder des Zimmers. Der Wissenschaftler, der beim Vorbereiten der Bombe innegehalten hatte, entschärft sie wieder und wirft die Einzelteile in das vor ihnen liegende Wasserbassin.
(19) Die Kameraperspektive erfolgt jetzt aus dem Zimmer heraus auf die am Boden sitzenden drei Männer. Sonnenlicht, das durch einen Deckendurchbruch fällt, färbt Wasser und Wände für einen kurzen Augenblick golden. Dann weicht die Sonne einem Regenschauer. Dann blickt die Kamera auf den Grund des Wasserbassins: Fische, die von einem Ölfilm eingeholt werden, ein Bombenteil, Geräusche einer vorbeifahrenden Eisenbahn, verzerrte Klänge eines Boleros.
(20) Die drei Männer sind wieder am Ausgangspunkt ihrer Reise, der Stehbierkneipe. Nichts erinnert daran, wo sie gewesen waren, außer einem aus der Zone mitgebrachten Hund, Schließlich begibt sich der Stalker in Begleitung seiner Frau und mit seiner gelähmten Tochter auf den Schultern nach Hause.
(21) Der offenbar fiebernde Stalker wird von seiner Frau umsorgt und zu Bett gebracht. Erschöpft klagt er ihr: "Mein Gott, was sind das für Menschen. Können solche Menschen an irgend etwas glauben?... Niemand braucht mehr das Zimmer.“
[...]